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Astronomie

Schwarzes Loch in vollem Spektrum

Multifrequenzbeobachtungen von M87* liefern einzigartige Daten zum Schwerkraftgiganten

M87*
Drei der Aufnahmen des Schwarzen Lochs M87* und seines Jets in unterschiedlichen Wellenlängen des elektromagnetischen Spektrums. ©The EHT Multi-wavelength Science Working Group; the EHT Collaboration; ALMA (ESO/NAOJ/NRAO); the EVN; the EAVN Collaboration; VLBA (NRAO); the GMVA; the Hubble Space Telescope; the Neil Gehrels Swift Observatory; the Chandra X-ray Observatory; the Nuclear Spectroscopic Telescope Array; the Fermi-LAT Collaboration; the H.E.S.S collaboration; the MAGIC collaboration; the VERITAS collaboration; NASA and ESA

Einzigartiges Farbenspiel: Zum ersten Mal sind das berühmte Schwarze Loch M87* und sein Jet im gesamten elektromagnetischen Spektrum zu sehen – von Radiowellen bis hin zu Gammastrahlen. Gut 760 Astronomen und 19 Observatorien haben in der bislang größten konzertierten Aktion diese Daten akquiriert. Sie geben einzigartige Einblicke in die Merkmale des supermassereichen Schwarzen Lochs, seinen Jet und die Entstehung kosmischer Strahlung.

M87*
Dies war das erste Foto des Schwarzen Lochs M87* – es zeigt den Giganten aber nur im Radiowellenspektrum. © Event Horizon Telescope (EHT)

Das 55 Millionen Lichtjahre entfernte Schwarze Loch im Zentrum der Galaxie M87 ist wahrscheinlich das bekannteste seiner Art. Denn sein mit dem Event-Horizon-Teleskopverbund erstelltes Porträt ging im April 2019 um die Welt – es war das erste Foto eines Schwarzen Lochs. Wenig später machten die Astronomen auch weitere Details sichtbar, darunter den von Albert Einstein vorhergesagten Photonenring, die Magnetfelder am Ereignishorizont und das Wackeln des Ereignishorizonts.

Multifrequenzblick auf einen Giganten

Jetzt legt die Event-Horizon-Kollaboration nach, unterstützt von gut 760 Astronomen in 32 Ländern und von 19 Observatorien. Gemeinsam ist es ihnen erstmals gelungen, das Schwarze Loch und seinen rasenden Teilchen- und Strahlungsjet im gesamten Bereich des elektromagnetischen Spektrums abzubilden. Diese ersten Multifrequenzdaten zu einem solchen Schwerkraftgiganten liefern einen beispiellosen Einblick in die Merkmale und Mechanismen rund um dieses 6,5 Millionen Sonnenmassen schwere Schwarze Loch.

„Wir wussten, dass das erste direkte Bild eines Schwarzen Lochs bahnbrechend sein würde“, sagt Kazuhiro Hada vom National Astronomical Observatory of Japan. „Aber um das Beste aus diesem bemerkenswerten Bild herauszuholen, müssen wir alles über das Verhalten des Schwarzen Lochs zu dieser Zeit wissen, indem wir Beobachtungen über das gesamte elektromagnetische Spektrum durchführen.“ Es ist die umfangreichste simultane Beobachtungskampagne, die jemals für ein supermassereiches Schwarzes Loch mit Jets durchgeführt wurde.

„Dieser einzigartige Datensatz ist entscheidend für unser Verständnis der physikalischen Bedingungen in der unmittelbaren Umgebung eines der massereichsten Schwarzen Löcher in unserer kosmischen Nachbarschaft“, sagt Stefanie Komossa vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn.

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Was der Jet verrät

Wichtig sind diese Beobachtungen unter anderem, um die Prozesse zu entschlüsseln, durch die ein solches Schwarzes Loch seine enormen Jets aus Teilchen und Strahlung erzeugt. Sie rasen mit nahezu Lichtgeschwindigkeit ins All hinaus und transportieren Energie und Materie über riesige Entfernungen. Die Merkmale dieser das gesamten Strahlungsspektrum abdeckenden Jets sind für jedes Schwarze Loch anders und geben entscheidende Einblicke in grundlegende Eigenschaften wie Spin und Energieausfluss.

„Das Verständnis der Teilchenbeschleunigung ist zentral für unser Verständnis sowohl des EHT-Bildes als auch der Jets, in all ihren Eigenschaften“, sagt Sera Markoff von der Universität Amsterdam. „Diese Jets schaffen es, die vom Schwarzen Loch freigesetzte Energie auf Skalen zu transportieren, die größer sind als die Wirtsgalaxie. Die erhaltenen Ergebnisse werden uns helfen, die Menge der transportierten Energie zu berechnen und den Effekt, den die Jets des Schwarzen Lochs auf seine Umgebung ausüben.“

Einstein-Test und kosmische Strahlung

Die neuen Daten sollen aber auch dabei helfen, über das Schwarze Loch hinausgehende astronomische Fragen zu klären. Denn wenn man weiß, wie sich die um den Ereignishorizont kreisende Materie verhält und wie viel davon auf welche Weise als Jet ausgeschleudert wird, dann ließe sich beispielsweise auch Albert Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie besser überprüfen als bisher.

Ein weiteres Rätsel ist der Ursprung der kosmischen Strahlung: Schon länger vermuten Astronomen, dass der energiereichste Anteil dieses Bombardements von Teilchen und Strahlung aus dem All aus dem Umfeld Schwarzer Löcher kommt. Ein kosmisches Neutrino wurde beispielsweise erst kürzlich zum Todeskampf eines Sterns an einem solchen Schwerkraftgiganten zurückverfolgt. Doch wie diese Partikel auf ihre Energien beschleunigt werden und wo am Schwarzen Loch dies genau geschieht, ist bislang offen.

„Es gibt mehrere Gruppen, die jetzt auf Hochtouren arbeiten, um zu sehen, ob ihre Modelle mit diesem reichhaltigen Beobachtungsschatz übereinstimmen“, sagt Daryl Haggard von der McGill University. „Wir sind begeistert, dass die gesamte Astronomie-Gemeinschaft die Daten nutzen kann, um uns zu helfen, die engen Verbindungen zwischen Schwarzen Löchern und ihren Jets besser zu verstehen.“

Vom ersten Foto bis zu den aktuellen Multifrequenzaufnahmen des Schwarzen Lochs M87*.© Chandra X-ray Observatory

EHT nimmt jetzt „unser“ Schwarzes Loch ins Visier

Doch noch während Forschungsteams in aller Welt nun mit der Auswertung der aktuellen Daten beginnen, hat für das Event-Horizon-Teleskop schon die nächste Beobachtungsphase begonnen – und diesmal steht unser heimischer Schwerkraftgigant im Mittelpunkt. Die im Verbund zusammengeschlossenen Teleskope nehmen in dieser Woche sechs Nächte lang auch das supermassereiche Schwarze Loch in unserer Milchstraße ins Visier – Sagittarius A*.

„Mit der Veröffentlichung der Daten, kombiniert mit der Wiederaufnahme der Beobachtungen mit einem verbesserten EHT, werden uns noch viele aufregende neue Ergebnisse am Horizont erwarten“, sagt Mislav Balokovic von der Yale University. (The Astrophysical Journal, 2021; doi: 10.3847/2041-8213/abef71)

Quelle: Chandra X-ray Observatory, Max-Planck-Institut für Radioastronomie

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