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Astronomie

„Lonely Planets“ im Weltall entdeckt

Astronomen entdecken zehn Vertreter einer neuen Klasse von „sternlosen“ Exoplaneten

Exoplanet - jetzt auch ohne Zentralstern 8Illustration) © gemeinfrei

Alle Planeten kreisen um einen Stern – so dachte man jedenfalls bisher. Doch das stimmt nicht, wie ein Astronomenteam jetzt in „Nature“ berichtet: Sie entdeckten gleich zehn Exoplaneten von der Größe des Jupiters, die ungebunden und damit quasi „sternlos“ durch das All fliegen. Diese vermutlich durch Kollisionen aus ihren Ursprungssystemen katapultierten Einzelgänger könnten die ersten Vertreter einer ganzen Klasse von Planeten sein. Möglicherweise, so schätzen die Astronomen, sind sie sogar genauso häufig wie ihre in Systemen gebundenen Artgenossen.

Mehr als 500 extrasolare Planeten haben Astronomen in den letzten gut 15 Jahren entdeckt, die meisten von ihnen kreisen in engeren oder weiteren Umlaufbahnen um ihre Sterne. Viele dieser Planeten verrieten ihre Existenz durch ein winziges Taumeln des Zentralsterns, andere schluckten dessen Licht, während sie vor ihm vorüberwanderten. Eine weitere Methode, Sterne und Planeten im All aufzuspüren ist das so genannte Microlensing. Dabei nutzen die Forscher aus, dass die Schwerkraft des gesuchten Himmelskörpers das Licht weit dahinter liegender Lichtquellen verzerrt wie eine Linse.

Dieser schon von Albert Einstein vorhergesagt und beobachtete Effekt wird jedoch nur dann sichtbar, wenn Teleskop, Linsenobjekt und Lichtquelle genau auf einer Linie liegen. Da sich Planeten jedoch ständig bewegen, ist diese Methode für die Planetensuche eine echte Herausforderung. Ein internationales Forscherteam um Takahiro Sumi von der Osaka Universität in Toyonaka hat diese Herausforderung angenommen. Im Rahmen der „Microlensing Observations in Astrophysics” (MOA) genannten Durchmusterung des Milchstraßenzentrums suchten sie mit dem 1,8-Meter Teleskop des Mount John Observatorium in Neuseeland gezielt nach gravitationsbedingten Mikrolinsen.

Survey findet zehn Planeten ohne Stern

Dabei stießen sie auf zehn Exoplaneten von etwa der Masse des Gasriesen Jupiter, die extrem weit von umliegenden Sternen entfernt lagen. Im Durchschnitt trennten mehr als zehn Astronomische Einheiten die jeweiligen Planeten vom nächstgelegenen Stern – dies entspricht dem Zehnfachen der Entfernung zwischen Erde und Sonne. Bei näherer Analyse aber zeigte sich, dass diese Planeten offenbar gar nicht um einen Stern kreisten, sondern frei und ungebunden im All flotierten.

Da der Nachweis ungebundener Planeten extrem schwierig ist, bestätigt diese Entdeckung nicht nur, dass sie existieren, sie könnte auch darauf hindeuten, dass solche freien Planeten ziemlich häufig sind. Die Astronomen um Sumi schätzen, dass es möglicherweise sogar rund doppelt so viele freie Planeten der Jupitermasse gibt, wie Sterne. Damit wären sie nicht die Ausnahme, sondern im Gegenteil mindestens so verbreitet wie die „normalen“, um einen Zentralstern kreisen Planeten.

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Prinzip des Gravitational Microlensing: ie Schwerkraft eines Vordergrundobjekts "biegt" das Licht eines Hintergrundobjekts und erzeugt so einen Linseneffekt. © NASA/STScI

Ganz neue Klasse von Planeten?

„Die Implikationen dieser Entdeckung sind weitreichend“, kommentiert der deutsche Astronom Joachim Wambsganss vom Zentrum für Astronomie in Heidelberg in einem begleitenden News&Views-Artikel. „Wir haben hier einen ersten Blick auf eine neue Population von Objekten der Planetenmasse in unserer Galaxie geworfen. Jetzt müssen wir ihre Eigenschaften, Verteilung und Geschichte erkunden.“ Eine Chance dazu könnte das von der NASA geplante „Wide-Field Infrared Survey Telescope (WFIRST) bieten, das speziell zur Suche nach Exoplaneten mit Hilfe der Gravitationslinsen-Methode ausgerüstet sei wird.

Durch Kollisionen aus Planetensystem herausgeschleudert

Wie aber könnten solche freien Planeten entstehen? Theoretisch gibt es dafür zwei Möglichkeiten: Entweder bilden sie sich durch den Kollaps einer Gaswolke und die Kondensation von Materie – ähnlich wie die Sterne auch. Oder aber sie entstehen erst mal ganz normal in einem Planetensystem, durch allmähliche Anreicherung von Gas, Gestein oder Eis. Nach Meinung des Astronomenteams ist die zweite Möglichkeit die wahrscheinlichere: „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Planetensysteme oft instabil werden“, erklärt der amerikanische Astronom David Bennett von der Universität von Notre Dame. „Dabei werden Planeten durch Kollisionen mit anderen Planeten aus ihren Entstehungs-Positionen weggeschleudert. Wenn sich diese ungebundenen Planeten aber wie Sterne bilden würden, dann hätten wir erwartet, maximal einen oder zwei davon in unserem Survey zu finden und nicht zehn.“

Viele erdähnliche unter den ungebundenen Planeten?

Der Prozess des Herauskatapultierens aus einem Planetensystem müsste Planeten mit geringeren Massen – also beispielsweise auch erdähnliche Planeten – häufiger treffen als sehr massereiche. Denn sie haben bei einer Kollision mit einem größeren Objekt „das Nachsehen“. Das aber bedeutet, dass es gerade unter den ungebundenen Planeten viele „Supererden“ oder zweite „Erden“ geben könnte. Diese allerdings sind wegen ihrer geringeren Masse noch schwerer nachzuweisen als die jetzt entdeckten „Exo-Jupiters“.

Die Astronomen weisen darauf hin, dass sie nicht komplett ausschließen können, dass nicht doch einige der von ihnen entdeckten zehn ungebundenen Planeten in sehr weiten Umlaufbahnen um Sterne kreisen, aber die Messungen und auch bisherigen Erfahrungen sprechen dagegen. Denn die Statistik der bisherigen Funde zeigt, dass Planeten von der Masse des Jupiter in sehr großer Entfernung von Sternen eher selten sind. (Nature, 2011; doi:10.1038/nature10092)

(University of Notre Dame / Nature, 19.05.2011 – NPO)

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