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Medizin

Akupunktur gegen Stress?

Gezielte Nadelung verhindert Ausschüttung von Stressbotenstoffen - zumindest bei Ratten

Akupunktur © IMSI MasterClips

Die Wirkung der Akupunktur ist umstritten und ihre Wirkmechanismen weitgehend unbekannt. In einem Versuch mit Ratten haben US-Forscher jetzt Hinweise dafür gefunden, dass die Nadelung tatsächlich messbare physiologische Veränderungen im Körper auslöst. Reizten sie bei den Tieren einen bestimmten Akupunkturpunkt, setzte deren Körper selbst bei wiederholtem Stress kaum Stressbotenstoffe frei. Die gleiche Behandlung mit einem willkürlich gewählten Scheinpunkt habe dagegen keinerlei positive Wirkung gehabt, berichten die Forscher im Fachmagazin „Journal of Endocrinology“.

In China ist die Akupunktur schon seit mehr als 2.000 Jahren Teil der traditionellen Heilkunst. Nach dieser Lehre verlaufen im Körper mehrere sogenannte Meridiane, auf denen zahlreiche Punkte liegen, deren Reizung den Energiefluss im Körper beeinflussen soll. Da es für diese Meridiane in der Schulmedizin keine Entsprechung gibt, ist stark umstritten, ob und wie die Akupunktur überhaupt wirkt. Zwar deuten einige klinische Studien darauf hin, dass die Nadelung bestimmter Punkte beispielsweise gegen chronische Schmerzen helfen kann. Andere zeigten dagegen, dass eine Reizung von Schein-Akupunkturpunkten genauso viel oder wenig Effekt hat wie die der echten, auf den traditionellen Meridianen liegenden. Auch die Frage, wie die in die Haut gestochenen Nadeln physiologisch wirken, bleibt weitestgehend offen.

Als eher weniger etabliert gilt die Nutzung der Akupunktur gegen Stress. „Viele Anwender haben beobachtet, dass Akupunktur bei ihren Patienten hilft, Stress abzubauen, aber bisher fehlen biologische Belege dafür, warum das funktioniert“, erklärt Ladan Eshkevari von der Georgetown University in Washington DC. Um diese Frage zu klären, führten sie und ihre Kollegen ein Experiment an Ratten durch. Laut chinesischer Medizin sollen auch sie ähnliche Meridiane und Akupunkturpunkte wie wir Menschen besitzen.

Akupunktierte Ratten im Eisbad

Für die Studie erhielt eine Rattengruppe zwei Wochen lang täglich 20 Minuten lang eine Elektroakupunktur eines bestimmten Punktes, des sogenannten Zusanli. Er liegt knapp unterhalb des Knies am Unterschenkel und soll auf dem Magenmeridian liegen. „Wir haben diesen Punkt gewählt, weil er nach der chinesischen Medizin sehr potent ist und in vielen Therapien beim Menschen genutzt wird, auch gegen Stress“, sagen die Forscher.

Eine zweite Rattengruppe erhielt die gleiche Akupunkturbehandlung, aber an einem Scheinpunkt nahe der Schwanzwurzel der Tiere. Zwei weitere Rattengruppen wurden nicht mit Akupunktur behandelt. Ab dem vierten Tag des Experiments setzten die Forscher die beiden Akupunkturgruppen und eine der beiden nicht behandelten Rattengruppen wiederholtem Stress aus: Die Tiere mussten täglich eine Stunde lang in einem ein Zentimeter hohen Eisbad ausharren. Vor, während und nach dieser zehntägigen Stressphase entnahmen die Wissenschaftler allen Ratten Blutproben und ermittelten den Gehalt zweier Stresshormone und eines weiteren Signalstoffs, der typischerweise bei Stress ausgeschüttet wird.

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Hormone trotz Stress auf Normalwert

Das Ergebnis: Die Ratten, die ohne Akupunktur oder nur nach Reizung des Scheinpunktes dem Kältestress ausgesetzt waren, zeigten typische Anzeichen für physiologischen Stress: Die Werte der beiden Stresshormone und des Neuropeptids im Blut stiegen rapide an und blieben im Studienverlauf erhöht, wie die Forscher berichten. Anders dagegen die Ratten, die jeweils vor dem Eisbad eine Behandlung am Zusanli-Punkt erhalten hatten: „Bei ihnen blieben die Hormon- und Neuropeptidwerte genauso niedrig wie bei der Kontrollgruppe, die keinem Kältestress ausgesetzt war“, sagt Eshkevari. Das belege erstmals, dass Elektroakupunktur tatsächlich die physiologischen Folgen von chronischem Stress lindern kann – und dass eine Scheinakupunktur diesen Effekt nicht habe.

Nach Ansicht der Forscher sind ihre Ergebnisse zumindest ein Indiz dafür, dass Akupunktur auch beim Menschen gegen chronischen Stress wirken könnte. Allerdings müsse man erst noch in klinischen Studien testen, ob der bei Ratten beobachtete Effekt auch beim Menschen auftrete. „Aber wir beginnen nun zumindest zu verstehen, was bei der Akupunktur auf molekularer Ebene passiert“, sagt Eshkevari. (Journal of Endocrinology, 2013; doi: 10.1530/JOE-12-0404)

(Georgetown University / Journal of Endocrinology, 15.03.2013 – NPO)

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