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Astronomie

Titandioxid erstmals im Weltall nachgewiesen

Riesenstern kurz vor seinem Tod produzierte große Mengen des Moleküls

Ein ausgedehnter Staubnebel umgibt VY CMa in der Konstellation Großer Hund, einen der größten bekannten Sterne. In der Atmosphäre dieser Riesensonne fanden Astronomen die Moleküle TiO und TiO2. © NASA/ESA, R. Humphreys, CDMS/T. Kami&

Bei uns auf der Erde dient Titandioxid als Weißpigment und Nanozusatz in Sonnenmilch. Jetzt haben Astronomen dieses Molekül erstmals auch im Weltraum nachgewiesen. Es wird von einem der größten bekannten Sterne überhaupt produziert, dem Stern VY Canis Majoris im Großen Hund. Die Astronomen vermuten, dass auch andere, eher kühle Sterne am Ende ihres Lebenszyklus Titanoxid und Titandioxid in großen Mengen herstellen. Möglicherweise spielen sie sogar als Katalysator eine Schlüsselrolle für die Entstehung komplexerer Moleküle im Kosmos, mutmaßen die Forscher im Fachmagazin „Astronomy & Astrophysics“

Schon seit mehr als hundert Jahren haben Astronomen beobachtet, dass im Lichtspektrum einiger Sternen immer auch die typischen Kennlinien des Titanoxids (TiO) zu sehen sind. Tatsächlich benutzt man diese Linien sogar zur Klassifikation von bestimmten Sterntypen mit niedrigen Oberflächentemperaturen (Spektraltyp M und S). Der Theorie nach produzieren solche Sterne große Mengen Titanoxide, die dann mit dem Sternwind nach außen transportiert werden. Nicht geklärt war aber, ob auch Titandioxid (TiO2) im Weltall vorkommt. Diese Verbindung ist bei uns auch als Pigment Titanweiß bekannt, als Nanopartikel wird dieses Molekül in zahlreichen Produkten eingesetzt.

Riesenstern kurz vor seinem Tod

Jetzt haben Astronomen erstmals beide Moleküle, Titandioxid und Titanoxid im Weltraum nachgewiesen. Sie stießen auf die charakteristische spektrale Signatur beider Verbindungen, als sie einen besonders spektakulären Stern untersuchten. VY Canis Majoris oder kurz: `VY CMa´ ist ein veränderlicher Stern im Sternbild Großer Hund. „VY CMa ist kein gewöhnlicher Stern. Es ist einer der größten Sterne, die wir kennen, und er steht nahe am Ende seines Lebens“, sagt Tomasz Kamiński vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR). Dieser Stern, mit dem 1.000 bis 2.000-fachen Durchmesser der Sonne, würde fast die Umlaufbahn des Saturn erreichen, könnte man ihn in unserem Sonnensystem platzieren.

Der Stern bläst große Mengen von Material von seiner Oberfläche ab, das einen unregelmäßigen Staubnebel um den Stern bildet. Er wird dadurch sichtbar, dass in ihm enthaltene kleine Staubpartikel das Licht des Zentralsterns reflektieren. Die komplexe Struktur eines solchen Nebels hat die Astronomen schon für Jahrzehnte vor ein Rätsel gestellt. Er entsteht als Resultat eines Sternwinds, aber worauf die sehr unregelmäßige Struktur beruht und welche Prozesse den Wind antreiben, sind unklar. „Das Schicksal von VY CMa wird sein, als Supernova zu explodieren, aber wir wissen nicht genau, wann das tatsächlich stattfinden wird“, sagt Karl Menten, der Leiter der Forschungsabteilung Millimeter- und Submillimeter-Astronomie am MPIfR.

Das Submillimeter-Array auf Hawaii, mit dem die Entdeckung der neuen Moleküle um den VY CMa gelang. © N. Patel/SMA

Nicht nur im Staub, auch im Gas

Die neuen Beobachtungen zeigen nun, dass die beiden Titanverbindungen in der Umgebung von VY CMa in größerer Menge vorhanden sind, und zwar in Bereichen, die auch mehr oder weniger von der Theorie vorhergesagt werden. „Sie neigen dazu, sich in Form von Staubpartikeln zusammenzuballen, die dann im Optischen oder im Infraroten sichtbar werden“, sagt Nimesh Patel vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics. Es scheint jedoch, dass ein bestimmter Anteil dieser Moleküle keinen Staub bildet, sondern in der Gasphase beobachtet wird. Eine mögliche Erklärung dafür wäre, dass der Staub im umgebenden Nebel zerstört wurde und daher das Titanoxid wieder im Gas gefunden wird.

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Die Entdeckung von TiO und TiO2 im Spektrum von VY CMa erfolgte mit dem Submillimeter-Array (SMA), einem Radiointerferometer auf dem Mauna Kea in Hawaii. Da dieses Instrument insgesamt acht Einzelantennen miteinander verbindet, die ein virtuelles Teleskop von 226 Metern Durchmesser ergeben, konnten die Astronomen ihre Messungen mit bislang nicht erreichter Empfindlichkeit und Winkelauflösung durchführen. Eine Bestätigung der neuen Entdeckungen erfolgte später mit dem Plateau-de-Bure-Interferometer (PdBI) des IRAM-Instituts in den französischen Alpen.

Das neue Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) in Chile ist soeben offiziell eröffnet worden. „ALMA wird die Untersuchung von Titanoxiden und weiteren Molekülen in VY CMa bei sogar noch besserer Auflösung ermöglichen“, schließt Tomasz Kamiński. „Damit lassen unsere Resultate einiges für zukünftige Entdeckungen erwarten.“ (Astronomy & Astrophysics , 2013; doi: 10.1051/0004-6361/201220290)

(Max-Planck-Institut für Radioastronomie, 28.03.2013 – NPO)

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