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Sonnensystem

Rosetta: Daten liefern weitere Überraschungen

Zusammensetzung des Kometen ist noch komplexer als erwartet

Ein Riss im Kometen: Am Hals von 67P/Churyumov-Gerasimenko erstreckt sich ein langer Riss über etwa 500 Meter. Links oben: Ein Blick auf die Hapi-Region. Links unten: Dieses Bild zeigt den Riss in der Hapi-Region und darüber hinaus. Rechts: Der Riss erstreckt sich bis in die Anuket-Region. © ESA/Rosetta/MPS for OSIRIS Team MPS/UPD/LAM/IAA/SSO/INTA/UPM/DASP/IDA

Neues von Rosetta: Die Raumsonde liefert Astronomen aus aller Welt bahnbrechende Daten über den Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko. Dessen unterschiedliche Landschaften sind in zuvor ungeahntem Detail sichtbar und auch seine Gashülle hält Überraschungen parat. Das Fachmagazin „Science“ widmet Rosetta und den gewonnenen Erkenntnissen ein Special mit sieben Artikeln.

Die Ankunft der Raumsonde Rosetta am Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko, kurz „Chury“, und das Absetzen der Landeeinheit Philae gehören zu den wissenschaftlichen Höhepunkten des vergangenen Jahres. Für die beteiligten Forscher waren diese spektakulären Ereignisse jedoch erst der Anfang. Während Philae sich nun im Winterschlaf befindet, umkreist Rosetta den Kern des Kometen weiterhin und liefert hochinteressante Daten. In einer Spezialausgabe des Magazins „Science“ beschäftigen sich gleich sieben wissenschaftliche Artikel mit den daraus gewonnenen Erkenntnissen.

Ein Riss am Hals

Mit Rosettas zwei OSIRIS-Kameras haben die Astronomen mittlerweile enorm detaillierte Bilder von den sichtbaren Bereichen der Kometenoberfläche aufgenommen. Die entdeckten Landschaften könnten kaum unterschiedlicher sein: Glatte Gebiete wechseln sich ab mit zerklüfteten und zerfurchten oder solchen, die von einer möglicherweise meterdicken Staubschicht bedeckt sind. Insgesamt 19 unterschiedliche Regionen haben die Forscher identifiziert, die sie nach ägyptischen Gottheiten benannt haben.

Der Komet besteht aus zwei Teilen, einem „Kopf“ und einem „Körper“, was ihn ähnlich wie eine Gummiente aussehen lässt. Die OSIRIS-Daten zeigen, dass Chury besonders im „Halsbereich“ dazwischen besonders viel Gas und Staub verliert, während er sich der Sonne annähert. In diesem Bereich zieht sich auch ein rund 500 Meter langer Riss durch die Oberfläche, der den Forschern zufolge auf mechanischen Stress hindeutet. Die Wissenschaftler spekulieren nun darüber, ob der Kometenkern aus zwei zusammengestoßenen Einzelteilen besteht, oder stattdessen aus einem großen Brocken, der allerdings besonders um die Mitte herum schrumpft „wie ein Apfel, den man um das Gehäuse herum isst.“

Insgesamt 19 morphologisch unterschiedliche Regionen haben Forscher des OSIRIS-Teams auf der Oberfläche des Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko identifiziert und nach ägyptischen Gottheiten benannt. © ESA/Rosetta/MPS for OSIRIS Team MPS/UPD/LAM/IAA/SSO/INTA/UPM/DASP/IDA

Zum ersten Mal bestimmten die Wissenschaftler auch die Dichte eines Kometenkerns. Chury ist demnach überraschend porös: Seine Dichte ist vergleichbar mit der von Kork. „Wir gehen davon aus, dass der Komet aus Eis und Staub besteht, Materialien, die beide eine deutlich höhere Dichte aufweisen“, erklärt Holger Sierks vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung. „Der gemessene Wert lässt somit darauf schließen, dass der Komet eine Porosität von 70 bis 80 Prozent aufweist. Wir verstehen ihn derzeit als eine Art lockere Ansammlung von Eis- und Staub-Teilchen mit vielen, vielen Zwischenräumen.“

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Überraschend wechselhafte Gashülle

Bei dem ausströmenden Gas handelt es sich zum größten Teil um Wasser. Es gibt allerdings auch beachtliche Mengen von Kohlenmonoxid und Kohlendioxid. Die Zusammensetzung der Gashülle um den Kometen ist dabei alles andere als einheitlich und konstant: Stattdessen schwankt sie sehr stark, zur großen Überraschung der Forscher: „Als ich dieses Verhalten zum ersten Mal sah, dachte ich, irgendwas läuft falsch“, sagt Myrtha Hässig vom Southwest Research Institute in San Antonio.

Doch die Daten stimmten und deuten nun auf weitaus komplexere Zusammenhänge zwischen dem Kometen und seiner Gashülle hin als bisher angenommen. Möglicherweise spiegelt der zeitliche Wechsel eine Art Tag- und Nacht-Wechsel wider oder die Kometenoberfläche ist noch uneinheitlicher als gedacht.

Wahrscheinlich isoliert zudem eine relativ dichte Staubschicht den eisigen Kern darunter. „Das könnte erklären, warum 67P und andere Kometen, die ins innere Sonnensystem vordringen, so langlebig sind und viele Umläufe um die Sonne überstehen“, so Paul Hartogh vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen.

Dunkler Kometenkern: So sähen Erde, Mond und Chury unter denselben Lichtverhältnissen aus (Größen nicht maßstabsgetreu). © ESA/Rosetta/MPS for OSIRIS Team MPS/UPD/LAM/IAA/RSSD/INTA/

Doppelt so schwarz wie Kohle

Trotz der Fülle an Details liegt fast die Hälfte des Kometen noch immer im Dunkeln: Lediglich seine „Nordseite“ ist für Rosetta sichtbar, sein „Südpol“ zeigt von der Sonne weg. Hinzu kommt, dass Chury extrem Dunkel erscheint, er reflektiert nur rund sechs Prozent des einfallenden Lichtes. Zum Vergleich: Die Erde reflektiert 31 Prozent, der Mond immerhin zwölf Prozent. „Kometen sind praktisch doppelt so schwarz wie Kohle, mit einer dicken Staubschicht, die die Oberfläche einhüllt“, beschreibt Dennis Bodewits von der University of Maryland.

Die Aktivität des Kometen wird bei seinem Flug um die Sonne noch weiter zunehmen. Die Astronomen beobachten darum gespannt, wie Chury sich dabei entwickeln wird. Aus den bereits erhaltenen Daten und den zukünftigen Beobachtungen erhoffen sie sich Aufschlüsse darauf, wie der Komet einst entstand. Da Kometen als gut erhaltene Reste aus den Anfangszeiten des Sonnensystems gelten, könnte dies auch Hinweise auf dessen Entstehungsgeschichte liefern. (Science, 2015; Special Issue: Catching a Comet)

(Southwest Research Institute / University of Maryland / MPI für Sonnensystemforschung, 23.01.2015 – AKR)

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