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Astronomie

Überlicht-Schockwelle im Strahlen-Jet?

Hellste Gammastrahlenausbrüche könnten durch lokal überlichtschnelle Pulse erzeugt werden

GAmmastrahlenausbruch (Illustration)
In den Strahlenjets von Gammastrahlenausbrüchen könnten es überlichtschnelle Stoßwellen geben. © NASA/Swift, Mary Pat Hrybyk-Keith und John Jones

Schneller als das Licht: Bei Gammastrahlenausbrüchen könnten Schockwellen freiwerden, die sogar schneller sind als das lokale Licht. Das klingt wie ein Verstoß gegen Einsteins Relativitätstheorie, ist jedoch möglich, wie nun Astronomen erklären. Denn diese Schockwellen überschreiten zwar die Lichtgeschwindigkeit im lokalen Medium, nicht aber die im Vakuum. Ihre Existenz könnte subtile Strukturen in den Lichtkurven mancher Gammablitze erklären.

Gammastrahlenausbrüche (GRB) gehören zu den hellsten und energiereichsten Phänomenen des Kosmos. Innerhalb von wenigen Sekunden können sie so viel Strahlung freisetzen wie unsere Sonne in ihrer gesamten Lebenszeit. Gängiger Theorie nach entstehen diese Strahlenausbrüche beim Kollaps massereicher Sterne, sehr kurze, starke GRBs könnten auch durch die Verschmelzung von Neutronensternen freiwerden.

Rätselhafte Strahlungsmuster

Doch es gibt einige Merkmale von Gammastrahlenausbrüchen, die Rätsel aufgeben. So enthält das Lichtspektrum einiger Gammablitze neben dem grundlegenden Strahlenpuls darüberliegende komplexe Strukturen, die einer dreigipfeligen Welle ähneln. Das Merkwürdige daran: Diese überlagerten Wellen scheinen zeitliche Spiegelbilder ihrer selbst zu sein. Legt man die Gipfel vom Pulsanfang und die vom Pulsende umgekehrt und leicht gedehnt übereinander, stimmen sie überein.

Was aber erzeugt diese rätselhaften Strahlensignaturen? „In den gängigen Modellen tauchen diese Merkmale nicht auf“, erklären Jon Hakkila von der University of Charleston und Robert Nemiroff von der Michigan Technological University. Sie haben deshalb ein Szenario entwickelt, das diese Strahlenstrukturen erklären kann – allerdings auf ziemlich exotische Weise.

Durch die „Schallmauer“ des lokalen Lichts

Kern des neuen Szenarios ist eine vom kollabierenden Stern ausgehende Stoßwelle. Diese wird innerhalb des Strahlen-Jets so stark beschleunigt, dass sie die in diesem Medium mögliche Lichtgeschwindigkeit überschreitet – sie durchbricht gewissermaßen die „Schallmauer“ des Lichts. Auf den ersten Blick widerspricht dies der Relativitätstheorie von Albert Einstein, nach der nichts schneller sein kann als das Licht.

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Doch dieses Naturgesetz gilt nur für das Licht im Vakuum. In anderen Medien, wie beispielsweise starken Magnetfeldern oder speziellen Materialien, kann sich das normale Tempo der Strahlung verlangsamen. Dadurch kann ein Strahlenpuls die lokale Lichtgeschwindigkeit übertreffen. Er ist damit zwar im lokalen Medium überlichtschnell, nicht aber in Bezug auf die maximale Lichtgeschwindigkeit.

„Eine solche überlichtschnelle Bewegung ist nahezu unvermeidlich, wenn ein hochgradig relativistischer Jet in ein Medium eintritt“, erklären Hakkila und Nemiroff. Dies geschehe selbst beim Eintritt eines Gammastrahlen-Photons in die Erdatmosphäre.

Umgekehrte zeitliche Reihenfolge

Der Clou daran: Dieses Szenario könnte erklären, warum in den Lichtkurven einiger Gammablitze Strahlungsmuster auftauchen, die wie zeitlich umgedreht erscheinen. „Für einen seitlichen Betrachter eilt ein solcher überlichtschneller Schock seiner eigenen, sich kegelförmig ausdehnenden Strahlenemission voraus“, erklären die Forscher. Das Prinzip ist ähnlich wie bei einem Flugzeug, das die Schallmauer durchbrochen hat.

Wenn jedoch der Beobachter frontal vor dem Strahlen-Jet steht, sieht er nicht den Emissionskegel, sondern registriert nur eine Abfolge der Emissionspulse – aber in ungewohnter Reihenfolge: „Er sieht die letzten Emissionen der Schockwelle zuerst, dann treffen nacheinander die vorhergehenden Emissionen ein“, so die Forscher. Die Reihenfolge der Pulse erscheint damit zeitlich umgekehrt – genau wie in den Strahlenmustern der Gammastrahlenausbrüche.

Durch Beobachtungen gestützt?

Ob dieser Effekt tatsächlich die rätselhaften Gammastrahlen-Signaturen erzeugt haben könnte, haben die Astronomen durch detaillierte Analyse der Strahlungsmerkmale überprüft. „Unsere Ergebnisse stützen die Annahme, dass diese Muster auf Ketten von zeitlich umgekehrten Ereignissen zurückgehen“, konstatieren Hakkila und Nemiroff. In 80 Prozent der hellsten Gammastrahlen-Pulse habe man Indikatoren für solche Effekte gefunden.

„Die Standardmodelle zu Gammastrahlenausbrüchen haben diese zeitreversiblen Lichtkurven-Merkmale vernachlässigt“, sagt Hakkila. „Die überlichtschnelle Jet-Bewegung erklärt deren Eigenschaften, ohne den Standardmodellen zu widersprechen.“ Allerdings: Woraus genau die überlichtschnellen Schockwellen in den Strahlen-Jets bestehen und wie sie beschleunigt werden, ist bisher unbekannt. (The Astrophysical Journal, 2019; doi: 10.3847/1538-4357/ab3bdf)

Quelle: Michigan Technological University

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