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Astronomie

Schwarzes Loch zerreißt Riesenstern

Lichtecho und energiereiches Neutrino verraten kosmische Katastrophe

Tidal Disruption Event
An einem von dichten Staubwolken umgebenen Schwarzen Loch wurde ein Riesenstern zerrissen. Den Strahlenausbruch und sein Lichtecho im infraroten Bereich haben Astronomen nun detektiert. © DESY/ Science Communication Lab

Gleißendes Ende: Astronomen haben beobachtet, wie ein massereicher Riesenstern von einem Schwarzen Loch zerrissen wird. Von dieser kosmischen Katastrophe zeugt einer der hellsten je detektierten Strahlenausbrüche, außerdem ein verzögert auftretendes Infrarot-„Lichtecho“, das durch aufgeheizten Staub freigesetzt wurde. Zusätzlich detektierte das IceCube-Observatorium am Südpol ein besonders energiereiches Neutrino, das wahrscheinlich ebenfalls von diesem „Tidal Disruption Event“ stammt.

Wenn ein Stern einem supermassereichen Schwarzen Loch zu nahe kommt, ist sein Schicksal besiegelt: Die enorme Gravitation zerrt am Stern und löst im stellaren Material gewaltige Gezeitenkräfte aus. Weil dabei an der dem Loch zugewandten Seite stärkere Anziehungskräfte wirken als an der Rückseite, wird der Stern in einem sogenannte „Tidal Disruption Event“ (TDE) zerrissen und sein Material zu dünnen Fäden auseinandergezogen – er wird spaghettisiert.

Extremer Strahlenausbruch in einer fernen Galaxie

Einen besonders heftigen Sternentod hat nun ein Forschungsteam um Simeon Reusch vom Deutschen Elektronensynchrotron in Hamburg mitverfolgt. Das erste Signal dieses Ereignisses fing die Zwicky Transient Facility (ZTF) in Kalifornien ein, ein Observatorium, das speziell auf die Detektion von vorübergehenden kosmischen Ereignissen ausgerichtet ist. Das Teleskop detektierte am 10. August 2019 einen ungewöhnlich starken Strahlenausbruch, der im Laufe der nächsten Wochen langsam abflaute.

Wie die Astronomen ermittelten, ereignete sich der Strahlenausbruch im Herzen einer 4,4 Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie, in deren Zentrum ein Schwarzes Loch mit 35 Millionen Sonnenmassen sitzt. „Auf Basis seiner spektroskopischen und photometrischen Merkmale wurde AT2019fdr als mögliches Tidal Disruption Event klassifiziert, obwohl auch der extreme Flare eines aktiven Galaxienkerns nicht ausgeschlossen werden konnte“, berichten Reusch und sein Team.

Um Klarheit zu gewinnen, beobachteten Astronomen die Entwicklung von AT2019fdr über mehr als ein Jahr hinweg in allen Bereichen des elektromagnetischen Spektrums – von Gammastrahlen bis in den Radiobereich.

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Infrarotes Lichtecho der stellaren Katastrophe

Die Beobachtungen ergaben, dass es sich bei dem enormen Helligkeitsausbruch tatsächlich um ein Tidal Disruption Event gehandelt haben muss – das Zerreißen eines Sterns durch ein Schwarzes Loch. „Diese Gezeitenkatastrophe war möglicherweise sogar das leuchtstärkste vorübergehende kosmische Phänomen, das jemals beobachtet worden ist“, sagt Koautor Marek Kowalski vom DESY. Um die hohe Energieintensität des Ereignisses zu erklären, muss das Schwarze Loch einen besonders massereichen Riesenstern zerrissen haben.

Ein Indiz für eine solche stellare Katastrophe war auch ein gleißendes „Lichtecho“ im Infrarotbereich, den das WISE-Infrarotteleskop der NASA einige Monate nach dem Abschwächen des optischen Strahlenausbrauchs einfing. „Das Lichtecho im Infrarotbereich ist eine Schlüsselsignatur der Gezeitenkatastrophe“, erklärt Reusch. „Damit hat sich die Natur dieses aufleuchtenden Objekts verraten.“

Ursache dieser verzögerten Wärmestrahlung ist eine riesige Staubwolke im Umfeld des Schwarzen Lochs, die durch den Sternentod und die dabei freigesetzte Strahlung aufgeheizt wurde. Dadurch begann der Staub im Infrarotbereich zu strahlen. Durch geometrische Effekte erreichte dieses Lichtecho erst ein Jahr nach dem Zerreißen des Riesensterns sein Maximum.

Energiereiches Neutrino vom Sternentod

Und noch ein Bote des fernen Sternentods erreichte die Erde: Das Neutrino-Observatorium IceCube am Südpol fing rund ein Jahr nach dem ersten Strahlenausbruch ein besonders energiereiches Neutrino ein. Das IC200530A getaufte Teilchen hatte eine Energie von rund 80 Teraelektronenvolt und lag damit etwas niedriger als das erste von einem Tidal Disruption Event stammende Neutrino, das im Oktober 2019 detektiert wurde. Auch in diesem Fall traf das Neutrino erst Monate nach dem Sternentod ein.

Nach Ansicht des Astronomenteams spricht einiges dafür, dass das Neutrino IC200530A beim Ereignis AT2019fdr freigesetzt wurde. Damit hätte IceCube möglicherweise zum zweiten Mal ein Teilchen von einem zerrissenen Stern aufgefangen – ein Erfolg der noch jungen Disziplin der Neutrino-Astronomie. „Mit elektromagnetischer Strahlung schauen wir nur auf die Oberfläche eines Objekts. Neutrinos erreichen uns jedoch ungehindert aus dem Inneren“, erläutert Kowalski. (Physical Review Letters, 2022; doi: 10.1103/PhysRevLett.128.221101)

Quelle: Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY

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