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Astronomie

Universum dehnt sich schneller aus als gedacht

Bisher genaueste Messungen der Hubble-Konstante widersprechen bisherigen Werten

Neue Messwerte für die Hubble-Konstante sprechen für eine noch schnellere Expansion des Univerusms als bisher angenommen © NASA

Schneller als die Theorie erlaubt: Unser Universum dehnt sich fünf bis neun Prozent schneller aus als bisher angenommen. Darauf deutet die bisher genaueste Messung der Hubble-Konstante hin, des Werts, der die kosmische Expansionsrate angibt. Das Problem dabei: Die neuen Werte passen weder zu den Erkenntnissen aus dem kosmischen Mikrowellenhintergrund noch zu den Theorien darüber, was die Expansion des Universums antreibt.

Unser Universum dehnt sich aus – das ist seit dem Urknall so. Doch lange Zeit blieb unklar, ob das Tempo dieser Expansion gleich bleibt oder sich verändert. Erst Entfernungsmessungen ferner Typ-1-Supernovae enthüllten 1998, dass sich die Expansion seit sechs Milliarden Jahren beschleunigt. Der Motor dafür ist aktuellen Theorien nach die Dunkle Energie, eine Art Gegenkraft zur Gravitation.

Wie schnell sich das All gegenwärtig ausdehnt, ist allerdings weniger klar als man denkt. Frühere grobe Messungen und Modelle gingen zunächst von einer Hubble-Konstante von 70 bis 75 Kilometer pro Sekunde pro Megaparsec (km/s/Mpc) aus. Doch 2013 ermittelte der Planck-Satellit der ESA anhand von Fluktuationen in der kosmischen Hintergrundstrahlung einen genaueren, aber deutlich niedrigeren Wert von 67,15 km/s/Mpc.

Cepheiden und Supernovae als Messlatten

Jetzt haben Astronomen mit Hilfe des Hubble-Weltraumteleskops erneut die Expansionsgeschwindigkeit bestimmt – und kommen zu wieder anderen Werten. Sie ermittelten die Entfernung und Rotverschiebungen von 2.400 veränderlichen Sternen, sogenannten Cepheiden, in 19 Galaxien, sowie von rund 3.000 Supernovae des Typs 1a. Beide gelten als klassische „Messlatten“ des Kosmos.

Gemessen wurde die Hubble-Konstante mit Hilfe von Cepheiden und Supernovae Typ 1a. © NASA,ESA, A. Feild (STScI), and A. Riess (STScI/JHU)

Das überraschende Ergebnis: Den neuen Messungen nach liegt die Hubble-Konstante bei 73,2 km/s/Mpc – und damit um fünf bis neun Prozent höher als die bisherigen Messungen. Das Universum dehnt sich demnach noch schneller als aus bisher gedacht. Die Hubble-Beobachtungen jedoch gelten als bisher genaueste Bestimmung dieses Expansions-Werts – die Unsicherheit liegt bei nur noch 2,4 Prozent, wie die Astronomen betonen.

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Rätselhafte Abweichung

„Wenn man unserer Zahl Glauben schenkt – und wir haben alles drangesetzt, die Messunsicherheiten so stark wie nie zuvor zu verringern -, dann müssen wir zu dem Schluss kommen, dass es ein Problem mit den bisherigen, auf Messungen der kosmischen Hintergrundstrahlung beruhenden Annahmen gibt“, sagt Koautor Alex Filippenko von der University of California in Berkeley.

Er vergleicht das Problem mit dem Bau einer Brücke zwischen zwei Ufern. Das weiter entfernte Ufer steht für die Hintergrundstrahlung und die aus ihr abgeleiteten Erkenntnisse, das nahe Ufer repräsentiert die aktuellen Hubble-Beobachtungen. „Wenn man an beiden Enden beginnt zu bauen, erwartet man, dass sich die Brücke in der Mitte trifft – wenn alle Pläne und Vermessungen korrekt waren“, erklärt Adam Riess vom Space Telescope Science Institute in Baltimore. „Aber jetzt treffen sich die Enden nicht und wir müssen herausfinden warum.“

In dieser nahen Spiralgalaxie beobachteten die Astronomen sowohl Cepheiden als auch eine Supernova Typ 1a, wodurch sie ihre Messungen kalibrieren konnten. © NASA, ESA, and L. Frattare (STScI)

Dunkle Energie, unbekannte Teilchen oder Fehler bei Einstein?

Was aber kann eine solche Abweichung hervorrufen? Dafür kommen theoretisch mehrere Ursachen in Betracht. Eine Erklärung wäre, dass die Dunkle Energie, deren Natur noch nimmer nicht aufgeklärt ist, im Laufe der kosmischen Geschichte an Kraft gewinnt oder aber bisher unbekannte Eigenschaften besitzt. Möglich wäre aber auch, dass im frühen Universum eine bisher unbekannte Art von subatomaren Teilchen entstand, das als eine Art „Dunkle Strahlung“ das Verhalten des frühen Kosmos beeinflusste und damit auch die heute messbare Hintergrundstrahlung.

Denkbar wäre aber auch, dass Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie – und damit die Gleichungen, die die Gravitation beschreiben – nicht vollständig ist. „Unser Diskrepanzen sprechen dafür, dass in unserem jetzigen physikalischen Verständnis des Universums etwas fehlt“, sagt Filippenko.

Er und seine Kollegen arbeiten bereits daran, durch Vermessung einer noch größeren Zahl von Supernovae die Genauigkeit der Hubble-Konstante noch weiter zu erhöhen. Ihr Ziel ist ein Unsicherheitsfaktor von nur noch einem Prozent. Hoffnung setzen die Astronomen auch auf neue, im den nächsten Jahren startende Weltraumteleskope, wie das James Webb-Teleskop der NASA, die noch weiter ins All hinausblicken und so neue kosmische Messlatten erspähen können. (The Astrophysical Journal, in press; arXiv:1604.01424 )

(University of California Berkeley, 03.06.2016 – NPO)

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