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Astronomie

Zerreißprobe im Herzen der Milchstraße

Gaswolke nähert sich Schwarzem Loch auf nur 40 Milliarden Kilometer

Mahlzeit für ein Schwarzes Loch © ESO

Fütterungszeit für ein Schwarzes Loch: Eine Gaswolke mit der dreifachen Masse der Erde rast direkt auf das Schwarze Loch im Zentrum unserer Heimatgalaxie zu. In diesen Tagen kommt sie ihm dabei so nah wie nie zuvor. Astronomen erwarten eine Fülle von Informationen aus dem kosmischen Schauspiel: Die Wolke wird zerrissen und sendet dabei helle Röntgenstrahlen aus.

Mahlzeit für ein Schwarzes Loch© ESO

Im Zentrum der Milchstraße sitzt ein kosmischer Vielfraß: Das supermassive Schwarze Loch Sagittarius A* hat eine Masse von vier Millionen Sonnen und verschlingt alles, was ihm zu nahe kommt. Umkreist wird es von einigen superheißen Sternen, dem Sagittarius A Sternenhaufen. Die Gaswolke G2 erscheint in dieser Gesellschaft wie ein verlorener Sonderling: Lediglich etwa 280 Grad Celsius heiß ist die Wolke aus Wasserstoff und Helium. Allerdings wird sich das in den kommenden Tagen ändern.

Haarscharf am Schwarzen Loch vorbei

Dann nämlich erreicht G2 die dichteste Annäherung an Sagittarius A*. Die Wolke mit etwa der dreifachen Masse der Erde wird sich dem Schwarzen Loch auf nur etwa 25 Milliarden Kilometer annähern. Nach astronomischen Maßstäben ist diese Entfernung geradezu winzig: Sie entspricht etwa 23 Lichtstunden, weniger als 170 Mal die Strecke von der Erde zur Sonne. Das reicht allerdings noch nicht ganz, um innerhalb des Ereignishorizonts von Sagittarius A* zu gelangen. Die Wolke wird also nicht vollständig verschlungen, sondern haarscharf an dem Schwarzen Loch vorbei rasen.

Die gewaltigen Anziehungskräfte von Sagittarius A* werden die Gaswolke dabei jedoch zerreißen, und ein Teil des Gases wird das Schwarze Loch füttern. Erste Anzeichen davon waren bereits vor zwei Jahren erkennbar, als Wissenschaftler um Reinhard Genzel vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) den Weg von G2 voraus berechneten: Die Wolke war damals bereits in die Länge gezogen und ihre Ränder erschienen ausgefranst.

Für die Astronomen ist das bevorstehende Schicksal der Gaswolke eine einzigartige Gelegenheit. Denn obwohl wahrscheinlich fast alle Galaxien ein supermassereiches Schwarzes Loch in ihrem Zentrum besitzen, liegt nur Sagittarius A* nahe genug, um im Detail beobachtet zu werden. Es befindet sich nur 27.000 Lichtjahre von der Erde entfernt im Zentrum der Milchstraße. „Detaillierte Beobachtungen der Strahlung aus dem galaktischen Zentrum geben uns in den nächsten Jahren die einmalige Gelegenheit, in Echtzeit zu verfolgen, wie das supermassereiche Schwarze Loch Materie schluckt“, sagt Stefan Gillessen vom MPE. Die Astronomen erhoffen sich tiefere Einblicke in die Prozesse, die den Sturz von Gas in ein solches Schwarzes Loch beeinflussen.

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Röntgenstrahlung aus der Gaswolke

Während die Wolke Sagittarius A* immer näher kommt, wird sie schneller und schneller. Das Gas heizt sich dabei gewaltig auf, seine Temperatur könnte auf mehrere Tausend Grad Celsius ansteigen. Gleichzeitig wird sie durch hohen Druck verdichtet. Unter diesen Bedingungen erwarten die Astronomen, dass die Wolke Röntgenstrahlen aussenden wird und sich dadurch hervorragend beobachten lässt. Röntgenstrahlung ist besonders geeignet, weil dichte Staubwolken Sagittarius A* vor Beobachtungen im sichtbaren Licht verbergen.

Daryl Haggard von der Northwestern University im US-Bundestaat Illinois hat das Schwarze Loch und die Wolke G2 in den vergangenen Jahren ebenfalls ausgiebig studiert. Sie interessiert sich vor allem dafür, wie Schwarze Löcher wachsen, insbesondere die supermassiven Ausgaben im Zentrum von Galaxien. „Wir wissen, sie sind in gewaltiger Anzahl da draußen – aber wir wissen noch nicht im Detail, woher sie ihre Masse bekommen“, sagt Haggard. An fremden Galaxien ließ sich bislang nur ein gelegentliches Flackern im Röntgenbereich messen. Der erwartete Röntgenausbruch von G2 während der nächsten Mahlzeit von Sagittarius A soll in den nächsten Tagen viele neue Details liefern.

(European Space Agency (ESA) / Northwestern University, 07.04.2014 – AKR)

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