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Astronomie

Neues Babybild des Universums

Kartierung der kosmischen Hintergrundstrahlung bestätigt Diskrepanzen

kosmische Hintergrundstrahlung
Ausschnitt aus der neuen Karte der kosmischen Hintergrundstrahlung – diese Strahlung wurde frei, als nach dem Urknall die ersten Atome entstanden. © ACT Collaboration

Blick auf das älteste Muster des Kosmos: Astronomen haben ein neues „Babybild“ des Universums aufgenommen – durch eine neue Kartierung der kosmischen Hintergrundstrahlung. Sie bestätigt, dass das Universum 13,77 Milliarden Jahre alt ist, vertieft aber auch das Rätsel um die kosmische Expansion. Denn die neue Messung kommt auf ähnliche Werte wie 2013 der Planck-Satellit – und widerspricht damit allen anderen Werten für die Hubble-Konstante.

Die kosmische Hintergrundstrahlung ist das älteste Licht des Kosmos, denn sie wurde frei, als sich rund 380.000 Jahre nach dem Urknall die ersten Atome bildeten. Durch die Expansion des Universums dehnte sich diese Strahlung bis in den Mikrowellenbereich. Ihre subtilen Schwankungen geben heute Aufschluss über frühe Dichteschwankungen und die Anteile Dunkler Materie und Dunkler Energie im Kosmos, aber auch über das Tempo der kosmischen Expansion – und damit die Hubble-Konstante.

ACT
Das Atacama Cosmology Telescope (ACT) auf dem Cero Toco in Chile. © Debra Kellner

Rätselhafte Diskrepanzen

Das Problem jedoch: Gerade bei dieser fundamentalen Größe gibt es seit Jahren unerklärliche Diskrepanzen. Aus der bisher genauesten Karte der kosmischen Hintergrundstrahlung, 2013 vom Planck-Satelliten der ESA erstellt, ergibt sich eine Hubble-Konstante von 67,4 Kilometer pro Sekunde pro Megaparsec. Doch direkte Messungen der Ausdehnungsgeschwindigkeit anhand von Supernovae, Gravitationslinsen oder veränderlichen Sternen kommen auf ein rund zehn Prozent höheres Tempo von rund 74 km/s/Mpc.

Wie aber sind diese Diskrepanzen zu erklären? Gibt es noch unerkannte Einflüsse, die im frühen Kosmos zu einer anderen Ausdehnung führten als heute? Oder waren die Planck-Daten womöglich fehlerhaft?

Uralte Muster, so klar wie nie

Jetzt liefert das Atacama Cosmology Telescope (ACT) darauf eine Antwort. Dieses Radioteleskop auf dem Cerro Toco in Chile tastet seit 2007 den Kosmos im Mikrowellenbereich ab. Jetzt haben Astronomen um Simone Aiola von der Princeton University die ACT-Daten von 2013 bis 2016 genutzt, um eine neue Karte der Hintergrundstrahlung zu erstellen – der mit 17.000 Quadratgrad größten seit Planck.

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Die neue Karte zeigt nicht nur das Muster der subtilen Temperaturschwankungen in der kosmischen Mikrowellenstrahlung, sie enthüllt auch die für kosmologischen Messungen wichtigen Polarisationsmuster mit zuvor unerreichter Auflösung. „Der Planck-Satellit hat die gleiche Strahlung gemessen, aber das neue Bild des ACT enthüllt mehr von diesen ältesten Mustern des Kosmos“, erklärt Aiolas Kollegin Suzanne Staggs.

Standardmodell und Planck-Werte bestätigt

Aus der Kartierung errechneten die Astronomen, dass das Universum 13,77 Milliarden Jahre sein muss – plus/minus 40 Millionen Jahren. Dieser Wert stimmt ziemlich genau mit dem vom kosmologischen Standardmodell vorhergesagten überein und bestätigt auch die Ergebnisse des Planck-Satelliten. „Das Standardmodell hat diesen Test mit fliegenden Fahnen überstanden“, sagt Koautor Lyman Page von der Princeton University.

Auch beim Wert für die kosmische Expansion bestätigt die ACT-Karte die Planck-Werte. Aiola und sein Team kommen auf eine Hubble-Konstante von 67,6 Kilometer pro Sekunde pro Megaparsec – sie liegt damit ähnlich niedrig wie die schon zuvor über die Hintergrundstrahlung ermittelten Werte. Das bedeutet, dass das Problem nicht an Messfehlern des Planck-Satelliten liegen kann, denn ein erdbasiertes Teleskop kommt in einer völlig unabhängigen Messung auf fast die gleichen Werte.

Die Kluft bleibt

Das aber bedeutet: Die Abweichungen bleiben bestehen und damit auch die Frage, was dies für die Ausdehnung unseres Universums bedeutet. Gibt es doch eine „neue Physik“ – einen noch unbekannten Einflussfaktor oder Prozess, der das Tempo der Expansion verändert? Einige Physiker vermuten beispielsweise, dass die Dunkle Energie weniger konstant sein könnte als bislang angenommen – das könnte auch das Tempo der Expansion schwanken lassen.

Allerdings: Auch in der neuen Karte der Hintergrundstrahlung habe die Forscher bislang keine Anzeichen für eine neue Physik jenseits des Standardmodells finden können. Das sorgt fast schon für Enttäuschung: „Es ist zwar gut zu wissen, dass unser Modell so robust ist“, sagt Aiola. „Aber es wäre doch schön gewesen, wenn wir einen Hinweis auf etwas Neues gesehen hätten.“ Das bedeutet zwar nicht, dass es keine neue Physik gebe, aber bisher zeige sie sich nicht.

Das Atacama Cosmology Telescope wird das älteste Muster des Kosmos weiter abtasten. Ob seine Daten in Zukunft vielleicht doch noch das Rätsel um die kosmische Expansion lösen können, wird sich zeigen müssen. (Journal of Cosmology and Astroparticle Physic, submitted)

Quelle: Princeton University, Stony Brook University

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