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Sonnensystem

Merkur-Kern: Ist die Sonne schuld?

Solares Magnetfeld könnte für übergroßen Kern des innersten Planeten verantwortlich sein

Merkur
Merkur hat den im Verhältnis größten Kern aller Planeten des Sonnensystems – aber warum? © NASA/ JHUAPL/ Carnegie Institution

Magnetfeld statt Kollision: Bisher galt eine frühe Kollision als Ursache für den übergroßen Kern des Planeten Merkur. Doch jetzt postulieren Forscher ein ganz anderes Szenario. Demnach verursachte das Magnetfeld der Sonne eine Anreicherung eisenreichen Staubs in den sonnennahen Bereichen der Urwolke. Der dort gebildete Merkur nahm daher mehr Eisen auf und sein Metallkern wurde größer. Bei den anderen Planeten Venus, Erde und Mars sank der Eisengehalt proportional zu ihrem Sonnenabstand.

Der Merkur ist in gleich mehrerer Hinsicht ein Sonderling: Seine Kruste ist ungewöhnlich dünn und Verwerfungen zeugen davon, dass der Planet bis heute schrumpft. Zudem rotiert er schneller als erwartet und besitzt den im Verhältnis größten Kern des Sonnensystems: Sein primär aus Eisen bestehender Kern nimmt fast 85 Prozent seines Volumens ein und stellt drei Viertel seiner Masse. Bisher galt eine Kollision des jungen Merkur mit einem anderen Protoplaneten als wahrscheinlichster Grund für diesen übergroßen Kern.

Auffallender Gradient

Doch jetzt gibt es eine konkurrierende Theorie: Statt einer Kollision könnte der Magneteinfluss der Sonne für den großen Merkurkern verantwortlich sein, wie William McDonough von der University of Maryland und Takashi Yoshizaki von der Tohoku Universität in Japan postulieren. Ausgangspunkt dafür war die Beobachtung, dass der Merkur mit seinem hohen Eisengehalt und großen Kern zwar scheinbar aus der Reihe tanzt. Betrachtet man aber alle vier inneren Planeten des Sonnensystems, gibt es durchaus einen Zusammenhang.

Dichte
Dichte von Himmelskörpern im Sonnensystem in Abhängigkeit von ihrer Entfernung zur Sonne. © McDonough und Yoshizaki Progress in Earth and Planetary Science, CC-by-sa 3.0

„Die vier inneren Planeten – Merkur, Venus, Erde und Mars – sind aus unterschiedlichen Anteilen von Gestein und Metall aufgebaut“, erklärt McDonough. „Je weiter man sich von der Sonne entfernt, desto stärker nimmt auch ihr Metallgehalt ab.“ So macht der Kern bei Merkur drei Viertel seiner Masse aus, bei der Venus und Erde sind es ungefähr ein Drittel und beim Mars nur noch ein Viertel.

Proportional zum solaren Magnetfeld

Diese Beobachtung weckte bei den Forschern die Frage, ob hinter diesem Gradienten vielleicht ein System steckt – ein Einflussfaktor, der schon auf die in der Urwolke kreisenden Rohmaterialien für die Planeten einwirkte. Mithilfe eines geophysikalischen Modells rekonstruierten die Forscher die Bedingungen in der Urwolke und suchten nach einem gemeinsamen Nenner für den beobachteten Gradienten.

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Es zeigte sich: Die Zusammensetzung und Dichte der Planeten und Asteroiden folgt tatsächlich einer Kurve, die von der Sonnennähe bis in den Asteroidengürtel nachvollziehbar ist. Und der Verlauf dieses Gradienten ist eng mit einem zentralen Einflussfaktor verknüpft: der mit wachsendem Sonnenabstand abnehmenden Stärke des solaren Magnetfelds in der Urwolke. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Verteilung der Rohmaterialien im frühen Sonnensystem durch das Magnetfeld der Sonne kontrolliert wurde“, so die Forscher.

Vom Urwolken-Staub zum Planetenkern

Was aber bedeutet dies für Merkur und die anderen Planeten? Dem Modell nach sorgte das solare Magnetfeld dafür, dass sich eisenreiche Staubpartikel bevorzugt im Innenbereich der protoplanetaren Scheibe anreicherten. Dadurch nahmen der in diesem Bereich aus dem Staub heranwachsende Merkur mehr Eisen und Nickel auf als die weiter außen gebildeten Planeten Venus, Erde und Mars. Als dann die jungen Planeten ihre Kerne bildeten, weil schwerere Metalle ins Zentrum absanken, sorgte der Metallüberschuss bei Merkur für die Entstehung eines besonders großen Kerns.

Nach Ansicht der beiden Wissenschaftler erklärt dieses Szenario nicht nur den übergroßen Kern des Merkur, ohne dass dafür eine katastrophale Kollision nötig wäre. Auch die Metallgehalte und Dichten der anderen drei terrestrischen Planeten und vieler Asteroiden sind durch den Magneteinfluss der Sonne auf die Urwolke erklärbar.

Relevant auch für Exoplaneten

Sollte sich dieses Erklärungsmodell bestätigen, dann könnte dies auch für Planeten um andere Sterne relevant sein. „Man kann dann nicht mehr einfach sagen: Dieser Stern hat diese Zusammensetzung also müssten die Exoplaneten in seinem Orbit so aufgebaut sein“, sagt McDonough. „Stattdessen muss man nun berücksichtigen, dass der Eisengehalt der Exoplaneten vom Magnetfeld ihres Sterns in ihrer Frühzeit abhängt.“

Umgekehrt könnten Exoplaneten aber auch dazu beitragen, das Modell der beiden Forscher zu überprüfen und zu bestätigen. Denn hat es Gültigkeit, dann müsste sich auch bei Gesteinsplaneten um andere Sterne ein ähnlicher Gradient des Eisengehalts finden lassen. (Progress in Earth and Planetary Science, 2021; doi: 10.1186/s40645-021-00429-4)

Quelle: University of Maryland

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