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Astronomie

Massenkarambolage Schwarzer Löcher

Aktive Galaxienkerne könnten stellare Schwarze Löcher reihenweise zur Verschmelzung bringen

Schwarze Löcher
Die gigantischen Schwarzen Löcher in Galaxienkernen könnten kleinere Schwarze Löcher einfangen und zur Kollision bringen. © Johan Samsing/ Niels Bohr Institute

Kosmisches Billardspiel: Die turbulente Plasmascheibe im Herzen aktiver Galaxien könnte eine Schlüsselrolle für die Verschmelzung stellarer Schwarzer Löcher spielen – und einige ungewöhnliche Kollisionen erklären. Denn das rasende Plasma reißt diese Sternenreste mit sich und kann ganze Serien-Karambolagen Schwarzer Löcher hervorrufen, wie Astronomen in „Nature“ berichten. Das könnte ungewöhnlich massereiche und exzentrische Verschmelzungen erklären.

Spätestens seit dem ersten Nachweis von Gravitationswellen ist klar, dass stellare Schwarze Löcher miteinander verschmelzen können. Gängiger Theorie nach passiert dies vor allem dann, wenn in engen Doppelsternsystemen beide Partner das Ende ihres Lebenszyklus erreicht haben und zum Schwarzen Loch kollabiert sind. Ihre gegenseitige Anziehungskraft bringt die beiden Partner dann auf einen spiraligen Kollisionskurs, der sie schließlich verschmelzen lässt.

Schon die Ausgangsobjekte sind eigentlich zu schwer für „normale“ stellare Schwarze Löcher – wie könnten sie entstanden sein? © LIGO-/ Virgo-Collaboration

Kollision passt nicht zur Theorie

Das Problem jedoch: Inzwischen haben die Observatorien LIGO und Virgo schon mehrere solcher Verschmelzungen detektiert, die nicht ins gängige Schema passen. Darunter auch das 2019 detektierte Ereignis GW190521. „Dieses Ereignis ist eine der bislang überraschendsten Entdeckungen“, sagt Koautor Imre Bartos von der University of Florida. Zum einen waren die beiden beteiligten Schwarzen Löcher weit massereicher als sie es sein dürften.

Zum anderen passte auch ihr Orbit nicht ins gängige Bild: „Die Massen und Spins dieser Schwarzen Löcher waren schon unerwartet, aber noch überraschender war, dass sie sich auf dem Weg zu ihrer Verschmelzung nicht in einem kreisförmigen Orbit umkreisten“, erklärt Bartos. Stattdessen waren die Bahnen beider Partner exzentrisch, wie nähere Analysen erst kürzlich ergaben. Ungewöhnlich ist dies deshalb, weil die starke gegenseitige Anziehungskraft solcher Objekte normalerweise auch ihren Orbit einebnet.

War der Ort des Geschehens entscheidend?

Ausgehend von diesen Beobachtungen haben Bartos, Erstautor Johan Samsing von der Universität Kopenhagen und ihre Kollegen sich das Ereignis GW190521 und seine Begleitumstände noch einmal genauer angeschaut. Dabei fiel ihnen auf: „GW190521 gehört zu den ersten bekannten Gravitationswellen-Quellen, die in der Akkretionsscheibe eines aktiven Galaxienkerns (AGN) zu liegen scheinen“, berichten die Astronomen.

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Die Kollision dieser Schwarzen Löcher fand demnach nicht isoliert irgendwo im Weltall statt, sondern in der rotierenden Plasmascheibe um das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum einer Galaxie. Schon länger vermuten Astronomen, dass solche AGN-Scheiben nicht nur Gas, Staub und vom Schwarzen Loch eingefangene Sterne enthalten können, sondern auch stellare Schwarze Löcher. Was dabei mit diesen passiert, haben Samsing und sein Team nun mithilfe astrophysikalischer Modelle rekonstruiert.

„Wie in einem gigantischen Billardspiel“

Die Simulationen enthüllten, dass die turbulente Umgebung der Plasmascheibe die stellaren Schwarzen Löcher nicht nur mitreißt, sondern sie auch auseinanderreißen oder einander nahebringen kann. „In dieser Umgebung sind Geschwindigkeit und Dichte so hoch, dass kleine Schwarze Löcher darin wie in einem gigantischen Billardspiel umhergeschleudert werden“, erklärt Koautor Bence Kocsis von der University of Oxford.

Verschärfend kommt hinzu, dass die Scheibe den vertikalen Bewegungsspielraum der Schwarzen Löcher einengt, wie das Modell ergab. Im Prinzip bewegen sie sich dadurch fast nur in zwei Dimensionen in der Scheibe umher. Das wiederum erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sich solche Schwarzen Löcher zu Paaren zusammenfinden. „Diese können mit einem dritten Schwarzen Loch wechselwirken“, sagt Koautor Hiromichi Tagawa von der Tohoku Universität in Japan. „Dann führt dann zu einem chaotischen Tango aus drei umherfliegenden Schwarzen Löchern.“

Für Serien-Karambolagen prädestiniert

Nähere Analysen ergaben, dass solche Interaktionen die Wahrscheinlichkeit einer Kollision zweier Schwarzer Löcher oder sogar für Serien-Karambolagen erhöhen. Letzteres würde erklären, warum bei GW190521 und einigen anderen Verschmelzungen ungewöhnlich massereiche Schwarze Löcher beteiligt waren: Sie sind aus früheren Kollisionen in der Plasmascheibe hervorgegangen. „Das passt alles sehr gut zu zum Gravitationswellenereignis von 2019“, sagt Samsing.

Ebenfalls gut erklären lässt sich damit auch die Existenz von Paaren Schwarzer Löcher mit gekippten und exzentrischen Bahnen: „Überraschenderweise haben wir festgestellt, dass die Wahrscheinlichkeit einer solchen exzentrischen Verschmelzung unter diesen Bedingungen um das 100-Fache ansteigt“, berichtet Samsing. „Das bedeutet, dass rund die Hälfte aller Verschmelzungen von Schwarzen Löchern in einer solchen AGN-Scheibe exzentrisch sein könnte.“

Die Astronomen hoffen, dass die Observatorien künftig noch weitere Gravitationswellen-Signale aus den Plasmascheiben aktiver Galaxienkerne einfangen. Das könnte dazu beitragen, die Bedingungen und Prozesse in diesen exotischen und extremen Umgebungen näher zu erforschen und auch herauszufinden, wie es stellaren Schwarzen Löchern dort ergeht. (Nature, 2022; doi: 10.1038/s41586-021-04333-1)

Quelle: University of Copenhagen

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