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Astronomie

Millionen Sterne aus Kristall

Astronomen finden erstmals Indizien für eine Kristallisierung alter Weißer Zwerge

Kristallstern
Wenn Weiße Zwerge genügend abgekühlt sind, kristallisiert ihr Inneres aus – sie werden zu kosmischen Kristallkugeln. © University of Warwick/Mark Garlick

Kosmische Kristallkugeln: In unserer Milchstraße könnte es Millionen von Weißen Zwergen geben, die komplett aus kristallisiertem Material bestehen. Diese Sternenreste haben sich soweit abgekühlt, dass Kohlenstoff und Sauerstoff in ihrem Inneren erstarrt sind. Belege für diesen schon länger postulierten Phasenübergang haben Astronomen nun bei der Durchmusterung von 15.000 weißen Zwergen in unserer Galaxie entdeckt, wie sie im Fachmagazin „Nature“ berichten.

Weiße Zwerge sind die Überreste von massearmen Sternen wie unserer Sonne. Wenn diese Sterne ihren Fusionsbrennstoff verbraucht haben, werden sie erst zum Roten Riesen und schleudern dann in mehreren Explosionen ihre äußere Hülle von sich. Übrig bleibt der Sternenkern, in dem Kohlenstoff- und Sauerstoffionen zu einem Plasma extrem hoher Dichte komprimiert sind. Solange die Weißen Zwerge noch jung und heiß sind, liegt dieses Plasma als eine Art Flüssigkeit vor.

Wenn der Sternenkern erstarrt

Doch das bleibt nicht so: Der Theorie nach führt die anhaltende Abkühlung der Weißen Zwerge an einem bestimmten Punkt zum Phasenübergang. Dabei kristallisieren die Kohlenstoff- und Sauerstoffionen im Sternenkern aus – das Innere der Weißen Zwerge erstarrt. Gleichzeitig wird bei diesem Phasenwechsel Kristallisationswärme abgegeben, die die Abkühlung des Weißen Zwergs vorübergehend stoppt oder zumindest stark verlangsamt.

„Schon vor 50 Jahren wurde deshalb vorhergesagt, dass wir eine Häufung von Weißen Zwergen mit bestimmten Helligkeiten und Farben beobachten müssten“, erklärt Erstautor Pier-Emmanuel Tremblay von der University of Warwick. Anders ausgedrückt: Betrachtet man die Temperaturverteilung Weißer Zwerge im nahen Kosmos, müsste es in der Kurve einen Buckel geben, der durch die Kristallisation verursacht wird. „Ein direkter Beobachtungsbeweis für diesen Effekt fehlte aber bisher“, so die Forscher.

Stau im Temperaturdiagramm

Nun jedoch haben Tremblay und sein Team erstmals bewiesen, dass es diesen Buckel gibt und Weiße Zwerge demnach tatsächlich kristallisieren. Möglich wurde dies erst durch den aktuellen Sternenkatalog des europäischen Gaia-Satelliten. Er enthält Daten zu rund 1,7 Milliarden Sternen der Milchstraße, darunter auch die Helligkeits- und Entfernungsdaten von zehntausenden Weißen Zwergen. Für ihre Studie analysierten die Forscher 15.000 dieser Sternenkerne und erstellten daraus erstmals ein umfassendes Massen-Temperatur-Diagramm.

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Und tatsächlich: In diesem sogenannten Hertzsprung-Russell-Diagramm war ein auffälliger „Stau“ von Weißen Zwergen zu erkennen. Viele Sternenüberreste schienen in einem bestimmten, je nach ihrer Masse unterschiedlichen Temperaturbereich zu verharren. „Dieser masseabhängige Stau im Diagramm resultiert daraus, dass die Weißen Zwerge durch die Abgabe ihrer latenten Wärme bei der Kristallisation mehr Zeit in dieser Phase verbringen“, erklären die Astronomen. Bei einigen dieser Sternenreste wird der weitere Abkühlungsprozess dadurch um bis zu zwei Milliarden Jahre verzögert.

Millionen kosmische Kristallkugeln

„Das ist der erste direkte Beweis, dass Weiße Zwerge kristallisieren und damit vom flüssigen in den festen Zustand übergehen“, sagt Tremblay. „Das bedeutet auch, dass Millionen von Weißen Zwergen in unserer Galaxie diesen Prozess schon abgeschlossen haben und zu Kristallkugeln geworden sind.“ Tatsächlich haben Astronomen schon vor einigen Jahren einen Weißen Zwerg entdeckt, der aus Diamant zu bestehen scheint – kristallisiertem Kohlenstoff.

Auch unsere Sonne könnte in rund zehn Milliarden Jahren zu einer solchen Kristallkugel aus Kohlenstoff und Sauerstoff werden. Wie die Astronomen mithilfe eines Modells ermittelten, wird dabei zuerst der Sauerstoff kristallisieren und in den Kern des Weißen Zwergs sinken. Der leichtere Kohlenstoff sammelt sich dagegen im Außenbereich des Sternenkerns. (Nature, 2019; doi: 10.1038/s41586-018-0791-x)

Quelle: University of Warwick

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