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Astronomie

Sonne: Rätsel der dunklen Plasmafinger gelöst

Alltags-Effekt erklärt rätselhafte Strukturen bei solaren Ausbrüchen

Dunkle, fingerartige Strukturen in einem hellen Sonnenflare, hier in eier Modellsimulation © MPS

Rätselhafte Striemen: Seit Jahren geben dunkle „Finger“ in den hellen solaren Ausbrüchen Astronomen Rätsel auf. Denn eine physikalische Erklärung fehlte. Jetzt haben Forscher sie nachgeliefert: Verantwortlich ist im Prinzip der gleiche Effekt, der auch beim Zugeben von Milch in den Tee kurzzeitig pilzartige Aufwallungen erzeugt, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Astrophysical Journal Letters“ berichten.

Die Oberfläche der Sonne ist alles andere als ruhig. Vor allem in der Nähe von Sonnenflecken kommt es häufig zu solaren Flares: Ausbrüchen von heißem Plasma und Strahlung, die bis weit in die solare Korona und ins All hinaus reichen. Vor 15 Jahren entdeckte man in diesen Plasmaflares seltsame dunkle Strukturen, wie langgestreckte Finger. Sie sind meist nur für einige Minuten im oberen Teil der Flares sichtbar und bilden dann einen deutlichen Kontrast zu dem hellen, im ultravioletten Licht leuchtenden Plasma, in das sie eingebettet sind.

Spurensuche mit Raumsonden-Hilfe

Was diese dunklen „Kaulquappen“ im hellen Flare auslöst, blieb bisher rätselhaft. „Wir tappten bisher bei deren Deutung buchstäblich im Dunkeln, denn alle Erklärungsversuche konnten die Beobachtungen nicht befriedigend erklären“, sagt Davina Innes vom Göttinger Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen.

Die dunklen Finger im hellen Plasma der Sonnenkorona sind in dieser UV-Aufnahme des SDO-Satelliten zu erkennen.© MPI für Sonnensystemforschung

Um das Rätsel zu lösen, analysierte sie gemeinsam mit Kollegen nun gezielt Flare-Fotos der NASA-Raumsonden Solar Dynamics Observatory (SDO) und STEREO. Beide Sonden ermöglichen die Beobachtung der Sonne in mehreren Wellenlängen des ultravioletten Lichtes. Die hochauflösenden Bilder bilden noch kleine Details mit weniger als 800 Kilometern Größe ab und in hoher zeitlicher Auflösung. Sie sind daher gut geeignet, die meist kurzlebigen, rätselhaften koronalen „Kaulquappen“ zu untersuchen.

Die Rayleigh-Taylor-Instabilität ist schuld

„Es zeigte sich, dass diese Strukturen Instabilitäten sind, die beim Aufeinandertreffen verschieden dichter Plasmen entstehen“, sagt Innes. Wie diese Instabilitäten entstehen, rekonstruierte eine zweite Forschergruppe mit Hilfe von Computermodellen, die auch das Verhalten elektrisch geladener Flüssigkeiten beschreiben. Die Ergebnisse der aufwendigen Rechnungen zeigen eine markante Übereinstimmung mit den Beobachtungen.

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Überraschend dabei: Die Strukturen, die den Sonnenphysikern jahrelang Kopfzerbrechen bereiteten, lassen sich offenbar mit einer alten Bekannten erklären: „Wir konnten belegen, dass die Prozesse auf die Rayleigh-Taylor-Instabilität zurückgehen, einem fundamentalen Prozess der Strömungsphysik“, erklärt Lijia Guo vom MPI für Sonnensystemforschung. Diese Instabilität tritt etwa zwischen zwei unterschiedlich dichten Flüssigkeiten auf, wenn diese gegeneinander beschleunigt werden.

Drei zeitlich versetzte Auszüge aus der neuen Simulationsrechnung auf Basis der Magnetohydrodynamik. Die Entwicklung, der dunklen fingerartigen Strukturen, welche die Rayleigh-Taylor-Instabilität anzeigen, ist deutlich zu erkennen. © MPS

Gleicher Effekt wie in der Teetasse

Beobachten lässt sich dieser Effekt sogar in einer Teetasse: Wird etwas Milch zum Tee gegeben, bilden sich kurz sichtbare, pilzförmige Ausstülpungen an der Tee-Milch-Grenzfläche. Der Grund dafür: Die Milch ist im Vergleich zum Tee dichter und schwerer und daher wirkt die irdische Schwerkraft anders auf sie ein. An der Grenzfläche beider Flüssigkeiten kommt es dadurch zu kurzfristigen Instabilitäten.

Ähnliches tritt auch in strömenden Gasen und bei Supernovas auf. „In der Hülle explodierender Sterne zeigt sich die Rayleigh-Taylor-Instabilität ebenfalls“, erklärt Guo. „Die fingerartigen Strukturen in den Gasmassen des Krebsnebels, der bei einer Supernova-Explosion entstand, lassen sich so erklären.“ Durch ihre Beobachtungen und Modelle haben die Forscher nun auch belegt, dass der gleiche Effekt auch für die dunklen „Kaulquappen“ in der Sonnenkorona verantwortlich ist – Rätsel gelöst. (The Astrophysical Journal Letters, 2014; doi: 10.1088/2041-8205/796/2/L29)

(Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, 05.12.2014 – NPO)

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