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Astronomie

Sonnensystem: 19 interstellare „Dauergäste“ identifiziert

Asteroiden aus fremden Sternensystemen wurden von der jungen Sonne eingefangen

Simulation
So extrem sah der Orbit einiger Centauren zur Frühzeit des Sonnensystems aus. Diese Asteroiden stammen wahrscheinlich von fremden Sternen und wurden von der Sonne eingefangen. © Maria Helena Moreira Morais

Von fremdem Sternen „geklaut“: Astronomen haben mindestens 19 Asteroiden im Sonnensystem identifiziert, die interstellaren Ursprungs sein könnten. Diese Brocken stammen von anderen Sternen, wurden aber in der Frühzeit des Sonnensystems von der Sonne eingefangen. Entdeckt haben die Forscher dies, als sie die Orbit-Entwicklung dieser Asteroiden einer virtuellen Zeitreise in die Vergangenheit unterzogen.

Erst seit wenigen Jahren ist klar, dass unser Sonnensystem immer wieder Besuch bekommt: Der Asteroid Oumuamua und der Komet 2l/Borisov sind Beispiele für solche interstellaren „Gäste“. Diese Brocken stammen von fernen Sternen und rasen in hohem Tempo durch unser Sonnensystem hindurch. 2014 könnte ein solches extrasolares Objekt sogar im Pazifik eingeschlagen sein.

Doch es gibt auch interstellare Besucher, die bleiben: 2018 identifizierten Astronomen einen Asteroiden, der wahrscheinlich schon vor mehr als vier Milliarden Jahren von der Schwerkraft der jungen Sonne eingefangen wurde. Dieser Brocken kreist auf einem stark elliptischen Orbit auf Höhe des Jupiter um die Sonne, bewegt sich dabei aber entgegen der Richtung der Planeten und der meisten Asteroiden.

Einzelfall oder Teil einer Population?

Unklar blieb aber bislang, ob es sich bei dem Kaepaokaawela getauften Asteroiden um einen Einzelfall handelt, oder ob es im Sonnensystem vielleicht sogar eine ganze Population dieser kosmischen „Immigranten“ gibt. Mögliche Kandidaten für solche interstellaren Dauergäste könnten einige Asteroiden der Centauren-Gruppe sein. Denn ihre jenseits des Jupiter verlaufenden Flugbahnen sind häufig gegen die Bahn der Planeten geneigt.

Merkwürdig auch: „Wenn man den Orbit eines Centauren in die Zukunft oder Vergangenheit extrapoliert, kollidiert er unweigerlich entweder mit der Sonne, den Planeten oder aber er wird aus dem Sonnensystem ausgeschleudert“, erklären Maria Morais vom Observatorium der Cote d’Azur und Fathi Namouni von der Universität Estadual Paulista in Brasilien. Diese orbitale Instabilität könnte ein Indiz dafür sein, dass diese Brocken nicht gemeinsam mit dem Rest des Sonnensystems in der Urwolke entstanden.

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Außenseiter schon am Uranfang

Ob diese Centauren solaren oder extrasolaren Ursprungs sind, haben Morais und Namouni nun mithilfe einer speziellen Simulation untersucht. Dafür unterzogen sie die Orbits von 17 Centauren und zwei transneptunischen Objekten mit einer Bahnneigung von mehr als 60 Grad gegenüber der Planetenebene einer virtuellen Zeitreise: Sie erzeugten Klone dieser Brocken und rechneten zurück, wie sich ihre Flugbahnen in den letzten 4,5 Milliarden Jahren unter Berücksichtigung planetarer und galaktischer Einflussfaktoren entwickelt hat.

Das Ergebnis: „Unsere Simulation zeigte, dass diese Objekte sich vor 4,5 Milliarden Jahren senkrecht zur Planetenebene bewegten“, berichtet Morais. Wären diese Asteroiden aber gemeinsam mit allen anderen in der Staubscheibe entstanden, wäre eine so starke Abweichung nicht möglich. Sie hätten dann genauso wie alle Planeten und anderen Asteroiden „mit dem Strom“ schwimmen müssen. Doch das war nicht der Fall, wie die Simulation ergab. Zudem müssten sich diese Objekte in einem Bereich der Urwolke gebildet haben, in dem kaum Materie kreiste.

Von der jungen Sonne eingefangen

Nach Ansicht der Astronomen spricht demnach einiges dafür, dass diese 19 Objekte nicht im Sonnensystem entstanden sind, sondern extrasolaren Ursprungs sind. Wahrscheinlich, so vermuten sie, wurden diese Brocken noch in der Geburtsumgebung unserer Sonne von ihrer Schwerkraft eingefangen. Denn sie wurde in einem dichten Cluster zusammen mit mehreren anderen Sternen geboren – und in dieser Enge kam es leicht zu Schwerkraftwechselwirkungen.

„Die Sterne waren sich damals nahe genug, um starke Gravitations-Wechselwirkungen einzugehen“, erklärt Morais. „Diese führten zu einem Austausch von Material zwischen den Systemen. Einer jüngst veröffentlichten Theorie zufolge könnten solche eingefangenen Objekte sogar die Keimzellen für die Planetenbildung in unserem Sonnensystem gewesen sein. Erst die Präsenz der interstellaren Einwanderer förderte demnach das schnelle Heranwachsen der Planeten. (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 2020; doi: 10.1093/mnras/staa712)

Quelle: Fundacao de Amparo a Pesquisa do Estado de Sao Paulo

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