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Astronomie

Wird die Dunkle Energie stärker?

Astronomen finden mögliche Abweichungen vom Standardmodell

Quasarmessungen
Mesungen an Quasaren enthüllen Diskrepanzen im Verhalten der dunklen Energie. © NASA/CXC/M.Weiss, Univ. Florenz/ G.Risaliti, E.Lusso

Mysteriöser Effekt: Die Dunkle Energie ist möglicherweise weniger konstant als bisher angenommen – und widerspricht damit dem kosmologischen Standardmodell. Denn Quasar-Messdaten deuten darauf hin, dass dieser Gegenspieler der Gravitation heute stärker wirkt als im frühen Kosmos. Die Dunkle Energie könnte demnach im Laufe der Zeit dichter und stärker werden. Sollte sich dies bestätigen, muss das gängige Modell der Kosmologie umgeschrieben werden, so die Forscher im Fachmagazin „Nature Astronomy“.

Die Dunkle Energie ist eines der großen Rätsel unseres Universums. Obwohl sie mehr als 70 Prozent des Kosmos ausmacht, ist über ihre Natur und ihr Verhalten bisher kaum etwas bekannt. Klar scheint jedoch, dass sie der Gravitation entgegenwirkt und die beschleunigte Ausdehnung des Universums antreibt. Dem gängigen kosmologischen Modell nach hat die Dunkle Energie eine in Zeit und Raum gleichbleibende Dichte. Ihr Einfluss wird daher mit der kosmologischen Konstante gleichgesetzt.

Quasare als Indikatoren der kosmischen Expansion

Doch jetzt liefern Quasare Indizien dafür, dass die Dunkle Energie weniger konstant sein könnte als gedacht. Guido Risaliti von der Universität Florenz und Elisabeta Lusso von der Durham University haben für ihre Studie Beobachtungsdaten von rund 1.600 Quasaren ausgewertet – aktiven, extrem hellen Zentren von Galaxien. Sie erfassten sie dabei Quasare vom nahen Weltraum bis in die fernsten, ältesten Regionen des Alls, in denen die Quasare nur gut eine Milliarde Jahre nach dem Urknall entstanden.

Das Entscheidende: Den Astronomen gelang es, die Entfernung dieser Quasare mit einer neuen Methode zu messen – und damit auch die Expansion des Universums. Möglich wurde dies, weil der Anteil der Röntgenstrahlung zur UV-Strahlung im Lichtspektrum des Quasars Rückschlüsse auf seine Entfernung erlaubt. „Weil dies eine neue Technik ist, haben wir Extra-Schritte unternommen, um sie anhand von Supernovamessungen zu überprüfen“, erklärt Lusso. Erst als diese bestätigten, dass die Werte korrekt sind, ermittelten die Forscher die Expansionsrate.

kossmcihe Expansion
Entfernungsmesswerte verschiedener kosmischer Obekte in Relation zum Alter. © Elisabeta Lusso, Guido Risaliti

Ausdehnung nahm schneller zu als sie dürfte

Das überraschende Ergebnis: Für die letzten rund acht Milliarden Jahre stimmten die Werte für die kosmische Expansion gut mit bisherigen Modellen überein. Das aber blieb nicht so, als die Astrononen weiter in die Vergangenheit zurückgingen: „In den frühen Phasen des Kosmos finden wir eine Diskrepanz zwischen der beobachteten Entwicklung und der vom kosmologischen Standardmodell vorhergesagten“, berichtet Risaliti. „Die Expansionsrate entwickelte sich schneller als erwartet.“

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Konkret heißt dies: Der heutige Kosmos dehnt sich schneller aus als er dem Modell nach dürfte. Umgekehrt war die Expansionsrate in der Anfangszeit des Universums geringer als erwartet. „Dies könnte bedeuteten, dass die Dunkle Energie mit zunehmendem Alter des Universums immer dichter und stärker wird“, sagt Risaliti. Die Abweichungen zum Standardmodell beziffern er und seine Kollegin immerhin auf eine Signifikanz von vier Sigma – das ist für einen Zufall zu viel.

Hinweis auf neue Physik?

Sollte sich diese Abweichung bestätigen, hätte dies fundamentale Auswirkungen für unsere Vorstellung von der Dunklen Energie und das kosmologische Weltbild. Denn dann kann die Dunkle Energie nicht mehr mit der kosmologischen Konstante gleichgesetzt werden – weil ihre Wirkung eben nicht konstant ist. Das gängige Modell müsste demnach überarbeitet werden.

„Einige Wissenschaftler vermuten schon länger, dass hinter den Problemen mit der kosmischen Expansion eine neue Physik steckt“, sagt Risaliti. Denn errechnet man die Expansion über die kosmische Hintergrundstrahlung, ergibt sich für das frühe Universum eine Hubble-Konstante von 65. Von Supernovae, Gravitationslinsen und veränderlichen Sternen abgeleitete Werte liegen dagegen zwischen 72 und 75 – und sprechen damit ebenfalls für eine schnellere Ausdehnung in der Gegenwart.

„Unsere Ergebnisse bestätigen diese Abweichungen“, sagt Risaliti. Ob sich die Dichte oder Stärke der Dunklen Energie aber tatsächlich im Laufe der Zeit verändert hat und warum, müssen nun weitere Studien zeigen. Doch es mehren sich damit die Indizien dafür, dass unser Bild des Kosmos und der Dunklen Energie unvollständig sein könnte. (Nature Astronomy, 2019; doi: 10.1038/s41550-018-0657-z)

Quelle: NASA, ESA, Chandra X-Ray Observatory

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