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Medizin

Affenpocken: Wie groß ist die Gefahr?

Häufung von Fällen weltweit weckt Fragen auch bei Epidemiologen

Affenpockenvirus
Das mit dem echten Pockenvirus verwandte Affenpocken-Virus sorgt momentan für Ausbrüche weltweit. © CDC/ Cynthia S. Goldsmith

Eine ungewöhnliche Häufung von Affenpocken-Fällen gibt Medizinern Rätsel auf. Allein der letzten Woche wurden in Europa und Nordamerika 120 Infektionen mit diesem harmloseren Verwandten des Pockenvirus gemeldet – darunter auch einige in Deutschland. Die aktuellen Ausbrüche umfassen damit mehr Fälle außerhalb Afrikas als zuvor im gesamten Zeitraum seit 1970. Die Ursache dieser Häufung ist bislang unklar, denn eigentlich ist dieses Virus nur schwer übertragbar.

Die echten Pocken sind dank einer weltweiten Impfkampagne seit 1980 ausgerottet. Letzte Proben des Erregers Orthopoxvirus variolae existieren nur noch in Hochsicherheitslaboren in Russland und den USA. Anders ist dies jedoch mit Verwandten dieses Pockenvirus, die bis heute im Tierreich vorkommen – unter anderem bei Kühen, Pferden, Nagetieren und seit neuestem auch Europäischen Eichhörnchen.

Affenpocken
Typisch für die Affenpocken sind blasige Hautpusteln. © CDC

Fieber, Grippesymptome und Pusteln

Zu diesen Tierpocken-Erregern gehört auch das Affenpocken-Virus (MPV)., das zurzeit weltweit für Aufsehen sorgt. Dieses Virus wurde 1958 erstmals bei infizierten Laboraffen entdeckt und beschrieben, hat aber als Hauptwirte eigentlich Nagetiere. In West- und Zentralafrika ist das Affenpockenvirus schon lange verbreitet und heimisch. 1970 wurde dort der erste Affenpocken-Fall beim Menschen bekannt – ein Kleinkind hatte sich infiziert.

Typische Symptome sind anfangs grippeähnliche Beschwerden wie Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen. Einige Tage später entwickeln sich blasige Hautpusteln, die nach einer Weile verschorfen und deren Kruste dann abfällt. Bei der milderen westafrikanischen Variante klingen die restlichen Symptome meist nach einigen Wochen von selbst wieder ab. Die zentralafrikanische Variante kann jedoch vor allem bei Kindern zu schweren Verläufen führen und ist bei rund elf Prozent tödlich.

Früher nur selten Fälle außerhalb Afrikas

Normalerweise kommt es in Afrika immer wieder zu kleineren Ausbrüchen der Affenpocken, die aber lokal begrenzt bleiben und meist schnell wieder enden. Denn anders als die Influenza oder SARS-CoV-2 ist das Affenpockenvirus nicht durch Aerosole oder Tröpfcheninfektion übertragbar. Eine Ansteckung von Mensch zu Mensch erfolgt daher seltener und nur durch direkten Kontakt mit Hautpusteln, Schorf oder Körperflüssigkeiten möglich.

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Entsprechend selten waren bisher Affenpocken-Fälle außerhalb von Afrika. Meist handelte es sich um einzelne Reisende, die sich in Afrika infiziert hatten und dann in ihre Heimatländer zurückkehrten. 2003 kam es zudem in den USA zu einem kleineren Ausbruch durch einen Import infizierter Nagetiere, bei dem sich vor allem Tierhändler und Tierkäufer ansteckten.

Rätselhafte Ausbrüche in Europa und Amerika

Umso ungewöhnlicher ist die aktuelle Häufung von Affenpocken-Fällen vor allem in Europa und Nordamerika: Allein der letzten Woche wurden 120 Fälle von Affenpocken in elf Ländern außerhalb Afrikas gemeldet. Das sind mehr außerafrikanische Fälle als zuvor in der gesamten Zeit seit 1970 bekannt waren. Auch in Deutschland gibt es bereits vier bestätigte Affenpocken-Infektionen und mehrere weitere Verdachtsfälle.

Außergewöhnlich auch: Anders als früher waren die infizierten vorher nicht in Afrika oder hatten Kontakt mit potenziell infizierten Tieren. „Dies ist das erste Mal, dass in Europa Infektionsketten ohne bekannte Verbindung nach West- oder Zentralafrika beobachtet werden, berichtet die europäische Seuchenbehörde ECDC. Stattdessen scheint es mehrere kleine Ausbruchsherde zu geben, in denen offenbar eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung vor Ort stattgefunden hat.

„Es ist sehr ungewöhnlich, in Europa eine solche Community-Übertragung zu sehen“, kommentiert die Epidemiologin Charlotte Hammer von der University of Cambridge.

Fallzahlen nehmen weiter zu

Sorgen bereitet auch die weiter zunehmende Zahl der Affenpocken-Fälle, bei der bisher kein Ende absehbar ist. „Aufgrund der vielfältigen Kontakte der derzeit Infizierten ist in Europa und auch in Deutschland mit weiteren Erkrankungen zu rechnen“, hieß es in einem Bericht des Bundesgesundheitsministeriums. Bisher sind sowohl die Infektionsketten als auch die Übertragungswege erst in Teilen geklärt, wie Experte berichten.

„Die Affenpocken-Ausbrüche eskalieren weiter und das ist unzweifelhaft besorgniserregend“, sagt Michael Head von der University of Southampton. Immerhin zeigen erste Genomanalysen, dass die Erkrankungen vom westafrikanischen Affenpockenvirus verursacht werden. Dieses löst deutlich mildere Infektionen aus als sie zentralafrikanische Variante. Weil aber bisher nur einzelne Proben untersucht wurden, ist noch ungeklärt, ob und wie die einzelnen Ausbruchsherde miteinander verknüpft sind.

Könnte eine Mutation dahinterstecken?

Unklar ist auch, ob die vermehrten Ausbrüche auf eine Veränderung des Affenpockenvirus zurückgehen. Denn theoretisch wäre denkbar, dass eine Mutation die Mensch-zu-Mensch-Übertragung des Erregers erleichtert. Das könnte erklären, warum auch außerhalb Afrikas zurzeit immer neue Ausbruchsherde entstehen.

Allerdings: Anders als das sehr anpassungsfähige und mutationsfreudige Coronavirus sind Pockenviren große DNA-Viren, die nur langsam mutieren. Es sei daher eher unwahrscheinlich, dass das Affenpockenvirus plötzlich mutiert sei, kommentiert die Epidemiologin Raina MacIntyre von University of New South Wales in „nature news“. Mehr Aufschluss erhoffen sich die Forschenden, wenn mehr Proben sequenziert wurden und auch die Infektionsketten aufgeklärt sind.

„Nicht mit Covid-19 vergleichbar“

Immerhin deutet alles darauf hin, dass die Affenpocken auch weiterhin nur durch direkten Körperkontakt oder Kontakt mit dem abgefallenen Pockenschorf übertragbar scheinen. „Es ist daher wichtig zu unterstreichen, dass selbst ein großer Affenpockenausbruch etwas ganz anderes ist als die Covid-19-Pandemie“, beton Head. Vorsicht ist in erster Linie beim direkten Kontakt mit erkrankten Patienten und deren Hautpusteln geboten. Auch beim Sex kann das Virus übertragen werden.

Sollten die Ausbrüche weiter zunehmen, besteht zudem die Möglichkeit, dagegen zu impfen. Denn die Impfstoffe gegen die echten Pocken wirken auch gegen das Affenpockenvirus. Sowohl in Europa wie den USA gibt es Bestände solcher Pocken-Vakzinen, die bei Bedarf zu einer Ringimpfung eingesetzt werden können. Dabei werden nur Personen im Umfeld erkrankter Patienten geimpft, um eine weitere Ausbreitung des Virus zu unterbinden. Anders als bei dem leicht übertagbaren Coronavirus SARS-CoV-2 ist diese Strategie bei Ausbrüchen weniger ansteckenden Erregern meist ausreichend.

Quelle: Robert-Koch-Institut (RKI), nature, European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC), Science Media Centre

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