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Astronomie

Milchstraßen-Gas ist klumpiger als gedacht

Elemente im interstellaren Medium sind überraschend inhomogen verteilt

Milchstraße
Von außen strömt ständig frisches Wasserstoffgas (magenta) in die Milchstraße ein. Aber offenbar mischt es sich schlechter mit dem interstellaren Medium als bislang angenommen. Der Ausschnitt zeigt die solare Umgebung. © Mark A. Garlick

Widerspruch zur Theorie: Das interstellare Gas der Milchstraße ist weniger homogen und durchmischt als es theoretische Modelle vorhersagen. Spektralmessungen enthüllen stattdessen, dass der Metallgehalt im Gas zwischen den Sternen um den Faktor zehn schwankt, wie Astronomen im Fachmagazin „Nature“ berichten. Insgesamt liegt der Anteil schwererer Elemente fast um die Hälfte niedriger als in Sonnennähe – auch das widerspricht gängigen Annahmen.

Unserer Heimatgalaxie besteht nicht nur aus Sternen, Planeten und anderen Himmelskörpern, sondern auch aus großen Mengen an Staub und Gas. Dieses interstellare Medium besteht aus drei Komponenten: dem aus dem intergalaktischen Raum einströmenden Wasserstoff, den durch Supernovae mit schwereren Elementen angereicherten Gaswolken und dem Staub, der aus der Kondensation der in diesem Gas vorhandenen Elemente entsteht.

Bisher gingen Modelle davon aus, dass sich alle drei Komponenten des interstellaren Mediums durch die Rotation und die Strömungen innerhalb der Milchstraße miteinander vermischen. Zwar kommen lokale, vorübergehende Abweichungen durch frische Gaseinströme und Supernovae vor, aber auf lange Sicht sollte der Gasanteil der Milchstraße überall relativ ähnlich zusammengesetzt sein – so die Theorie.

UV-Spektren geben Einblick ins interstellaren Medium

Doch dem widersprechen nun Messdaten eines Astronomenteams um Annalisa De Cia von der Universität Genf. Für ihre Studie hatten sie 25 verschiedene Sterne mit dem Hubble-Weltraumteleskop und dem Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte in Chile anvisiert. Aus den Absorptionslinien im ultravioletten Spektrum des Sternenlichts ermittelten sie, welche Elemente im interstellaren Medium zwischen den Sternen und dem Sonnensystem vorhanden sind.

„Wenn wir einen Stern beobachten, absorbieren die Metalle, die sich im Gas zwischen dem Stern und uns befinden, einen kleinen Anteil des Lichts in spezifischen Frequenzen“, erklärt Koautor Patrick Petitjean von der Sorbonne Universität in Paris. „Das erlaubt es uns nicht nur, ihre Präsenz zu detektieren, sondern auch zu bestimmen, welches Element es ist und wie häufig es ist.“

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Weil der ebenfalls im interstellaren Medium vorhandene Staub die Messungen verfälschen kann, nutzten die Astronomen die relativen Anteile der verschiedenen Metalle, um die Werte so zu korrigieren, dass dessen Einfluss berücksichtigt wird.

Metallärmer und inhomogener als gedacht

Das Ergebnis: Die Elementverteilung im interstellaren Medium ist offenbar weit weniger homogen als es die theoretischen Modelle vorhersagen. „Das bemerkenswerteste Ergebnis ist, dass sich die größten Schwankungen in unseren Sichtlinien um mehr als eine Größenordnung unterscheiden“, berichten De Cia und ihr Team. „Zwei Drittel unserer Stichproben zeigen zudem subsolare Metallizitäten.“

Demnach entspricht der Anteil schwerer Elemente – zumindest in den gemessenen Abschnitten des interstellaren Mediums – nicht dem in der solaren Umgebung, sondern liegt im Schnitt bei 55,7 Prozent des solaren Werts, wie die Astronomen ermittelt haben. Zudem stellten sie deutliche lokale Unterschiede fest, bei denen einige Bereiche eher metallreich waren, andere dagegen nur eine Metallizität von 17 Prozent des solaren Werts aufwiesen.

Interessant dabei: Auch im galaktischen Halo der Milchstraße haben Astronomen kürzlich überraschend große Inhomogenitäten und einen geringeren Metallgehalt festgestellt. Auch dies entsprach nicht dem, was die theoretischen Modelle vorgesagt hatten.

Folgen für die gängigen Modelle

Nach Ansicht der Astronomen deuten diese Resultate darauf hin, dass die Mischungsprozesse in der Milchstraße noch nicht vollständig verstanden sind. Vor allem das frisch von außen einströmende Gas mischt sich offenbar weniger schnell und gründlich mit dem interstellaren Medium als es die Theorie besagt. Dadurch könnten „Klumpen“ von ursprünglichem, metallarmem Gas in der Milchstraße nicht nur länger erhalten bleiben, sie könnten in unserer Galaxie sogar durchaus häufig vorkommen, wie De Cia und ihre Kollegen erklären.

„Diese Entdeckung spielt eine Schlüsselrolle für die Entwicklung theoretischer Modelle zur Bildung und Entwicklung von Galaxien“, sagt Koautor Jens-Kristian Krogager von der Universität Genf. „Von jetzt an müssen wir in unseren Simulationen die Auflösung erhöhen, um auch diese lokalen Veränderungen der Metallizität an verschiedenen Orten der Milchstraße erfassen zu können.“ (Nature, 2021; doi: 10.1038/s41586-021-03780-0)

Quelle: Université de Genève

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