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Sonnensystem

Rätsel um die Bahn von Planet 9

Astrophysiker simulieren mögliche Ursachen für den ungewöhnlichen Orbit

So könnte der neunte Planet unseres Sonnensytems aussehen - er liegt 20 Mal weiter von der Sonne entfernt als Neptun. © Caltech/ R. Hurt (IPAC)

Herausgeschleudert oder eingefangen? Der mögliche neunte Planet unseres Sonnensystems kreist auf einer extrem ungewöhnlichen Bahn. Wie er in diesen exotischen Orbit gelangt sein könnte, haben Astronomen nun untersucht. In ihren Simulationen spielten sie verschiedene Szenarien durch – von störenden Nachbarsternen, über Schubsereien unter den Gasriesen bis hin zu einem eingefangen Einzelgänger-Planeten. Ihr Fazit: Zumindest zwei Möglichkeiten sind durchaus denkbar.

Anfang dieses Jahres haben Astronomen Indizien dafür entdeckt, dass es im Sonnensystem noch einen neunten Planeten gibt – keinen Zwerg wie den Pluto, sondern einen großen Eisriesen wie der Neptun. Wenn es ihn wirklich gibt, dann kreist dieser Planet 9 allerdings auf einem stark exzentrischen Orbit, der bis zu 1.500 astronomische Einheiten weit hinausreicht.

Aber wie gelangte Planet 9 dorthin? Kreiste dieser Planet von vornherein am Rand des Sonnensystems oder wurde er weiter innen gebildet und erst durch ein katastrophales Ereignis auf seine jetzige Umlaufbahn geschleudert? „Die Daten sprechen dafür, dass Planet 9 existiert, aber wie könne bisher nicht erklären, wie er entstanden ist“, erklärt Gongjie Li vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA).

Ein eingefangener „Einzelgänger“?

Er und seine Kollegen haben diese Frage nun mit Hilfe von Computersimulationen näher untersucht. In Millionen von Durchläufen spielten sie die Evolution des Sonnensystems nach und testeten dabei mehrere mögliche Szenarien.

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Eher exotisch ist die Idee, dass Planet 9 gar nicht aus unserem System stammt, sondern einst ein planetarer Einzelgänger oder Angehöriger eines anderen Planetensystems war. Dieser könnte dann von der solaren Schwerkraft eingefangen worden sein. Doch wie die Simulationen ergaben, ist dieses Szenario eher unwahrscheinlich: Die Wahrscheinlichkeit liegt für beide Varianten bei unter zwei Prozent, wie die Forscher berichten.

Von Nachbarstern hinausgerissen?

Schon etwas wahrscheinlicher ist der umgekehrte Fall: Die Schwerkraft eines nahe vorbeiziehenden Sterns schleuderte Planet 9 aus seiner ursprünglichen Bahn in den jetzigen Orbit. Weil die Sonne gemeinsam mit mehreren anderen Sternen in einem Haufen entstand, wäre ein solcher Störeinfluss in der Frühzeit des Sonnensystems durchaus denkbar.

Allerdings funktioniert dieses Szenario nur, wenn Planet 9 schon von Anfang an sehr weit außen kreiste, so Li und seine Kollegen. Er müsste dann ungewöhnlich weit außen in der Urwolke entstanden sein. Das wäre nur dann denkbar, wenn die Akkretionsscheibe genügend Masse besaß und relativ lange erhalten blieb. Zudem wäre der Planet vom Stern eher komplett aus dem Sonnensystem gerissen worden. Die Chance, dass Planet 9 auf diese Weise in seine heutige Umlaufbahn gelangte, beziffern die Forscher nur auf maximal zehn Prozent.

Gasriese Jupiter tanzte schon zu Beginn aus der Reihe © NASA/JPL-Caltech

Planetenbilliard im Sonnensystem

Das wahrscheinlichste Szenario für Planet 9 hat ein Team um Lis Kollegen Scott Kenyon näher untersucht: Sie gehen davon aus, dass dieser Planet einst sehr viel näher an der Sonne gebildet wurde. Durch wiederholte Störungen und Wechselwirkungen mit dem jungen Jupiter und Saturn verlagerte sich die Bahn von Planet 9 dann im Laufe der Zeit immer weiter nach außen und wurde elliptischer.

„Man kann sich das vorstellen wie ein Kind auf einer Schaukel: Wenn man ihnen immer wieder und wieder einen Schubs zu richtigen Zeit gibt, dann werden sie höher und höher schwingen“, erklärt Kenyon. „Die Herausforderung ist es dann eher, dass man nicht so viel schubst, dass der Planet ganz aus dem Sonnensystem geschleudert wird.“ Das aber könnte durch die bremsende Wirkung der damals noch bestehenden Urwolke verhindert worden sein, mutmaßt der Forscher.

Der Planet selbst wird es verraten

„Das Schöne an diesen Szenarien ist, dass sie sich anhand von Beobachtungen überprüfen lassen“, sagt Kenyon. „Ein nachträglich durch Planeteneinfluss hinausgeschleuderter Gasplanet müsste wie ein kalter Neptun aussehen, während ein von vornherein im Außenbereich des Sonnensystems gebildeter eher einem riesigen Pluto ohne Gashülle gleicht.“

Noch läuft die Fahndung nach Planet 9 auf Hochtouren. Sollten Astronomen dieses so rätselhaft ferne Mitglied unserer Planetenfamilie tatsächlich aufspüren, dann wäre das nicht nur eine echte Sensation. Sein Aussehen und seine Beschaffenheit könnte uns auch ganz neue Einblicke in die Geschichte unseres Sonnensystems liefern. (Astrophysical Journal Letters, in press; arXiv:1602.08496; Astrophysical Journal, in press; arXiv:1603.0801)

(Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics, 06.05.2016 – NPO)

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