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Astronomie

Sternenpaar in „unmöglichem“ Engtanz

Sonnenähnlicher Stern und Weißer Zwerg haben Umlaufzeit von nur 51 Minuten

Paar
Astronomen haben ein Sternenpaar aus einem Weißen Zwerg und einem von ihm ausgesaugten sonnenähnlichen Stern entdeckt, dass sich so schnell und nah umkreist wie kein anderes. © M.Weiss/ Center for Astrophysics | Harvard & Smithsonian

Stellarer Rekord: Astronomen haben ein Sternenpaar entdeckt, das sich enger und schneller umkreist als es auf den ersten Blick möglich erscheint. Für einen Umlauf benötigt das Paar aus Weißem Zwerg und sonnenähnlichem Stern nur 51 Minuten – so wenig wie nie zuvor bei einem solchen Paar gemessen. Möglich wird dieser „Engtanz“, weil der Weiße Zwerg seinem Partner fast den gesamten Wasserstoff abgesaugt hat und fast nur der dichtere Heliumkern übrig ist, wie die Astronomen in „Nature“ berichten.

Die meisten Sterne im Kosmos sind Doppelsterne – und einige von ihnen umkreisen sich extrem eng. Die beiden jungen Riesensterne im Doppelsternsystem MY Camelopardalis benötigen beispielsweise nur 1,2 Tage für einen Umlauf und berühren sich dabei mit ihren Gashüllen. Viele Weiße Zwerge in Doppelsystemen saugen ihrem Sternenpartner Material ab und kommen ihm dabei ebenfalls sehr nahe. Bei solchen „kataklysmischen Veränderlichen“ können die Umlaufzeiten bis auf 75 Minuten sinken.

Umlaufzeit von nur 51 Minuten

Jetzt haben Astronomen ein Sternenpaar entdeckt, das sich so eng umkreist wie noch bei keinem anderen kataklysmischen Paar zuvor beobachtet. Das von Kevin Burdge vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) und seinem Team entdeckte System ZTF J1813+4251 liegt rund 3.000 Lichtjahre von uns entfernt in der Konstellation Herkules und wurde in den Daten der Zwicky Transient Facility (ZTF) am Palomar Observatory in Kalifornien aufgespürt.

„Ich stieß auf dieses Objekt, das offenbar alle 51 Minuten eine Eklipse durchlief“, berichtet Burdge. Dies ist die kürzeste je bei einem kataklysmischen Veränderlichen beobachtete Umlaufperiode. Um mehr über das System herauszufinden, beobachteten die Astronomen ZTF J1813+4251 mit den hochauflösenden Spektroskopen des Keck Observatoriums auf Hawaii und des Gran Telescopio Canarias in Spanien. Dadurch konnten sie Masse, Radius und Orbitalperioden der beiden Sterne bestimmen.

Weißer Zwerg und sonnenähnlicher Stern

Das überraschende Ergebnis: Bei dem sich so eng umkreisenden Paar handelte es sich um einen Weißen Zwerg und einen sonnenähnlichen, rund eine Sonnenmasse schweren Hauptreihenstern. „Ein Stern dieses Paares sieht demnach aus wie die Sonne, aber die Sonne passt nicht in einen Orbit mit weniger als acht Stunden Umlaufzeit „, erklärt Burdge. „Was also ist da oben los?“ Ein sonnenähnlicher Stern ist eigentlich viel zu „dick“, um eine Umlaufzeit von nur 51 Minuten zu ermöglichen.

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Trotzdem sind beide Sterne den Messdaten zufolge weniger als einen halben Sonnenradius voneinander entfernt. Eine Erklärung für diese „unmögliche“ Nähe lieferten die Spektralanalysen. Denn sie enthüllten, dass der vermeintlich sonnenähnliche Stern weniger Wasserstoffsignaturen, dafür aber ungewöhnlich viele Spektrallinien von Helium zeigte. Dies deutet darauf hin, dass der Weiße Zwerg seinem Partner bereits einen großen Teil seiner Wasserstoffhülle abgesaugt hat, wie die Astronomen erklären.

Im Übergang zum Helium-Stern

Das aber bedeutet: Der sonnenähnliche Stern dieses Paares ist schon fast bis auf seinen kompakten Kern „entkleidet“. „Dieser Stern hat dadurch zwar eine Temperatur vergleichbar mit der Sonne, aber durch seine heliumreiche Zusammensetzung eine 100-fach höhere Dichte“, berichtet das Team. Dadurch ist der Stern nur noch so groß wie der Jupiter, aber im Verhältnis sehr schwer, was seinen ungewöhnlichen engen Umlauf um den Weißen Zwerg erklärt.

„Dies ist damit ein sehr spezielles System“, erklärt Burdge. „Denn dies stellt den seltenen Fall eines kataklysmischen Sternenpaares dar, das dabei ist, von einer Wasserstoff- auf eine Helium-Akkretion umzustellen.“ Gemeint ist damit, dass der Weiße Zwerg seinem Partner schon so viel Wasserstoff abgesaugt hat, dass bald nur noch Helium übrig ist. Dann wird der stellare „Kannibale“ auch dieses Gas von seinem Partner abziehen und dessen Radius noch weiter verringern. Das Doppelsystem ZTF J1813+4251 ist nun das erste, das Astronomen bei diesem Übergang „ertappen“ konnten.

Weitere Verkürzung steht bevor

Burdge und sein Team erwarten, dass sich die schon jetzt ultrakurze Orbitalperiode des Doppelsystems in Zukunft noch weiter verkürzen wird. In rund 70 Millionen Jahren, so schätzen sie, wird ZTF J1813+4251 den vollständigen Wechsel zu einem Heliumsystem vollzogen haben. Dann könnten beide Sterne einander so nahe gekommen sein, dass sie nur noch 18 Minuten für einen Umlauf umeinander benötigen, wie die Astronomen berichten.

Allerdings wird es dabei nicht bleiben: Weil der ausgesaugte Stern sich als Folge seines Materialverlusts abkühlt und wieder ausdehnt, werden die beiden nach dem Minimum ihrer Orbitalperiode wieder auseinanderdriften. „Das System wird 300 Millionen Jahre benötigen, um dann als kataklysmische Helium-Veränderliche wieder rund 30 Minuten für einen Umlauf zu benötigen“, erklärt das Team.

Das exotische Sternenpaar liefert den Astronomen damit wertvolle Einblicke in das Verhalten solcher ungleichen Partner – und bestätigt einige der bisher nur theoretisch postulierten Annahmen über ihre Entwicklung. (Nature, 2022; doi: 10.1038/s41586-022-05195-x)

Quelle: Massachusetts Institute of Technology

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