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Genetik

Alkoholismus: Es liegt in den Genen

Forscher identifizieren elf Gene, die Betroffenen von Nicht-Anfälligen unterscheiden

Alkoholismus - komplexes Muster aus Veranlagung und Umwelteinflüssen © freeimages

Die Gene verraten es: Ein Forscherteam hat erstmals elf Gene dingfest gemacht, die das Risiko für Alkoholismus deutlich erhöhen. Allein anhand ihrer Präsenz konnten sie Alkoholiker von Kontrollpersonen unterscheiden. Bei einem dieser Gene war der Zusammenhang so groß, dass es sich sogar für einen Bluttest eignen könnte, wie die Forscher im Fachmagazin “ Translational Psychiatry“ berichten.

Genetische Veranlagungen sind ein komplexes Feld, denn nur in seltenen Fällen gibt es das eine Gen, das einen Menschen mit hundertprozentiger Sicherheit krank macht. Stattdessen tragen Betroffene häufig bestimmte Genkombinationen, die die das Risiko für eine Krankheit erhöhen können, aber nicht müssen. Oft macht sich die Veranlagung erst bemerkbar, wenn auslösende Faktoren der Umwelt hinzukommen.

So auch beim Alkoholismus: „Es gibt hier Belege für eine Rolle sowohl der Umwelt als auch der Gene“, erklären Alexander Niculescu von der Indiana University in Indianapolis und seine Kollegen. Allerdings wurden bisher fast so viele potenziell auslösende Genvarianten beschrieben, wie es Studien dazu gibt. Niculescu und seine Kollegen haben nun dieses Feld erheblich ausgedünnt.

Feld eingeengt auf elf Gene

Für ihre Studie gingen die Forscher von 135 Genen aus, die in vorhergehenden Studien an Tieren oder Menschen als potenziell den Alkoholismus fördernd identifiziert worden waren. Für diese Genvarianten prüften sie in mehreren Schritten, wie häufig, wie eng und wie gesichert der Zusammenhang mit Alkoholismus belegt worden war.

Gleichzeitig analysierten die Forscher das Erbgut von 411 Alkoholikern und 1.307 Kontrollpersonen daraufhin, ob es diese Genvarianten enthielt. Aus diesen Daten entwickelten sie anschließend eine Rangliste der genetischen Risikovorhersage – je höher ein Gen darauf gelistet ist, desto mehr trägt es dazu bei, die Anfälligkeit für die Alkoholsucht zu erhöhen. Diese Rangliste überprüften die Forscher dann erneut sowohl in Tierversuchen als auch in Studien mit menschlichen Probanden.

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DNA © MMCD

Betroffene allein anhand der Gene identifiziert

Das Ergebnis war eine Liste von nur noch elf Top-Kandidaten – den Genen, die bei den meisten Alkoholikern verändert sind. Eines dieser Gene erwies sich dabei als fast schon sicheres Indiz für eine Alkoholabhängigkeit: das sogenannte Synuclein Alpha (SNCA). „Schon allein anhand dieses Gens konnten wir die Alkoholiker von den Kontrollpersonen unterscheiden“, berichten die Forscher. Dieses funktionierte in drei jeweils mehrere hundert Personen umfassenden und voneinander unabhängigen Tests.

Das vom SNCA-Gen kodierte Protein spielt eine wichtige Rolle für die Plastizität des Gehirns und für bestimmte Hirnbotenstoffe. Ist von diesen u wenig vorhanden, sinkt die neurobiologische Aktivität ab. Und dies steigert bei Betroffenen die Lust nach Alkohol, weil dieser diesen Mangel zumindest vorübergehend ausgleichen kann, wie die Forscher erklären. Auch die restlichen zehn Gene in der Risikoliste spielen primär für den Hirnstoffwechsel eine Rolle.

Bluttest auf Alkoholismus-Neigung?

„Ein offensichtlicher nächster Schritt wäre es nun, dieses Wissen zu nutzen, um Menschen auf ihr genetisches Risiko hin testen zu können“, konstatieren Niculescu und seine Kollegen. Tatsächlich wäre dies zumindest für das SNCA-Gen relativ einfach möglich, wie sie erklären. Denn das von diesem Gen kodierte Protein ist bei Betroffenen zwar im Gehirn Mangelware, nicht aber im Blut – hier ist es im Überschuss vorhanden. Es könnte daher über einen Bluttest nachgewiesen werden.

Die Wissenschaftler warnen jedoch vor einer Stigmatisierung der Betroffenen durch solche Tests: Selbst wenn jemand durch diese Gene anfälliger für Alkoholismus ist, bedeutet dies noch nicht, dass er dem auch nachgibt. Vermeide diese Person Alkohol, könnte sie ebenso belastbar und produktiv sein wie jeder andere, so die Forscher. Das Wissen um die Gefährdung könnte aber helfen, Versuchungen von vornherein aus dem Weg zu gehen – und diesen Menschen daher helfen, eine Abhängigkeit zu vermeiden. (Translational Psychiatry, 2014; doi: 10.1038/TP.2014.19)

(Nature Group, 21.05.2014 – NPO)

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