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Physik

Quantenkristall als Dunkle-Materie-Detektor

Verschränkte Ionen könnten Präsenz von Axionen oder dunklen Photonen anzeigen

Quantenkristall
Der Quantenkristall besteht aus 150 Beryllium-Ionen, deren Spins miteinander verschränkt sind. Das Ensemble könnte so selbst die Schwingungen von Dunkle-Materie-Teilchen wie Axionen oder dunklen Photonen detektieren. © Burrows/ JILA

Subtile Vibrationen: Forscher wollen die Teilchen der Dunklen Materie mit einer neuen Art von Detektor aufspüren – einem Quantenkristall. Dieser besteht aus 150 nebeneinander liegenden Beryllium-Ionen, deren Spins quantenphysikalisch miteinander verschränkt sind. Dieser zweidimensionale Quantenkristall reagiert schon auf winzigste mechanische und elektrische Schwingungen und könnte so den Effekt von Axionen, dunklen Photonen und anderen Kandidaten für Dunkle-Materie-Teilchen anzeigen.

Obwohl die Dunkle Materie unser Universum prägt, ist ihre Natur noch immer unbekannt. Keinem Instrument oder Detektor ist es bisher gelungen, die Teilchen dieser exotischen, unsichtbaren Materieform aufzuspüren. Auch über die Art der Teilchen könnten Physiker nur spekulieren. Zu den Kandidaten gehören die schweren „Weakly Interacting Massive Particles“ (WIMP), aber auch leichtere Partikel wie sterile Neutrinos, Axionen oder auch dunkle Bosonen.

Wie sucht man nach Dunkle-Materie-Teilchen?

Weil die Dunkle Materie fast nur über die Gravitation mit normaler Materie interagiert, ist ihr Nachweis schwierig. Sollten allerdings Axionen oder dunkle Bosonen dahinterstecken, eröffnet sich noch eine andere Möglichkeit: Wenn diese Teilchen durch starke elektromagnetische Felder fliegen, wandeln sich einige von ihnen in Photonen um – so die Theorie. Ihre Präsenz müsste sich dann durch Feldschwingungen im Bereich von mehreren Kilohertz bis einigen Gigahertz verraten.

Tatsächlich gibt es bereits erste Detektoren, die nach genau diesen Schwingungen suchen. Wie eine Art Radiogerät tastet beispielsweise der ADMX-Detektor die vielversprechenden Frequenzen mithilfe supraleitender Mikroresonatoren ab. Das Problem jedoch: Weil die Schwingungen so schwach und winzig sind, gehen sie leicht im Quantenrauschen unter. Einige Ansätze wie der HAYSTAC-Detektor versuchen dieses mithilfe des sogenannten „Squeezings“ zu verringern.

Verschränkte Ionen als Schwingungssensor

Doch es gibt noch eine andere Lösung: Ein Team um Kevin Gilmore vom US National Institute of Standards and Technology (NIST) hat einen weiteren Ansatz entwickelt, um potenzielle Axionen oder dunkle Bosonen nachzuweisen. Herzstück ihres Detektors ist ein Quantenkristall – ein Gebilde aus 150 verschränkten Beryllium-Ionen. In einer speziellen Vakuum-Magnetfalle ordnen sich die Ionen nebeneinander zu einer 200 Mikrometer großen Fläche an – ähnlich einer winzigen zweidimensionalen Membran.

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Mithilfe von Mikrowellen werden die Spins dieser Ionen dann alle gleichgerichtet – wie winzige Kompassnadeln zeigen die Achsen ihres Eigendrehimpulses alle in die gleiche Richtung. Weil der Spin sensibel auf elektrische Felder und deren Schwingungen reagiert, eignet sich ein solches Ensemble als Detektor. Der Clou jedoch: Anders als bei früheren Detektoren dieser Art haben die Forscher ihre Ionen miteinander verschränkt. Mithilfe von gekreuzten Laserstrahlen verkoppelten sie die Spins so, dass sie kollektiv reagieren. Der Ionenkristall wird damit zum Quantenkristall.

300-fach sensibler als frühere Ansätze

Durch diese Verschränkung wird der resultierende Quantenkristall sensibler für die möglichen Signale der Dunkle-Materie-Teilchen, ist aber weniger anfällig für das Quantenrauschen. In ersten Tests konnte der Quantenkristall noch Feldschwankungen von 240 Nanovolt pro Meter und Sekunde detektieren, wie Gilmore und sein Team berichten. Messbar war dies an der vom schwingungsbedingten Trudeln der Spins verursachten Laserstreuung.

„Das ist eine Verbesserung um den Faktor 300 gegenüber klassischen Protokollen mit gefangenen Ionen und zehnmal besser als bei Elektrometern auf der Basis von Rydberg-Atomen“, schreiben die Forscher. „Mit dieser Sensitivität könnten solche Quantenkristalle die Schwingungen dunkler Photonen und Axionen im Bereich von zehn Kilohertz bis zehn Megahertz anzeigen.“

Noch besser mit mehr Ionen

Das Physikerteam sieht dabei sogar noch Luft nach oben: Würde man die Zahl der verschränkten Ionen im Kristall auf 100.000 erhöhen, könnte der Quantenkristall sogar noch dreißigfach schwächere Signale als zurzeit detektieren, erklären Gilmore und seine Kollegen. Auch eine stabilere und länger anhaltende Verschränkung könnte solche Detektoren noch sensitiver machen.

„Wenn wir diesen Aspekt noch verbessern, dann könnte dieses Experiment eine fundamentale Methode für die Detektion der Dunklen Materie werden“, sagt Koautorin Ana Maria Rey von der University of Colorado in Boulder. „Dieses Experiment könnte es uns endlich ermöglichen, das Geheimnis der Dunklen-Materie-Teilchen zu lüften.“ (Science, 2021; doi: 10.1126/science.abi5226)

Quelle: National Institute of Standards and Technology (NIST)

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