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Astronomie

Zwergenpaar ist dreifach außergewöhnlich

Himmelskörper sind masseärmer, jünger und weiter auseinander als bekannte Doppelsysteme

Brauner Zwerg
Brauner Zwerg oder Gasplanet? Bei einem der beiden Partner von Oph 98 ist das unklar. © NASA/ESA/JPL

Mysteriöse Zwerge: Astronomen haben ein in dreifacher Hinsicht außergewöhnliches Himmelskörper-Paar entdeckt. Es besteht aus zwei sehr massearmen Objekten an der Grenze zwischen Braunem Zwerg und Planet, es ist jünger als alle bekannten Doppelsysteme dieser Art und beide Partner liegen extrem weit voneinander entfernt. Sie bilden damit das am schwächsten gebundene Doppelsystem, das je beobachtet wurde, wie die Forscher berichten.

Braune Zwerge sind kosmische Zwitter, denn diese „gescheiterten Sterne“ liegen im Grenzbereich zwischen Stern und Planet. Einige von ihnen sind so kühl und klein, dass sie Gasriesen wie dem Jupiter ähneln. Ab einer Masse von rund 13 Jupitermassen laufen in ihrem Inneren schwache Fusionsreaktionen ab, die sie aufheizen – auch wenn es nicht zur vollwertigen Wasserstofffusion eines Sterns reicht.

Ungeklärt ist auch, wie die kleineren Braunen Zwerge entstehen. Während Sterne und wahrscheinlich auch viele der „gescheiterten Sterne“ durch Kollaps einer Gaswolke gebildet werden, könnten einige der planetenähnlichen Zwerge auch wie Planeten durch Ansammlung von Gas und Staub in einer Akkretionsscheibe entstanden sein.

Grenzgänger im Doppelpack

Neue Fragen wirft nun ein Himmelskörper-Paar auf, das Astronomen um Clémence Fontanive von der Universität Bern im Sternbild Ophiuchus entdeckt haben. Das Doppelsystem Oph 98 liegt rund 450 Lichtjahre von uns entfernt und besteht aus einem Objekt mit zehn bis 18 Jupitermassen und einem kleineren Begleiter mit vier bis elf Jupitermassen.

Damit liegen beide Zwerge in der Übergangszone zum Planeten: „Der größere Partner könnte auf jeder Seite der Grenze zwischen Braunem Zwerg und Planet liegen, der kleinere dagegen ist sicher im Bereich der Planeten“, berichten die Forscher. Es könnte sich bei Oph 98 daher um ein Doppelsystem aus zwei sternlosen Gasriesen handeln oder um einen Braunen Zwerg mit planetarem Begleiter.

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„Oph 98 ist eines der masseärmsten Doppelsysteme, die wir zurzeit kennen“, sagen Fontanive und ihr Team. „Wir kennen bisher nur eine Handvoll Systeme, die aus zwei Partnern mit potenziell planetaren Massen bestehen.“

Schwächste Bindung aller bekannten Paare

Ungewöhnlich auch: Die beiden Himmelskörper sind sehr weit voneinander entfernt. Zwischen ihnen liegen 200 astronomische Einheiten, das entspricht der 200-fachen Entfernung Sonne-Erde oder dem fünffachen Weg von der Sonne zum Pluto. Weil aber beide Zwerge relativ massearm sind, ist ihre gegenseitige Anziehungskraft nicht sehr stark. Bei dieser großen Entfernung sind sie daher nur schwach aneinander gebunden.

„Das Oph-98-System hat damit die schwächste gravitative Bindungsenergie aller bisher bekannten Doppelsysteme“, berichten die Astronomen. Die Anziehungskraft zwischen den beiden Himmelskörpern liegt mindestens um den Faktor zwei unter der anderer massearmer Paare mit weiten Abständen.

Zu jung für eine Akkretion

Und noch eine Eigenschaft macht dieses Zwergenpaar so besonders: Das Doppelsystem ist erst wenige Millionen Jahre alt – vermutlich entstand es erst vor drei Millionen Jahren. „Das macht Oph 98 zum jüngsten bisher bekannten System aus zwei Partner an der Planetengrenze“, so Fontanive und ihr Team. „Es ist der bislang erste Fall eines solchen Doppelsystems, das so kurz nach seiner Geburt beobachtet wurde.“

Das aber weckt die Frage; wie dieses Zwergenpaar entstanden ist. Nach Meinung der Astronomen ist es angesichts des geringen Alters dieses System eher unwahrscheinlich, dass einer oder beide Partner durch langsame Akkretion in einer Gasscheibe gebildet wurden – dazu war zu wenig Zeit. Als ebenfalls eher unwahrscheinlich bewerten sie ein Szenario, in dem der kleinere Zwerg wie ein Gasplanet in der Geburtsscheibe seines größeren Partners entstanden ist. Denn dafür gab es zu wenig Rohmaterial.

Demnach müssen beide Zwerge trotz ihrer geringen Masse wie Sterne gebildet worden sein. „Das zeigt, dass die Prozesse, die Doppelsterne erzeugen, auch bei verkleinerten Versionen bis hinunter zu diesen Planetenmassen funktionieren“, sagt Fontanive. „Mit der Entdeckung dieser planetenähnlichen Welten sind wir Zeugen eines unglaublich seltenen Ausgangs von Sternentstehungsprozessen.“ (Astrophysical Journal Letters, 2020; doi: 10.3847/2041-8213/abcaf8)

Quelle: Universität Bern

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