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Neurobiologie

Blick ins Alzheimer-Gehirn

Modell simuliert Veränderungen im Krankheitsverlauf

Gehirn
Wie unterscheidet sich das gesunde vom dementen Gehirn - und in welchem Stadium der Erkrankung manifestieren sich diese Unterschiede? © pixologicstudio/ iStock.com

Hirnschwund sichtbar gemacht: Forscher haben untersucht, wie sich das Gehirn im Verlauf der Alzheimer Erkrankung verändert. Ihre auf MRT-Aufnahmen basierenden Modellsimulationen offenbaren: Der Hirnschwund zeigt sich bereits vor dem 40. Lebensjahr – und beginnt wahrscheinlich im Hippocampus. Inwiefern sich diese Ergebnisse für neue Früherkennungsmethoden nutzen lassen, ist allerdings noch unklar.

Alzheimer ist eine der häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen überhaupt. Doch trotz intensiver Forschungsbemühungen gibt es noch immer kein Heilmittel für diese Form der Demenz. Neue Medikamente können die fortschreitende Zerstörung von Hirnzellen zwar bremsen. Meist aber wird Alzheimer erst erkannt, wenn die Patienten schon deutliche mentale Ausfälle zeigen.

Das Problem: Treten die ersten Symptome auf, ist der Hirnschwund schon weit fortgeschritten. Um die Erkrankung künftig rechtzeitig erkennen zu können, sind Forscher daher auf der Suche nach frühen Anzeichen der Erkrankung im Gehirn. Wie aber unterscheiden sich strukturelle Veränderungen im Denkorgan, die typisch für Alzheimer sind, von denen, die im Zuge normaler Alterungsprozesse auftreten?

Gesund und krank im Vergleich

Dieser Frage haben sich nun Pierrick Coupé von der Universität Bordeaux in Talence gewidmet. Für ihre Studie werteten die Wissenschaftler zunächst Gehirnscans von 2.944 gesunden Probanden im Alter von neun Monaten bis 94 Jahren aus. Auf Basis dieser Daten erstellten sie ein Modell der natürlichen Gehirnveränderungen im Verlauf des Lebens.

Anschließend schauten sie sich Magnetresonanztomografie-Aufnahmen (MRT) von 1.385 Alzheimer-Patienten an, die 55 Jahre oder älter waren. Weil Beschwerden in der Regel nicht vor diesem Alter auftreten, sind relevante Gehirnscans von Betroffenen aus einer früheren Phase des Lebens kaum verfügbar. Aus diesem Grund kombinierten Coupé und seine Kollegen diese Bilder mit Aufnahmen von gesunden, jungen Menschen, um ein Modell der Veränderungen des kranken Gehirns zu entwickeln.

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Progressiver Verlauf

Dabei gingen die Forscher davon aus, dass der Prozess der Neurodegeneration bei Alzheimer langsam und kontinuierlich verläuft. Auf einen solchen progressiven Verlauf deutet ihnen zufolge einiges hin – zum Beispiel die Tatsache, dass sich auch die für die Erkrankung typischen Ablagerungen von Beta-Amyloid-Proteinen langsam anhäufen.

Auf Basis ihres Modells simulierten Coupé und sein Team schließlich, was in den unterschiedlichen Stadien der Demenz im Gehirn passiert. Diese Ergebnisse verglichen sie dann mit den modellierten Veränderungen des gesunden Denkorgans.

Hirnveränderungen bei Alzheimer
Der vorzeitige Hirnschwund zeigt sich zunächst in Hippocampus und Amygdala. © Pierrick Coupé/ LABRI/ rashadashurov/ Stock.adobe.com

Es beginnt im Hippocampus

Das Ergebnis: Den Simulationen zufolge treten die ersten deutlichen Abweichungen bereits vor dem 40. Lebensjahr auf. Demnach zeigt sich der Hirnschwund wahrscheinlich zuerst im Hippocampus. Dieses Ergebnis stimmt laut den Wissenschaftlern mit Erkenntnissen aus Langzeitstudien überein, die Menschen mit einer genetischen Prädisposition für Alzheimer beobachtet haben.

Um das 40. Lebensjahr herum beginnt auch das Volumen der Amygdala im kranken Gehirn deutlich vom dem im gesunden abzuweichen, wie das Team berichtet: Dieser Hirnbereich schrumpft ebenso wie der Hippocampus. Zudem deuten die Modellsimulationen auf eine frühe Vergrößerung der lateralen Ventrikel hin – Hohlräumen im Gehirn, die mit Hirnwasser gefüllt sind und auch bei gesunden Personen mit zunehmendem Alter teilweise größer werden.

Ein aussagekräftiges Modell?

Mit ihrer Arbeit liefern Coupé und seine Kollegen erstmals einen Blick ins von Alzheimer betroffene Gehirn – vom frühen, symptomlosen Stadium bis hin zur Endphase der Erkrankung. Ihre Ergebnisse deuten auf charakteristische Veränderungen hin, an denen sich Alzheimer möglicherweise schon in der Mitte des Lebens feststellen lässt.

Ob sich diese Erkenntnisse in Zukunft wirklich für die Entwicklung neuer Früherkennungsmethoden nutzen lassen, ist jedoch unklar. Schließlich basiert die Studie auf einem Modell, das die Realität allenfalls ungefähr abbilden kann und mit Unsicherheiten behaftet ist. „Treten bestimmte Veränderungen entgegen unserer Annahme beispielsweise plötzlich statt allmählich auf, ist unser Modell untauglich“, schreiben die Forscher. „Wir sehen momentan jedoch keinen besseren Weg für die Simulation des Alzheimer-Verlaufs.“ (Scientific Reports, 2019; doi: 10.1038/s41598-019-39809-8)

Quelle: CNRS

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