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Astronomie

„Lebendes Fossil“ der Milchstraße entdeckt

Sternhaufen Terzan 5 entpuppt sich als einzigartiges Relikt aus der Frühzeit unserer Galaxie

Der ungewöhnliche Sternhaufen Terzan 5 in einer Aufnahme des Hubble-Weltraumteleskops © ESO/ F. Ferraro

Kosmisches Urzeit-Relikt: Astronomen haben ein einzigartiges Relikt aus der Frühzeit unserer Milchstraße entdeckt. Denn im 19.000 Lichtjahre entfernten Sternhaufen Terzan 5 finden sich zwölf Milliarden Jahre alte Sterne neben deutlich jüngeren. Das deutet darauf hin, dass Gasklumpen aus der Anfangszeit unserer Galaxie in diesem Sternhaufen länger überdauert haben als sonst. Der Sternhaufen ist damit ein einzigartiges „lebendes Fossil“ der Milchstraße.

Bislang galt Terzan 5 als ganz normaler Kugelsternhaufen. Er gehört damit zu den kosmischen Gebilden, in denen anfangs in einem großen Wachstumsschub viele Sterne auf einmal entstehen. In der Regel sind die Sterne in solchen Haufen etwa gleich alt. Allerdings gibt es dabei auch Ausnahmen: In den Außenbezirken der Milchstraße haben Astronomen inzwischen Kugelsternhaufen entdeckt, die zwei oder mehrere Sternengeburts-Phasen durchaufen.

Woher jedoch das Gas für solche nachträglichen Wachstumsschübe kam, blieb bisher rätselhaft. Forscher spekulierten, dass ein „Gas-Diebstahl“ aus umliegenden Bereichen den nötigen Sternenrohstoff geliefert haben könnte. Jetzt jedoch zeigt sich, dass das Gas – zumindest in einigen Fällen – auch aus einer ganz anderen Quelle stammen könnte.

Methusalems und junge Hüpfer

Entdeckt haben dies Francesco Ferraro von der Universität Bologna und seine Kollegen, als sie den Sternhaufen Terzan 5 näher untersuchten. Mit Hilfe des Very Large Telescope der ESO in Chile und dem Hubble-Weltraumteleskop analysierten sie das Lichtspektrum der Sterne in Terzan 5, um mehr über ihr Alter und ihre Zusammensetzung herauszufinden.

Das überraschende Ergebnis: In diesen Sternhaufen gibt es zwei extrem unterschiedlich alte Sternenpopulationen. Rund 900 Sterne sind bereits zwölf Milliarden Jahre alt und gehören damit zu den Methusalems der Milchstraße. Weitere 670 Sterne aber sind eher junge Hüpfer: Sie entstanden erst vor rund vier Milliarden Jahren, wie die Astronomen berichten. So unterschiedliche Sternenpopulationen wurden bisher in keinem anderen Sternhaufen gefunden.

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Überraschenderweise gibt es in Terzan 5 zwei sehr unterschiedlich alte Sternenpopulationen © ESO/ F. Ferraro

Gasvorrat im Zentrum

Die Beobachtungen enthüllten, dass die jüngere Sternengeneration im Zentrum des Sternhaufens liegt, die ältere dagegen in dessen Außenbereich. Aus dieser Verteilung schließen die Astronomen, dass Terzan 5 nach der ersten Phase der Sternengeburt eine lange Pause einlegte. Übriggebliebenes Gas sammelte sich dabei im Zentrum und löste dann vor vier Milliarden Jahren einen erneuten Wachstumsschub aus.

„Damit das möglich ist, muss der Vorfahre von Terzan 5 große Mengen Gas für eine zweite Generation an Sternen besessen haben“, sagt Koautor Davide Massari von der Universität Groningen. „Er muss mindestens 100 Millionen Mal massereicher als die Sonne gewesen sein.“ Solche enormen Gasvorräte gab es in der Milchstraße jedoch fast nur in ihrer Anfangszeit.

„Lebendes“ Fossil“

Die Forscher vermuten deshalb, dass Terzan 5 aus einem der großen Gasklumpen entstand, aus denen in der Frühzeit der Milchstraße ihr zentraler Bulge gebildet wurde – der dichte Zentralbereich der Galaxie. „Wir gehen davon aus, dass einige Überreste dieser gasförmigen Klumpen vergleichsweise unbeschadet überleben konnten und eingebettet in der Milchstraße weiterexistieren“, erklärt Ferraro.

Als ein solches „lebendes Fossil“ hat sich nun Terzan 5 entpuppt. Während die meisten anderen urzeitlichen Gasklumpen schon früh zerrissen wurden, schaffte es Terzan 5 offenbar, länger zu überdauern. „Solche galaktischen Fossile ermöglichen es Astronomen, einen bedeutenden Teil der Geschichte der Milchstraße zu rekonstruieren.“, sagt Ferraro.

Terzan 5 schließt damit eine Lücke im Verständnis zwischen der Vergangenheit unserer Galaxie und ihrer Gegenwart – aber auch zwischen nahen und sehr fernen Galaxien. „Terzan 5 repräsentiert möglicherweise eine interessante Verbindung zwischen dem nahen und dem fernen Universum, da es den Entstehungsprozess des Galaxienbulges miterlebt hat“, so Ferraro. (The Astrophysical Journal, in press)

(ESO, 08.09.2016 – NPO)

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