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Medizin

Alternativer Body-Mass-Index im Test

KI-gestützte Kombi aus Körpergewicht und Blutwerten bezieht auch Gesundheitsmarker mit ein

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Der „biologische BMI“ bezieht auch den Gesundheitszustand einer Person mit ein, nicht nur ihr Gewicht und ihre Größe. © Fred Froese/ Getty Images

BMI 2.0: Wissenschaftler haben eine Alternative zum gängigen Body-Mass-Index (BMI) entwickelt – den biologischen BMI. Dieser beruht nicht nur auf dem Körpergewicht in Relation zur Körpergröße, sondern bezieht auch zahlreiche Biomarker im Blut mit ein. Den Analysen zufolge spiegelt dies den tatsächlichen Zustand einer Person besser wider als der gängige BMI und umgeht bisherige Fehleinstufungen. Zudem macht er auch positive Effekte von Diäten und Lebensstiländerungen besser sichtbar, so das Team in „Nature Medicine“.

Seit Jahrzehnten gilt der Body Mass Index (BMI) als gängiges Instrument, um Personen als untergewichtig, normalgewichtig, übergewichtig oder fettleibig zu klassifizieren. Er lässt sich berechnen, indem man sein Gewicht in Kilogramm durch die Körpergröße in Metern zum Quadrat teilt. Menschen mit einem BMI zwischen 18,5 und 25 gelten als normalgewichtig, solche mit niedrigeren Werten als unter- und jene mit höheren Werten als übergewichtig. Die Schwelle für Adipositas liegt bei einem BMI von 30. Ein hoher BMI gilt außerdem als Risikofaktor für eine Reihe chronischer Krankheiten, darunter Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs.

BMI Grafik
Die herkömmliche BMI-Formel ordnet viele Menschen falsch zu. © CollageM/ Getty images

Eine neue Formel für den BMI

Doch die BMI-Berechnung mit der bisherigen Formel ist problematisch, denn sie ordnet fast ein Drittel aller Menschen in eine falsche Gewichtsklasse ein. Das ist zum Beispiel bei Sportlern mit hohem Muskelanteil der Fall. Die Muskelmasse macht sie überdurchschnittlich schwer, was sie auf dem Papier übergewichtig erscheinen lässt. Auch bei tatsächlich übergewichtigen oder fettleibigen Menschen greift der gängige BMI oft zu kurz. Denn Studien zeigen, dass es verschiedene Formen von Adipositas und Übergewicht gibt, die sich in entscheidenden Merkmalen und Risikofaktoren unterscheiden.

Um diesen Unterschieden Rechnung zu tragen, haben Forschende um Kengo Watanabe vom Institute for Systems Biology in Seattle nun einen neuen, biologischen Body-Mass-Index entwickelt. Dafür führten sie bei rund 1.000 Personen verschiedener Gewichtsklassen umfangreiche Bluttests durch, die mehr als 1.100 Blutkomponenten, darunter Proteine und Stoffwechselprodukte, sowie genetische Risikowerte erfassten.

In einem weiteren Schritt entwickelten die Wissenschaftler lernfähige Algorithmen, die in den Analyseergebnissen die aussagekräftigsten Werte identifizierten und auf ihrer Basis einen „BMI 2.0“, den sogenannten biologischen BMI, ermittelten.

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Biologischer BMI sorgt für Verschiebungen

Das Ergebnis: Der biologische Body-Mass-Index via Bluttest und Künstlicher Intelligenz ordnete rund 30 Prozent der Testpersonen in eine andere BMI-Klasse ein als die herkömmliche Berechnung. So gab es zum Beispiel Personen, die zwar traditionell als normalgewichtig gelten würden, aber trotzdem bei einem biologischen BMI von über 25 landeten. Der Grund: Ihr Gesundheitszustand war schlechter als es ihr Gewicht äußerlich vermuten lässt.

Umgekehrt landeten auch Menschen, die nach dem traditionellen BMI als fettleibig eingestuft würden, beim biologischen BMI in der Klasse der Normalgewichtigen. Sie waren gesünder als es das bloße Gewicht vermuten ließ. Dem Forschungsteam zufolge eignet sich der biologische BMI demnach besser, um ein gesamtheitliches Bild von dem Gesundheitszustand einer Person zu bekommen.

Besserer Anzeiger für Veränderungen

„Wir haben jetzt die Möglichkeit, fortschrittliche molekulare Messungen als umfassendere Darstellung der Stoffwechselgesundheit einer Person zu verwenden, die dazu genutzt werden kann, genauere klinische Empfehlungen für Einzelpersonen zu geben“, sagt Watanabes Kollegin Noa Rappaport. Demnach ließen sich auf Grundlage des biologischen BMI Fettleibigkeit, Stoffwechselkrankheiten und chronische Erkrankungen deutlich individueller und zielgerichteter behandeln.

Auch für übergewichtige Menschen, die gerade abnehmen, bietet der biologische BMI Vorteile, so die Forschenden. Veränderten die Testpersonen der Studie ihren Lebensstil zum Positiven, also sie bewegten sich mehr oder aßen gesünder, dann reagierte der biologische BMI besser und sank früher als der herkömmliche. Anders als der bloße Blick auf die Waage spiegelt der BMI 2.0 demnach die gesundheitlichen Veränderungen deutlicher wider. Die Analysen zeigten auch, welche Blutwerte schneller auf positive Lebensstilveränderungen reagieren und welche erst mit größerer Verzögerung.

Mehr Motivation beim Abnehmen

Wichtig ist dieses Feedback auch für Menschen, die trotz Diät und Bewegung zunächst nicht oder nur sehr langsam abnehmen. „Die Überwachung der Blutzusammensetzung während eines Gewichtsreduktionsprogramms könnte den Teilnehmern helfen, ihre Motivation aufrechtzuerhalten, da sie ein schnelles Feedback darüber erhalten würden, wie sich die Änderungen des Lebensstils auf ihre Gesundheit auswirken, selbst wenn sie kein Gewicht verlieren“, schreibt das Forschungsteam.

Denn eine solche verzögerte Gewichtsabnahme ist laut den Wissenschaftlern gar nicht so unüblich. Im Rahmen ihrer Studie konnten sie beobachten, dass fettleibige, aber „innerlich“ gesunde Menschen oft nur langsam Gewicht verloren. (Nature Medicine, 2023; doi: 10.1038/s41591-023-02248-0

Quelle: Institute for Systems Biology, Nature Medicine

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