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Astronomie

„Zuckerwatte“-Planet verblüfft Astronomen

Gasplanet mit geringer Dichte und zu kleinem Kern widerspricht gängigen Modellen

WASP-107b
Der Gasplanet WASP-107b hat eine so geringe Dichte und große Gashülle, das das Licht seines Sterns hindurchscheint. © NASA/ESA, Hubble, M. Kornmesser

Unerklärlich leicht: Der rund 212 Lichtjahre entfernte Gasriese WASP-107b hat eine verblüffend geringe Dichte. Er ist zwar so groß wie der Jupiter, aber zehnmal leichter, wie aktuelle Messungen bestätigen. Daher muss der Kern dieses Exoplaneten weit kleiner und masseärmer sein, als man es bei einem Gasriesen für möglich hielt. Das weckt die Frage, wie dieser extrasolare Gasplanet überhaupt entstehen konnte.

Ob Jupiter und Saturn oder extrasolare Gasplaneten: Gängiger Theorie nach entstehen solche Gasriesen, wenn sie in der Frühzeit ihrer Planetensysteme einen mindestens zehn Erdmassen schweren festen Kern gebildet haben. Dessen Schwerkraft ist dann so groß, dass er selbst bei starkem Sternenwind eine dicke Gashülle festhalten kann.

Heißer Jupiter mit Eigenheiten

Doch es gibt einen Exoplaneten, der dieser Theorie widerspricht, wie nun aktuelle Beobachtungen von Astronomen um Caroline Piaulet von der Universität Montreal bestätigen. Der 2017 entdeckte Planet WASP-107b liegt rund 212 Lichtjahre von uns entfernt und umkreist seinen Stern sehr nah innerhalb von nur 5,7 Tagen. Erste Beobachtungsdaten sprachen bereits dafür, dass es sich bei WASP-107b wahrscheinlich um einen Gasriesen etwa von der Größe des Jupiter handelt.

Jetzt haben Piaulet und ihr Team auch die Masse dieses Exoplaneten näher bestimmt. Dafür nutzten sie die Radialgeschwindigkeit – winzige Taumelbewegungen des Sterns WASP-107, die durch den Schwerkrafteinfluss seines Planeten verursacht werden. Aus ihnen lässt sich ermitteln, wie schwer der Planet ist und ob es möglicherweise noch andere Schwerkrafteinflüsse auf den Stern gibt.

„Ein absoluter Außenseiter“

Das überraschende Ergebnis: Der Gasplanet WASP107b bringt nur rund 30 Erdmassen auf die Waage – noch weniger als zuvor angenommen. Obwohl er so groß ist wie der Jupiter, hat er nur ein Zehntel von dessen Masse und wiegt etwa so viel wie der Neptun. „Diese geringe Masse kombiniert mit dem Jupiterradius macht WASP-107b zu einem absoluten Außenseiter im planetaren Massen-Radius-Diagramm“, konstatieren die Astronomen.

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Aus diesen Merkmalen folgt, dass der extrasolare Gasriese eine ungewöhnlich geringe Dichte besitzt. Sein fester Kern kann den Modellrechnungen der Astronomen zufolge höchstens vier Erdmassen schwer sein. Rund 85 Prozent der Masse dieses Planeten macht demnach die Gashülle aus. „WASP-107b ist damit einer der fluffigsten Planeten im Massenbereich des Neptun, den wir bisher kennen“, sagen Piaulet und ihr Team.

Entstehung gibt Rätsel auf

Das Merkwürdige daran: „Wie konnte sich ein Planet mit dieser geringen Dichte überhaupt bilden? Und wie hinderte er seine enorme Gashülle am Entweichen, vor allem angesichts der geringen Entfernung zu seinem Stern?“, fragt Piaulet. Gängigen Modellen nach hatte der Kern von WASP107b eigentlich nicht genügend Schwerkraft, um das ganze Gas festhalten zu können. Doch die Existenz dieses Gasriesen verrät, dass es doch möglich sein muss.

Um dem Entstehungsrätsel von WASP-107b auf die Spur zu kommen, haben die Astronomen mehrere Szenarien der Planetenbildung im Modell durchgespielt. Auf dieser Basis kommen sie zu dem Schluss, dass der Gasriese nicht in seiner jetzigen Umlaufbahn entstanden sein kann. Er muss stattdessen mehr als eine astronomische Einheit vom Stern entfernt zum Gasriesen herangewachsen sein. „Nur dort ist das Gas kalt genug, um eine schnelle Akkretion zu erlauben“, erklärt Piaulet.

Außerdem muss der Gasriese schon sehr früh mit dem Anreichern seines Gases begonnen haben. „Er konnte so fast das volle Ausmaß der galoppierenden Gasakkretion durchleben, bevor sein Gasnachschub abgeschnitten wurde“, schreiben die Forscher. Dann jedoch muss der junge Planet aus seiner ursprünglichen Bahn geraten und weiter nach innen gedriftet sein – ähnlich wie der junge Jupiter in unserem Sonnensystem. Bei WASP-107b stoppte dies das weitere Wachstum und brachte ihn in seine heutige Position.

Neuentdeckter Außenplanet als Katalysator?

Einen möglichen Anstoß für die Wanderung von WASP-107b könnten Piaulet und ihr Team gefunden haben: Das subtile Taumeln des Zentralsterns verrät, dass es weiter außen noch einen zweiten Planeten geben muss. Dieser hat wahrscheinlich rund ein Drittel der Jupitermasse und ist damit schwerer als WASP-107b. Für einen Umlauf um seinen Stern benötigt der neuentdeckte Außenplanet WASP-107c rund drei Jahre und sein Orbit ist dabei deutlich exzentrisch.

„In mancher Hinsicht legt WASP-107c damit Zeugnis von dem ab, was früher in diesem System passiert ist“, sagt Piaulet. „Denn seine große Exzentrizität deutet auf eine chaotische Vergangenheit hin, in der Wechselwirkungen zwischen den Planeten zu Positionsveränderungen führten – wie wir es für WASP-107b vermuten.“

Offene Fragen bleiben

Noch allerdings sind das Entstehungsrätsel von WASP-107b und die Geschichte seines Systems alles andere als komplett geklärt. Denn neben seiner ungewöhnlich geringen Dichte besitzt dieser Gasplanet auch ungewöhnlich wenig Methan in seiner Gashülle, wie Beobachtungen mit dem Hubble-Weltraumteleskop nahelegen. „Das ist merkwürdig, weil Methan bei dieser Art von Planeten reichlich vorhanden sein müsste“, sagt Piaulet.

Die Astronomen hoffen, durch weitere Beobachtungen des ungewöhnlichen Planeten mehr über WASP-107b und seine Geschichte herauszufinden. Auch das im Herbst 2021 startende James-Webb-Weltraumteleskop der NASA könnte dazu beitragen, indem es genauere Daten zur Atmosphäre dieses Gasplaneten liefert. (Astronomical Journal, 2021; doi: 10.3847/1538-3881/abcd3c)

Quelle: Université de Montréal

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