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Astronomie

„Vulkanausbruch“ auf einem Magnetar

Abrupte Verlangsamung eines Neutronensterns deutet auf Eruption auf seiner Oberfläche hin

Magnetar-Eruption
Astronomen haben Indizien für eine exotische Form der Eruption auf einem Magnetar beobachtet. © NASA/ Goddard Space Flight Center

Exotische Eruption: Astronomen könnten erstmals Hinweise auf einen vulkanähnlichen Ausbruch auf einem Magnetar entdeckt haben. Denn sie beobachteten, wie sich die Rotation dieses von einem starken Magnetfeld umgebenen Neutronensterns abrupt verlangsamte. Kurze Zeit später erzeugte der Magnetar mehrere ultrakurze, starke Radiopulse. Beides zusammen könnte darauf hindeuten, dass es zu einer Eruption exotischer Materie auf diesem Neutronenstern gekommen ist.

Magnetare sind die Extremisten unter den Neutronensternen. Sie sind extrem dicht, drehen sich rasend schnell und besitzen die stärksten bekannten Magnetfelder im Kosmos. In der Milchstraße sind bisher nur rund zwei Dutzend Exemplare solcher Sternenreste bekannt. Sie entstehen wahrscheinlich ähnlich wie „normale“ Neutronensterne bei der Supernova eines massereichen Sterns. Was ihnen ihr extremes Magnetfeld und die schnelle Rotation verleiht, ist jedoch erst in Teilen geklärt.

Einer dieser Exoten, der rund 30.000 Lichtjahre entfernte Magnetar SGR 1935+2154, zog bereits im April 2020 große Aufmerksamkeit auf sich. Denn er entpuppte sich als Urheber eines der rätselhaften Fast Radiobursts (FRB) – ultrakurzer Radiopulse enormer Intensität.

Abrupte Verlangsamung der Rotation

Doch wie sich nun zeigt, weist dieser Magnetar noch weitere Besonderheiten auf. „Seit dem Radiopuls haben wir SGR 1935+2154 regelmäßig mit mehreren Röntgenobservatorien observiert“, berichten NASA-Forscher George Younes und seine Kollegen. Die von der Oberfläche ausgehende Röntgenstrahlung erlaubt es unter anderem, die Rotation des Magnetars zu überwachen. Am 5. Oktober 2020 passiert etwas Unerwartetes: Der Neutronenstern verlangsamte abrupt seine Rotation.

„Bei den meisten ‚Ausrutschern‘ dieser Art wird die Rotationsperiode kürzer und der Stern dreht sich dadurch schneller als zuvor“, erklärt Koautor Matthew Baring von der Rice University. Gängiger Annahme nach kommt dies dadurch zustande, dass sich die äußeren, stark magnetisierten Schichten des Neutronensterns abrupt gegen die nicht magnetisierten inneren Schichten verschieben. „Dadurch wird Rotationsenergie vom schneller rotierenden Kern auf die langsamere Hülle übertragen“, erklärt der Forscher.

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Nicht durch gängige Modelle erklärbar

Doch ein plötzliches Abbremsen, wie jetzt bei Magnetar SGR 1935+2154 beobachtet, lässt sich damit nicht erklären – im Gegenteil: Typischerweise dauert es zehntausende von Jahren, bis ein Magnetar sein Rotationstempo auch nur um eine Umdrehung pro Sekunde verlangsamt. Gängige Modelle der inneren Vorgänge in einem solchen Neutronenstern sehen abrupte Verringerungen der Rotationsgeschwindigkeit bisher schlicht nicht vor. Dennoch haben Astronomen nun SGR 1935+2154 auf frischer Tat bei einem solchen „Anti-Glitch“ ertappt.

Was aber ist die Ursache? Seltsamerweise ergaben die Beobachtungen, dass sich die Röntgenstrahlung des Magnetars bei diesem Ereignis kaum veränderte: „Der weiche thermische und harte nichtthermische Röntgenfluss blieb während der gesamten Oktober-Periode auf konstantem Niveau, ebenso die Oberflächentemperatur und seine nichtthermische spektrale Form“, berichten Younes und sein Team.

Radioblitz und Sternenwind

Eine Auffälligkeit gab es jedoch: „Was das Ereignis im Oktober 2020 einzigartig macht, ist ein Fast Radioburst, den der Magnetar wenige Tage nach dem Abstoppen freisetzte. Darauf folgte eine pulsierende Radioemission“, berichtet Baring. „Wir kennen bisher nur eine Handvoll Magnetare, die vorübergehend solche gepulsten Radiowellen erzeugen. Aber dies ist das erste Mal, dass wir ein solches Anschalten von Radioemissionen fast zeitgleich mit einem Anti-Glitch gesehen haben.“

Nach Ansicht der Astronomen deutet die Radioemission darauf hin, dass es eine abrupte Veränderung und Neuordnung der Magnetfeldlinien bei diesem Neutronenstern gegeben haben muss. Dies wiederum kann passieren, wenn sich plötzlich der Sternenwind lokal verstärkt. Ein solcher massiver Teilchenwind „kämmt“ die Magnetfeldlinien aus und transferiert in kurzer Zeit große Energiemengen ins All. „Dies bewirkt auch einen starken Verlust des Drehimpulses“, erklären die Forscher. Dies könnte das abrupte Abbremsen der Rotation erklären.

Ein Neutronenstern-„Vulkan“ in Aktion?

Das Spannende daran: Ein solcher abrupter Schub des Sternenwinds könnte von einer exotischen Art der Eruption auf der Oberfläche des Magnetars stammen. „Es gibt schon länger die Vermutung, dass Neutronensterne das Äquivalent von Vulkanen auf ihrer Oberfläche haben“, erklärt Baring. An diesen „Vulkanen“ reißt die äußere Plasmakruste des Neutronensterns auf und schleudert Material aus der inneren Kruste in Form von Atomkernen, freien Elektronen und Neutronen ins All hinaus.

Ähnlich wie ein Plasmaausbruch auf der Sonne erzeugt eine solche Eruption einen Strom energiereicher geladener Teilchen – eine Art Sternensturm. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass dies auch hier der Fall gewesen sein könnte“, so Baring. „Der Riss in der Kruste lag dabei wahrscheinlich nahe am magnetischen Pol des Magnetars.“

Noch sind die Daten zu dünn, um dieses Szenario eindeutig zu belegen. Das Team hofft aber, in weiteren Beobachtungen mehr über mögliche Neutronenstern-„Vulkane“ herauszufinden. „Dies könnte uns helfen zu verstehen, warum manche Magnetare plötzlich Radiostrahlung aussenden“, sagt Baring. (Nature Astronomy, 2023; doi: 10.1038/s41550-022-01865-y)

Quelle: Rice University

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