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Astronomie

Magnetische Weiße Zwerge geben Rätsel auf

Astronomen finden Hinweise auf den Ursprung des Magnetfelds bei einigen Sternenresten

Weißer Zwerg
Nach neuen Erkenntnissen entwickelt rund ein Viertel der Weißen Zwerge irgendwann ein starkes Magnetfeld – aber warum? © ESO/L. Calcada

Mysteriöses Phänomen: Rund ein Viertel aller bekannten Weißen Zwerge hat offenbar ein Magnetfeld, wie neue Beobachtungen nahelegen. Aber warum? Eine mögliche Antwort darauf könnten die Astronomen gefunden haben. Demnach sind vor allem die Weißen Zwerge magnetisch, die kühler, älter und massereicher sind. Das könnte darauf hindeuten, dass diese Sternenreste ihr Magnetfeld erst allmählich ausbilden, möglicherweise weil ein Teil ihres Inneren auskristallisiert.

90 Prozent aller Sterne – und auch unsere Sonne – enden als Weißer Zwerg. Diese entstehen, wenn sich der sterbende Stern erst zum Roten Riesen aufbläht und dann seine Hüllen ausschleudert. Übrig bleibt ein kleiner, aber dichter Sternenrest. Er besteht größtenteils aus Kohlenstoff und Sauerstoff und kühlt im Laufe der Zeit immer weiter ab. Im Extremfall kann er sogar komplett auskristallisieren.

Geerbt, verschmolzen oder allmählich erworben?

Merkwürdig jedoch: Während viele Weiße Zwerge nicht magnetisch sind, gibt es einige dieser Sternenreste, deren Magnetfeld sogar extreme Werte erreicht: Die Magnetfeldstärke kann bei mehreren Millionen Gauß liegen – das ist millionenfach stärker als das Magnetfeld der Sonne. Wie die Weißen Zwerge dieses Magnetfeld erzeugen und warum nur einige von ihnen magnetisch sind, ist bislang ungeklärt.

Astronomen diskutieren dazu drei Hypothesen: Zum einen könnte der Weiße Zwerg sein Magnetfeld von seinem Vorgängerstern geerbt haben. Als dieser dann vom Roten Riesen zum Sternenrest schrumpfte, wurde dieses Feld konzentriert und verstärkt. Einer zweiten Hypothese zufolge entstehen die magnetischen Weißen Zwerge durch die Verschmelzung zweier Vorgänger. Denkbar wäre aber auch ein drittes Szenario, bei dem der Weiße Zwerg sein Magnetfeld erst allmählich entwickelt, beispielsweise im Zuge seiner Abkühlung.

Bestandaufnahme im kosmischen Umfeld

Aber welches Szenario trifft zu? Weil bisherige Beobachtungsdaten zu lückenhaft und uneindeutig sind, um klare Zusammenhänge aufzuzeigen, blieb diese Frage offen. Deshalb haben nun Stefano Bagnulo und John Landstreet vom Armargh Observatory in Nordirland eine systematische Bestandsaufname aller Weißen Zwerge im Umkreis von 65 Lichtjahren um die Sonne durchgeführt. Aus Daten früherer Studien und eigenen Beobachtungen ermittelten sie für alle identifizierten Zwerge Temperatur, Masse und Metallgehalt sowie das Vorhandensein eines Magnetfelds.

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Die Auswertung ergab, dass es 152 Weiße Zwerge in unserer näheren kosmischen Nachbarschaft gibt. „Unter diesen lässt sich für 33 dieser Sterne die Präsenz eines Magnetfelds eindeutig nachweisen“, berichten die Astronomen. Rechnet man dies hoch, könnte demnach etwa jeder vierte Weiße Zwerg magnetisch sein. „Das demonstriert, dass Magnetismus bei Weißen Zwergen kein extrem seltenes oder exotisches Phänomen ist“, so Bagnulo und Landstreet.

Masse und Alter spielen eine Rolle

Auffällig auch: Massereichere Weiße Zwerge haben häufiger ein Magnetfeld als masseärmere. „In unserem lokalen Untersuchungsgebiet sind Magnetfelder zudem bei älteren Weißen Zwergen signifikant häufiger als bei jüngeren“, berichten Bagnulo und Landstreet. Die wenigen magnetischen „Jungspunde“, die jünger als 500 Millionen Jahre sind, haben zudem im Schnitt ein deutlich schwächeres Magnetfeld. Insgesamt reichte die Spanne der Magnetfeld-Intensitäten von 40.000 bis zu 300 Millionen Gauß.

„Bemerkenswert und überraschend ist dabei, dass wir keine Felder mit weniger als 40 Kilogauß gefunden haben“, schreibt das Team. Denn Modelle legen nahe, dass sich die Spannbreite der Feldstärken auch unterhalb dieses Werts fortsetzen müsste. Ob dies an den Beobachtungen liegt oder ob es wirklich keine Weißen Zwerge mit schwächerem Magnetfeld gibt, lasse sich erst durch Untersuchungen an einer größeren Stichprobe Weißer Zwerge feststellen, erklären die Astronomen.

Dritte Hypothese am wahrscheinlichsten

Was aber verraten diese Daten über den Ursprung der Magnetfelder bei den Sternenresten? Zumindest die Verschmelzungs-Hypothese erscheint anhand der aktuellen Ergebnisse eher unwahrscheinlich, wie die Astronomen erklären. Denn diese Verschmelzungen kommen nicht häufig genug vor, um den hohen Anteil von einem Viertel magnetisierter Zwerge zu erzeugen. Auch die sehr breite Verteilung der Feldstärken spreche gegen den Ursprung in kataklysmischen Doppelsternen.

Ebenfalls schwer mit den Beobachtungsdaten zu vereinbaren sei die Hypothese eines „geerbten“ Magnetfelds. „Der Mangel an jungen Weißen Zwergen mit Magnetfeld deutet eher daraufhin, dass diese Felder erst während der Entwicklung des Weißen Zwergs produziert werden oder zutage treten“, schreiben Bagnulo und Landstreet. Sie halten daher die dritte Hypothese für wahrscheinlich: einen physikalischen Prozess im Inneren der Sternenreste, der die Magnetfelder erst im Laufe der Zeit entstehen lässt.

Dynamo durch Kristallisation?

Nach Ansicht der Astronomen könnte die Abkühlung der Weißen Zwerge demnach eine entscheidende Rolle für ihre Magnetisierung spielen. Bekannt ist bereits, dass Kohlenstoff und Sauerstoff im Kern der Weißen Zwerge bei Abkühlen auskristallisieren können. Dabei sinken die kühlen, festen Komponenten ins Zentrum ab und wärmeres, noch flüssiges Plasma steigt auf, so dass Konvektionsströmungen entstehen.

„Unter der Voraussetzung, dass der Weiße Zwerg schnell rotiert, kann dadurch ein Dynamo-Effekt einsetzen – ähnlich dem, der bei Erde, Jupiter und Roten Zwergen die Magnetfelder erzeugt“, erklären die Forscher. Dazu würde passen, dass massereichere Weiße Zwerge früher magnetisch zu werden scheinen als ihre leichteren Altersgenossen: Modelle legen nahe, dass ihr Inneres schneller auskristallisiert. Der Dynamo könnte demnach bei diesen Sternenresten etwas früher in Gang kommen.

Merkwürdig ist allerdings, dass nicht alle magnetischen Weißen Zwerge schnell rotieren und dass solche Dynamos nach gängigen Modellen nur Feldstärken von bis zu 100.000 Gauß erzeugen können. Hier seien noch weitere theoretische und praktische Untersuchungen nötig, so die Forscher. (Monthly Notices oft he Royal Astronomical Society, accepted; ArXiv 2106.11109)

Quelle: Isaac Newton Group of Telescopes (ING)

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