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Astronomie

Wie das Universum seine Struktur bekam

Extreme in der frühen Dichteverteilung entwickelten sich am schnellsten

Galaxie
Wie entstanden aus winzigen Fluktuationen des Urgases die Großstrukturen des heutigen Universums? © Yuri Beletsky/ Carnegie Institution for Science

Vom Urgas zu den Galaxien: Astronomen haben auf neue Weise nachvollzogen, wie das Universum seinen heutige Struktur bekam. Dafür kombinierten sie die Beobachtungen von mehr als 70.000 Galaxien mit einem verblüffend einfachen Modell der Dichteentwicklung. Das Ergebnis zeigt, wie dichteren Stellen im Urgas immer dichter wurden und schließlich zu Galaxien und Galaxienhaufen kondensierten, während dünnere Stellen weiter ausdünnten.

Wie das Universum seine heutige Form bekam, ist eine der großen Fragen der Kosmologie. Denn die Materieverteilung im Kosmos ist durch großräumige Strukturen wie Galaxienhaufen, gigantische „Voids“ und langgestreckte Filamente geprägt. Astronomen vermuten, dass diese Großstrukturen ihren Ursprung in kleinen Fluktuationen von Strahlung und Materie im frühen Kosmos haben. Doch wie daraus die heutigen Galaxien wurden, lässt sich nur teilweise in Simulationen oder Modellen nachvollziehen.

Wie rekonstruiert man das Universum?

Das Problem: Wegen der begrenzten Rechenleistung zeigen typische Simulationen entweder einen kleinen Ausschnitt wie beispielsweise die Entstehung und Entwicklung einer Galaxie sehr detailgetreu. Oder aber sie umfassen einen großen virtuellem Raum in deutlich gröberer Auflösung – was die Aussagekraft mindert.

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Kosmische Dichteverteilung in den letzten neun Milliarden Jahren – die Extreme haben sich verstärkt. © Daniel Kelson

Daniel Kelson und seine Kollegen von der Carnegie Institution haben nun eine Methode gewählt, bei der sie auf Basis astronomischer Beobachtungen die typische Entwicklung verschiedener Materiedichten rekonstruieren. „Unsere Strategie liefert nun neue und intuitive Einblicke darin, wie die Gravitation das Wachstum von Strukturen von der frühesten Phase des Kosmos an antrieb“, erklärt Kelsons Kollege Andrew Benson. „Dies ist ein direkter, beobachtungsbasierter Test einer der Säulen der Kosmologie.“

70.000 Galaxien und eine einfache Häufigkeitsverteilung

Konkret nutzten die Astronomen die Daten von mehr als 70.000 Galaxien, die das Las Campanas Observatorium in Chile im Verlauf von zehn Jahren kartiert hat. Für ihre Analyse teilten sie die Galaxien je nach stellarer Masse in Gruppen ein und analysierten die Menge, den Abstand und die Art der jeweils benachbarten Galaxien. Weil die astronomischen Beobachtungen neun Milliarden Jahre weit zurückreichen, konnten sie dies jeweils für verschiedene Zeitabschnitte wiederholen.

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Eine Besonderheit der Methode ist, dass die Astronomen die Expansion des Universums für ihr Modell ausklammern. Denn wie sie erklären, ist die Bildung von Sternen und Galaxien vom lokalen Schwerkraftkollaps von Gasen dominiert und damit vorübergehend von der alles umfassenden Ausdehnung abgekoppelt. „Durch diese Entkopplung vereinfacht das Gaußsche Theorem die Gleichungen auf sehr hilfreiche Weise“, so die Forscher.

Dichtes wird dichter, Dünnes noch dünner

Der Abgleich mit den in der Zeit zurückreichenden Galaxiendaten ergab, dass das auf dieser Annahme erstellte Modell die beobachteten Dichten und Verteilungen gut widergibt. „Die Erwartung ist, dass anfangs dichte Regionen im Vergleich zum Durchschnitt mit der Zeit noch dichter werden, während Regionen mit geringerer Massekonzentration sich weiter ausdünnen“, erklären die Forscher.

Genau dies sehe man auch in den Daten: „Qualitativ gesehen beobachten wir eine erstaunliche Zunahme im Dichtekontrast: Es bilden sich dichtere Filamente und Knoten, aber auch zunehmend größere Voids.“ Die Regionen, die schon anfangs zu den dichtesten gehörten, bauen damit ihren „Vorsprung“ gewissermaßen weiter aus. Gleiches gilt für die dünnsten Stellen.

Verstärkung der Extreme

Das neue Modell zeigt damit deutlich, wie sich das Ausmaß der Verdichtung oder Ausdünnung in Abhängigkeit von der anfänglichen Dichteklasse verändert. „Mit unseren Daten können wir daher die Entwicklungsraten für jedes Perzentil messen“, erklären die Astronomen. „Dichten der höheren Perzentile wachsen im Laufe der Zeit schneller als Überdichten geringerer Perzentile.“ Ähnlich sei es mit den Stellen unterdurchschnittlicher Dichte.

Anders ausgedrückt: Dort wo schon im frühen Universum die dichtesten Klumpen von Urgas vorhanden waren, wuchsen auch am schnellsten große Galaxien und Galaxienhaufen heran. Die Regionen, in denen das Urgas weniger stark konzentriert war, hinkten in der Entwicklung eher hinterher. Diese Verstärkung der Extreme führte letztlich dazu, dass aus kleinen Dichteschwankungen die Großstrukturen des heutigen Kosmos wurden. (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 2020; doi: 10.1093/mnras/staa100)

Quelle: Carnegie Institution for Science

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