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Neurobiologie

Balltrick gegen stressbedingte Aussetzer

Pressen mit der linken Hand kann neuronale Leistungsblockaden verhindern

BAllpressen
Einen Tennisball nur 15 Sekunden fest mit der linken Hand zu drücken, kann bei Rechtshändern gegen stressbedingtes Versagen helfen. © Andreas Battenberg / TU München

Verblüffender Effekt: Das simple Pressen eines Tennisballs in der Hand kann gegen das Versagen bei einer Prüfung oder einem Sportwettkampf helfen, wie ein Experiment bestätigt. Demnach sorgt das kurzzeitige Faustballen für einen Entspannungseffekt, der sich am Gehirn ablesen lässt. Dieser wiederum vermeidet die stressbedingte Blockade von automatisierten Abläufen, wie die Forschenden im Fachmagazin „PLoS ONE“ berichten.

Diese Situation kennen viele: Man hat sich perfekt vorbereitet, doch im entscheidenden Moment ist der Kopf leer und man bringt kein Wort mehr heraus. „Choking under pressure“ wird dieses Phänomen des Versagens unter nervlichem Druck auch genannt. Es tritt bei Prüfungen ebenso auf wie in sportlichen Wettkämpfen: Tennischampions spielen dann den entscheidenden Ball ins Aus und Fußballer treffen das Tor nicht mehr. Allen ist gemeinsam, dass sie in einer entscheidenden Situation ihre Leistungsfähigkeit nicht abrufen können.

Stress blockiert automatisierte Abläufe

Aber warum? Studien an Leistungsportlern legen nahe, dass dies mit einer Art Selbstblockade des Gehirns zu tun haben könnte: Normalerweise werden tausendfach geübte Bewegungsabläufe von unserem Gehirn automatisiert. Als Folge müssen wir nicht mehr über die einzelnen Teilbewegungen nachdenken, sondern die Finger, Hände oder Beine führen die Bewegung quasi von selbst aus. Im Gehirn benötigen solche automatisierten Bewegungsabläufe weniger Neuronen und Verschaltungen als neu gelernte.

Doch wenn wir unter Stress stehen, funktioniert der Automatismus offenbar nicht mehr richtig. Durch die Aufregung und den Wunsch, es besonders gut zu machen, stören wir den Prozess: „Der Versuch, die Ausführung einer hochgradig automatisierten Fertigkeit bewusst zu kontrollieren, stört dann den reibungslosen Ablauf“, erklären Jürgen Beckmann von der Technischen Universität München und seine Kollegen.

Der Tennisball-Trick

Doch es gibt offenbar einen wirksamen Trick gegen das stressbedingte Versagen: Drücken Rechtshänder direkt vor der entscheidenden Situation kurze Zeit kräftig einen Tennisball in der linken Hand, soll dies die Blockaden verhindern. „Wir haben bereits in mehreren Sportarten die positive Wirkung eines dynamischen Handdrückens mit der linken Hand zeigen können“, berichtet Beckmann. Durch diesen Trick sank die Fehlerquote unter anderem bei Fußball-Elfmetern, bei Taekwondo-Tritten und beim Badminton.

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Im aktuellen Experiment haben Beckmann und sein Team den Effekt des Ballpressens beim Tennis-Aufschlag getestet. Dabei pressten eine Gruppe direkt vor dem Aufschlag einen Tennisball zehn bis 15 Sekunden lang mit der linken Hand, während eine Kontrollgruppe die rechte Hand zusammenpresste. Dann wurde in einer stressigen Prüfungssituation getestet, wie präzise die Aufschläge gelangen. Erneut zeigte sich der positive Effekt des Ballpressens – aber nur mit der linken Hand.

Entspannung für die linke Hirnhälfte

Aber warum? Erste Hinweise darauf lieferten Hirnstrommessungen von Beckmann und seinen Kollegen. Gängiger Annahme nach soll der Druck der linken Hand Schaltkreise in der rechten Hirnhälfte aktivieren und damit in dem Bereich, der auch für automatisierte Bewegungen zuständig ist. Doch die EEG-Messungen des Forschungsteam zeigten, dass das Ballpressen die Aktivierung der rechten Gehirnhälfte nicht erhöht.

Stattdessen scheint der Handdruck bestimmte Aktivitäten in der linken Hirnhälfte zu hemmen, darunter auch das angstbedingte „Durchbuchstabieren“ der nötigen Bewegungsabläufe. „Durch das linkshändige dynamische Handdrücken tritt eher ein Entspannungseffekt ein, sozusagen ein Reset-Mechanismus“, berichtet Beckmanns Kollegin Vanessa Wergin. Erkennbar sei dies an Alphawellen, die entspannte Wachheit anzeigen.

Das Forschungsteam vermutet, dass dieser Entspannungseffekt die Störeffekte beseitigt, die unter Stress das automatisierte Abrufen der Bewegungsabläufe im Gehirn blockieren. „Der Vorteil beim Tennis ist natürlich, dass die Spielerinnen und Spieler sowieso schon einen Ball in der Hand haben“, sagt Wergin.

Auch außerhalb des Sports wirksam

Aber es gibt Indizien dafür, dass der Ballpress-Trick auch außerhalb des Sports funktioniert, wie das Team erklärt. Zumindest für Rechtshänder könnte es sich daher durchaus lohnen, vor einer Prüfung oder anderen Stresssituation einen Tennisball parat zu haben – und ihn einige Sekunden lang fest mit der linken Hand zu drücken. Und wer gerade keinen Ball zur Hand hat, kann auch die Faust der linken Hand ballen und 15 Sekunden pressen.

Ob das Ganze auch bei Linkshändern funktioniert, wenn diese entsprechend die rechte Hand pressen, ist allerdings noch unklar. Untersucht hat das Forschungsteam bisher nur Rechtshänder, weil bei ihnen die Interaktionen der verschiedenen Gehirnareale eindeutiger lokalisiert sind. (PLoS ONE, 2022; doi: 10.1371/journal.pone.0255060)

Quelle: Technische Universität München

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