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Medizin

Besonders viele Mutationen im X-Chromosom

Hohe Anzahl von Erbgutveränderungen hilft, Ursachen für Krebs aufzuklären

Jede Zelle des weiblichen Körpers enthält zwei X-Chromosomen, aber nur von einem der beiden wird genetische Information abgelesen. Das zweite bleibt inaktiv. Krebsforscher entdeckten nun, dass sich bei verschiedenen Krebserkrankungen das Erbgut im inaktiven X-Chromosom besonders stark verändert: Es enthält bis zu viermal so viele Mutationen wie die übrigen Chromosomen. Die in der Zeitschrift „Cell“ veröffentlichten Ergebnisse helfen zu verstehen, warum sich Mutationen in bereits geschädigten Zellen anhäufen, was schließlich zu Krebs führen kann.

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Mutationen führen zu Krebs

Jeder Krebs geht auf Erbgutveränderungen zurück. Selten sind sie von den Eltern ererbt, sondern entstehen als sogenannte somatische Mutationen im Laufe des Lebens in einzelnen Körperzellen.

Nicht alle Bereiche des Erbguts sind gleichermaßen von den Veränderungen betroffen. Die Anzahl der somatischen Mutationen hängt zum Beispiel davon ab, wie ein Gen zusammengesetzt ist oder wie häufig es abgelesen wird. Kommt es zu Mutationen an besonders kritischen Stellen, gerät die Zelle außer Kontrolle und wird zur Krebszelle. Je mehr Mutationen, desto höher das Risiko. Krebszellen sind außerdem besonders anfällig für weitere Mutationen.

„Letztendlich ist aber noch größtenteils unbekannt, wodurch es in einer Krebszelle zu der typischen Ansammlung von Mutationen kommt“, sagt Roland Eils, der sowohl im Deutschen Krebsforschungszentrum als auch an der Universität Heidelberg bioinformatische Forschungsabteilungen leitet. Eils koordinierte nun eine internationale Studie, um erstmals bei verschiedenen Krebsarten zu analysieren, wie die somatischen Mutationen im Erbgut der Tumorzellen genau verteilt sind.

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Von dem Wissen, wann und wo Mutationen in Krebszellen entstehen, versprechen sich die Forscher Aufschlüsse über die frühen Schritte der Entartung von Zellen zu Krebs. Für ihre aktuelle Studie werteten sie das Erbgut in über 400 Tumoren von Patienten mit zwölf verschiedenen Krebserkrankungen aus, darunter Hirntumoren, Leukämien und Brustkrebs.

Viermal so viele Mutationen im x-Chromosom

Zu ihrer Überraschung stießen die Wissenschaftler bei Krebspatientinnen auf eine noch nie beobachtete Häufung von Mutationen im weiblichen Geschlechts-Chromosom, dem X-Chromosom. Hier zählten sie bei vielen Krebsarten doppelt, in manchen Fällen sogar viermal so viele Mutationen wie in den übrigen Chromosomen.

Diese hohe Mutationsrate betrifft jedoch nicht beide X-Chromosomen gleichermaßen: Alle Zellen des weiblichen Körpers sind mit jeweils zwei dieser Geschlechts-Chromosomen ausgestattet. Von der Embryonalentwicklung an wird in jeder Zelle eines der beiden inaktiviert. Die erhöhte Mutationsrate betrifft ausschließlich die inaktivierte Kopie.

Bei krebskranken Männern, deren Zellen ohnehin nur ein X-Chromosom tragen, tritt das Phänomen nicht auf, ebenso wenig bei inaktivierten X-Chromosomen gesunder weiblicher Zellen. Besonders viele Mutationen fanden sich dagegen im inaktivierten X-Chromosom sehr schnell wachsender Tumoren. Die Forscher entdeckten außerdem, dass es im Verlauf der Krebsentstehung bereits sehr früh zur Anhäufung der Mutationen im inaktivierten X-Chromosom kommt.

Spätere Kopien durch Stress besonders betroffen

Da die betroffene Kopie des X-Chromosoms inaktiv ist, haben die Mutationen dort keine direkten Auswirkungen für die Zelle. Warum diese Mutationen sich gerade dort häufen, ist jedoch aufschlussreich: Bei der DNA-Verdopplung, die jeder Zellteilung vorausgeht, kommt das inaktivierte X-Chromosom erst ganz am Schluss an die Reihe. „Unsere Theorie ist, dass Zellen, die durch Zufall bereits eine wachstumsfördernde Mutation erfahren haben, durch die beschleunigte Zellteilung in Stress geraten. Möglicherweise fehlt ihnen die Zeit, Fehler zu reparieren oder es mangelt an DNA-Bausteinen. Betroffen von diesen Problemen sind vor allem Erbgutbereiche, die spät verdoppelt werden wie das inaktivierte X-Chromosom“, sagt Natalie Jäger, die Erstautorin der Arbeit.

Studienleiter Roland Eils ergänzt: „Der Befund hilft uns zu verstehen, wie zellulärer Stress die unheilvolle Kaskade der Krebsentstehung beschleunigt und so dazu beiträgt, dass sich mehr und mehr Mutationen in einer Krebszelle ansammeln.“ Die gestresste Krebszelle dient gewissermaßen als Modell für ihre eigene Entstehung. (Cell, 2013; doi: 10.1016/j.cell.2013.09.042)

(Deutsches Krebsforschungszentrum, 18.10.2013 – AKR)

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