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Astronomie

Rätsel um „unmöglichen“ Neutronenstern

Röntgenquelle leuchtet tausendfach heller als die Theorie erlaubt

Astronomen haben einen Neutronenstern entdeckt, der tausendfach mehr Röntgenstrahlung abgibt, als es die Theorie erlaubt © Casey Reed/ Penn State University

„Unmöglich“ hell: Eine extreme Röntgenquelle in einer fernen Spiralgalaxie gibt Astronomen Rätsel auf. Denn die intensive Strahlung stammt nicht von einem Schwarzen Loch, sondern von einem sich schnell drehenden Neutronenstern. Dieser jedoch gibt tausendfach mehr Strahlung ab, als er gängiger Theorie nach dürfte. Warum er trotzdem nicht auseinander fliegt, darüber können die Forscher bisher nur spekulieren.

Sie sind wie Leuchtfeuer im Weltraum: In einigen Galaxien unserer kosmischen Nachbarschaft haben Astronomen extrem helle Röntgenquellen entdeckt. Diese sogenannten ultraluminous X-Ray Sources (ULX) strahlen heller als jedes Objekt in unserer eigenen Milchstraße. Die von ihnen als Strahlung abgegebene Energie ist so hoch, dass nur aktive Schwarze Löcher als Urheber dieser Röntgenstrahlung in Frage kommen – so dachte man jedenfalls bisher.

Extreme Leuchtkraft

Jetzt jedoch haben Gian Luca Israel vom Nationalen Astrophysikalischen Institut Italiens und seine Kollegen ein Objekt entdeckt, das dieser gängigen Lehrmeinung widerspricht – und das gleich in zweierlei Hinsicht. Es handelt sich um eine helle Röntgenquelle in der rund 50 Millionen Lichtjahre von uns entfernten Spiralgalaxie NGC 5907.

Beobachtungen mit mehreren Röntgensatelliten, darunter dem Weltraumteleskop XMM-Newton, ergaben, dass diese Röntgenquelle rund 10 hoch 40 Erg pro Sekunde an Strahlungsenergie abgibt – das ist mehr als jedes in unserer Milchstraße bekannte Objekt. Die Sonne bräuchte 3,5 Jahre, um die gleiche Strahlungsmenge abzugeben. Damit entspricht diese Röntgenquelle eigentlich einer typischen ULX.

Ein „unmöglicher“ Neutronenstern

Doch wie die Astronomen herausfanden, flackert das Signal regelmäßig im Takt von gut einer Sekunde – und das passt nicht zu einem Schwarzen Loch als Urheber. Stattdessen entspricht das Verhalten dieser Röntgenquelle einem sich schnell drehenden Neutronenstern. Dieser zieht offenbar glühende Gase so stark an, dass sich seine Rotationsperiode in nur gut zehn Jahren deutlich beschleunigt hat: von 1,43 Sekunden auf heute 1,13 Sekunden.

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Die Galaxie NGC 5907 im sichtbaren Licht gesehen und die Röntgensignatur des Neutronensterns © ESA/XMM-Newton, NASA/Chandra and SDSS

Schon dies ist sehr ungewöhnlich, wie die Forscher erklären. Noch seltsamer aber ist der enorme Strahlungsausstoß dieses Neutronensterns: Seine Leuchtkraft liegt um das Tausendfache über dem sogenannten Eddington-Limit – dem Maximum, das ein Objekt einer bestimmten Masse an Strahlung abgeben kann, ohne auseinander gerissen zu werden.

Der gängigen Theorie nach dürfte es diesen Neutronenstern daher eigentlich gar nicht geben, denn er dreht sich zu schnell und ist zu klein, um diesem Strahlungsdruck Stand zu halten.

Mehrpoliges Magnetfeld?

Wie aber ist dieser „unmögliche“ Neutronenstern dann zu erklären? „Standardmodelle der Akkretion bei Neutronensternen liefern für diese Leuchtkraft keine Erklärung, selbst wenn man annimmt, das die Strahlung gebündelt ist“, konstatieren Israel und seine Kollegen. Denn die schnelle Rotation des Neutronensterns lässt nur ein gewisses Maß an Materieanziehung zu – der Rest würde durch die Zentrifugalkraft weggeschleudert.

Möglich wird dieser „unmögliche“ Neutronenstern nur dann, wenn er ein sehr ungewöhnliches Magnetfeld besitzt, sagen die Astronomen. Er müsste statt des typischen Dipol-Magnetfelds ein ungewöhnlich starkes, mehrpoliges Feld besitzen. Nur ein solches könnte ihrer Ansicht nach genügend Kraft entfalten, um dem ungeheuren Strahlungsdruck entgegenzuwirken.

„Die Entdeckung dieses sehr ungewöhnlichen Objekts ist in jedem Fall ein neuer Rekord für das XMM-Newton-Teleskop“, sagt Norbert Schartel von der ESA. „Denn dieser Neutronenstern ist der bei weitem extremste in Bezug auf seine Entfernung, seine Leuchtkraft und seine Rotationsfrequenz. Er verändert unsere Vorstellung davon, wie solche Objekte funktionieren.“ (Science, 2017; doi: 10.1126/science.aai8635)

(AAAS / Science, 22.02.2017 – NPO)

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