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Raumfahrt

Rakete auf Mondkurs: SpaceX wars nicht

Am 4. März auf dem Mond einschlagendes Schrottteil stammt von einer chinesischen Raketenstufe

Hertzsprung-Krater
In der Nähe dieses Kraters auf der Rückseite des Mondes wird das Raketenteil am 4. März 2022 einschlagen. © Lunar and Planetary Institute/ Lunar Orbiter 5

Falsch zugeordnet: Das Raketenteil, das am 4. März auf dem Mond einschlagen wird, stammt nicht von SpaceX. Stattdessen handelt es sich um die Oberstufe einer chinesischen Trägerrakete, wie Astronomen festgestellt haben. Das Schrotteil stammt demnach von einer Langer-Marsch-Rakete, die 2014 in Vorbereitung auf die Chang’e-5-Mission gestartet wurde. Das Raketenteil wird mit gut 9.000 Kilometern pro Stunde auf der Rückseite des Mondes einschlagen und einen kleinen Krater hinterlassen.

Weltraumschrott ist bisher vor allem im niedrigen Erdorbit ein Problem – dort gefährden defekte Satelliten, ausgebrannte Raketenstufen und Trümmer von Explosionen oder Satelliten-Abschüssen immer wieder sowohl die Internationale Raumstation ISS als auch Satelliten. Doch es gibt immer wieder auch Schrottteile, die sich weiter von der Erde entfernen – beispielsweise wenn Trägerraketen Raumsonden oder Observatorien zu den Lagrangepunkten oder zum Mond befördern.

Ursprünglich einer Falcon-9-Rakete zugeordnet

Einer dieser Raketentrümmer sorgte Ende Januar 2022 für Schlagzeilen: Berechnungen des US-Astronomen Bill Gray hatten ergeben, dass das WE0913A bezeichnete Trümmerstück am 4. März gegen 13:25 Uhr mittags auf der Rückseite des Mondes einschlagen wird. Der Astronom erforscht Asteroiden, hat aber nebenbei ein Programm entwickelt, mit dem er auch die Flugbahnen von Raketenteilen und anderem Weltraumschrott jenseits des Erdorbits verfolgen und rekonstruieren kann.

Auf Basis seiner Berechnungen kam Gray ursprünglich zu dem Schluss, dass es sich bei WE0913A um die zweite Brennstufe einer Falcon-9-Rakete von SpaceX handeln müsse. Die Trägerrakete hatte 2015 das Deep Space Climate Observatory (DSCOVR) zum Lagrangepunkt L1 gebracht, einem stabilen Punkt 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt in Richtung Sonne.

„Ich hatte relativ gute Indizienbeweise für diese Identifizierung, aber nichts Beweiskräftiges – was auf diesem Gebiet nichts Ungewöhnliches ist“, schreibt Gray dazu in einem Blogbeitrag. „Denn die Identifizierung von hoch fliegendem Weltraumschrott erfordert oft einiges an Detektivarbeit. Manchmal schaffen wir es gar nicht, ein Schrotteil zuzuordnen.“ Im Rückblick jedoch, so räumt er ein, hätten ihm am Orbit von WE0913A einige Ungereimtheiten auffallen müssen.

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Überprüfung bestätigt Fehlberechnung

Am 12. Februar 2022 jedoch erhielt Gray eine E-Mail von des NASA-Ingenieurs Jon Giorgini vom Jet Propulsion Laboratory – dem NASA-Zentrum, das unter anderem die Bahn des DSCOVR-Observatoriums überwacht. Giorgini machte Gray darauf aufmerksam, dass die Route der SpaceX-Rakete samt Observatorium zu weit vom Mond entfernt lag, um die Bahn des Trümmerstücks und seinen kommenden Einschlag zu erklären.

Daraufhin überprüfte Gray noch einmal seine Berechnungen und stellte fest, dass Giorgini Recht hatte: Das Raketenteil konnte nicht von der Falcon-9 stammen. Aber woher dann? „Die Rakete, von dem es stammt, muss kurz vor März 2015 gestartet worden sein“, schreibt Gray. „Außerdem musste sie einem hohen Orbit folgen, der sie am Mond vorbeiführte.“ Da nur wenige Raketen einen solchen Kurs nehmen, wurde der Astronom schnell fündig.

Langer Marsch
Start einer chinesischen Rakete vom Typ Langer Marsch. © China News Service/ CC-by-sa 3.0

„Langer Marsch“ statt Falcon-9

Der „Übeltäter“ ist demnach die Brennstufe einer chinesischen Trägerrakete vom Typ Langer Marsch. Diese war im Rahmen der Chang’e-5 T1 Mission am 23. Oktober 2014 in China gestartet und dann einem lunaren Transfer-Orbit gefolgt, wie Gray erklärt. Diese Flugbahn ist gängig für Flüge zum Mond. Das Entscheidende daran: Jede Brennstufe, die auf dieser Flugbahn abgeworfen wird, fliegt in einem weiten Bogen um den Mond herum und kann ihn daher Jahre später wieder treffen – wie bei WE0913A der Fall.

„In gewisser Hinsicht bleibt auch dies ein Indizienbeweis“, schreibt Gray in seinem Blog. „Aber ich sehe es als ziemlich überzeugenden Beleg an. Ich bin daher überzeugt, dass das Objekt, das am 4. März auf dem Mond einschlagen wird, die Brennstufe der Chang’e-5-T1-Rakete ist.“

Wann und wo erfolgt der Einschlag?

Die Raketenstufe wird gegen 13:25 Uhr unserer Zeit mit einer Geschwindigkeit von rund 9.300 Kilometern pro Stunde auf die Rückseite des Mondes stürzen. Von der Erde aus ist dieser Einschlag daher nicht beobachtbar. Astronomen gehen aber davon aus, dass die NASA-Raumsonde Lunar Reconnaissance Orbiter und die indische Mondsonde Chandrayaan-2 von ihren Positionen im lunaren Orbit die Einschlagsstelle sehen können und zumindest Aufnahmen des Kraters machen werden.

Für den Mond wird dieser Einschlag keine schwerwiegenden Folgen haben. Das Trümmerstück wird voraussichtlich nur einen kleinen Krater erzeugen und etwas Mondstaub aufwirbeln. Planetenforschern könnte dies sogar wertvolle Informationen über die Beschaffenheit des lunaren Untergrunds liefern.

Mangelnde Überwachung könnte Mondmissionen gefährden

Nach Ansicht von Gray ist dieser Fall aber durchaus ein Weckruf. Denn wie er erklärt, gibt es bisher keine Institution oder Forschungseinrichtung, die Weltraumschrott jenseits des Erdorbits kartiert und verfolgt. „Die Verfolgung von Schrott im tiefen All war keine drängendes Problem“, erklärt der Astronom. „Aber jetzt werden sehr viel mehr Raumschiffe in diese weiten Orbits vordringen und einige davon werden Menschen zum Mond transportieren.“

Das bedeutet, dass dieser Weltraumschrott künftig auch für die Raumfahrt zu einer Gefahr werden könnte. „Diese Trümmer werden dann nicht mehr nur lästige Störungen für eine kleine Gruppe von Astronomen darstellen“, so Gray. Er hält es daher für notwendig, dass alle in diese Gefilde startenden Missionen zumindest ihre groben Bahnvektoren in einer zentralen Stelle hinterlegen und öffentlich machen. Das könnte es erleichtern, Schrottteile auf potenziell gefährlichen Bahnen schneller zu identifizieren.

Ähnlich sieht es auch der US-Astronom Jonathan McDowell. Er kommentiert Grays Korrektur auf Twitter: „Dieser ehrliche Fehler unterstreicht das Problem, den das fehlende Tracking solcher Deep-Space-Objekte bereitet.“

Quelle: projectpluto.com (Bill Gray), Earthsky

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