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Sonnensystem

Sonnensystem: Das Geheimnis der drei Ringe

Physikalische Übergänge erklären Entwicklung und Verteilung der Planeten

protoplöanetare Scheibe
Solche Ringe und Lücken wie hier um den jungen Stern HL Tauri gab es einst auch um die junge Sonne – sie beeinflussten, wo sich welche Planeten bildeten. © ALMA (ESO/NAOJ/NRAO)

Prägende Grenzen: Astronomen könnten herausgefunden haben, warum es im Sonnensystem zwar erdgroße Gesteinsplaneten und Gasriesen gibt, nicht aber Supererden und Mini-Neptune. Der Grund liegt demnach in Lage und Timing von drei entscheidenden Übergangszonen in der protoplanetaren Scheibe. Am Außenrand dieser Schwellen stauten sich Staub und Bröckchen und förderten so die Planetenbildung. Die Menge des verfügbaren Materials zwischen den Grenzzonen bestimmte dabei, wie groß die Planeten wurden.

Was verlieh dem Sonnensystem seine typische Struktur aus inneren Gesteinsplaneten und äußeren Gasriesen? Und warum gibt es um die Sonne weder Supererden noch Mini-Neptune, obwohl diese Planetensorten um andere Sterne so häufig vorkommen? Bisher können Astronomen die Anfangsstadien der Planetenbildung und unseres Sonnensystems zwar grob nachvollziehen. Doch gerade einige Besonderheiten unseres Heimatsystems und auch der Erde werfen noch Fragen auf.

Druckschwellen und Ringe in der Urwolke

Einige Antworten könnten nun Forscher um Andre Izidoro von der Rice University in Houston gefunden haben. Ausgangspunkt dafür war die Beobachtung, dass viele protoplanetare Scheiben eine fast regelmäßige Abfolge von Ringen und Lücken aufweisen. „Solche ringähnlichen Strukturen legen nahe, dass Staub und Brocken dort in Druckschwellen der Scheibe konzentriert sind“, erklären die Astronomen. Das Material, das in der rotierenden Wolke dazu neigt, nach innen auf den Stern zuzuwandern, wird offenbar an diesen Schwellen festgehalten und staut sich dort.

Die Lage dieser Druckschwellen ist nicht zufällig, sondern wird durch physikalische Parameter bestimmt: Die innerste Schwelle kennzeichnet die Temperaturgrenze in Sternennähe, ab der gesteinsbildende Silikatverbindungen verdampfen. Erst außerhalb dieser Zone können daher Planeten entstehen. Weiter außen liegen die sogenannten Schneegrenzen, die Übergangszonen, ab denen Wasserdampf und Kohlenmonoxid zu Eis gefrieren. Eisreiche Himmelskörper können sich daher nur jenseits dieser Grenzen bilden.

Welche Folgen diese Grenzzonen für die Planetenbildungen haben, untersuchten Izidoro und sein Team mit einer Simulation, in der sie die Entwicklung der jungen Sonne und ihrer protoplanetaren Scheibe rekonstruierten – mal mit, mal ohne die damals präsenten Druckschwellen.

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Wie die inneren Planeten entstanden

Das Ergebnis: In der Simulation kam es tatsächlich zu einem Stau von Staub und Planetenbausteinen jeweils knapp außerhalb der drei Übergangszonen. In diesen Ringen fand daraufhin eine verstärkte Akkretion von Material statt, die zur Bildung von Protoplaneten führte. In der Rekonstruktion des inneren Sonnensystems hing die Größe und Zahl dieser neugebildeten Planeten davon ab, wie viel Material zwischen der innersten Druckschwelle und der nächsten Übergangszone, der Wasser-Schneegrenze, zur Verfügung stand.

„Nur der Staub, der innerhalb der Schneegrenze entsteht, kann zur Planetesimalbildung in der inneren Scheibe beitragen“, erklären Izidoro und seine Kollegen. Bildet sich die Schneegrenze früh und hält damit den Nachschub aus den äußeren Regionen der Urwolke von einer Innenwanderung ab, reicht das Material nur für die Bildung mars- bis erdgroßer Planeten – so wie es im Sonnensystem der Fall war.

Bildet sich die Wasser-Schneegrenze dagegen später oder ist sie nur schwach ausgeprägt, kann mehr Material in den inneren Bereich driften. Dadurch können dort auch massereichere Supererden oder Mini-Neptune entstehen.

Asteroidengürtel und äußere Gasriesen

Das Modell zeigte auch, wie und warum sich der Asteroidengürtel gebildet hat: Staub und Gesteinsbröckchen wanderten in der protoplanetaren Scheibe nach innen. Weil die Wasser-Schneegrenze aber verhinderte, dass weiteres Material von außen nachströmte, wurde der Bereich knapp innerhalb dieser Grenze immer leerer. Dadurch entstand eine fast leere Region, in der sich nur kleinere Brocken bilden konnten – die Asteroiden.

Noch weiter außen, knapp jenseits der Wasser-Schneegrenze, kam es hingegen zu einem weiteren Stau von Staub und Bröckchen – hier bildeten sich die festen Kerne der späteren Gasriesen Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun. In der Simulation erreichte die Masse der Planetesimale in dieser Zone 40 bis 100 Erdmassen – dies entspricht relativ gut der Masse dieser Planetenkerne, wie die Astronomen berichten.

Die Umlaufbahnen der jungen Gasriesen lagen anfangs noch eng beieinander, erst später drifteten Uranus und Neptun nach außen an ihre heutige Position. Ganz außen, jenseits der Kohlenmonoxid-Schneegrenze, entstanden auf ähnliche Weise die eisigen Himmelskörper des Kuipergürtels.

Übereinstimmung mit Beobachtungen

„Für mich war es eine völlige Überraschung, wie gut unsere Modelle die Entwicklung eines Planetensystems wie unseres Sonnensystems abbilden konnten – bis hin zu den leicht unterschiedlichen Massen und chemischen Zusammensetzungen von Venus, Erde und Mars“, sagt Koautor Bertram Bitsch vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg.

Die Ergebnisse seines Teams zeigen, wie grundlegende physikalische Phasenübergänge die Entwicklung und Struktur unseres Sonnensystems geprägt haben könnten. Dies könnte auch dazu beitragen, die Entwicklung von Planetensystemen um andere Sterne besser zu verstehen. (Nature Astronomy, 2021; doi: 10.1038/s41550-021-01557-z)

Quelle: Max-Planck-Institut für Astronomie

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