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Astronomie

Längstes kosmisches Gasfilament entdeckt

Brücke aus heißem Gas ist 50 Millionen Lichtjahre lang - mindestens

Gasfilament
Nur im Röntgenlicht ist dieses hauchdünne, aber 50 Millionen Lichtjahre lange Gasfilament zwischen zwei Galaxienhaufen zu erkennen. © Reiprich et al./ Astronomy & Astrophysics

Subtiles Leuchten: Astronomen haben das längste bekannte kosmische Gasfilament entdeckt. Diese unsichtbare Brücke aus Gas verbindet zwei ferne Galaxienhaufen und ist 50 Millionen Lichtjahre lang – mindestens. Dieser Fund bestätigt, dass es solche Filamente gibt und dass sich in ihnen ein der Teil „fehlenden“ Materie des Kosmos verbergen könnte. Aufgespürt wurde das Gasfilament mit den Röntgensensoren des eROSITA-Weltraumteleskops.

Die normale Materie – auch als Baryonen bezeichnet – macht nur rund fünf Prozent des gesamten Kosmos aus. Doch selbst diese fünf Prozent haben wir bislang nicht vollständig kartiert oder aufgespürt. Denn Galaxien, Sterne und Gaswolken machen nur rund 60 Prozent der nach dem Urknall entstandenen Baryonen aus. Wo sich das restliche Drittel versteckt, blieb lange rätselhaft.

Erst in jüngster Zeit mehren sich die Indizien dafür, dass sich die fehlenden Baryonen in kosmischen Gasfilamenten verbergen könnten – unvorstellbar großen, fädigen Strukturen aus heißem Gas, die Galaxien und Galaxienhaufen umgeben und miteinander verbinden. „Berechnungen zufolge befindet sich in diesen Filamenten mehr als die Hälfte der gesamten baryonischen Materie unseres Universums“, erklärt Thomas Reiprich von der Universität Bonn.

„Heiße Fäden“ blieben bislang unsichtbar

Das Problem jedoch: Durch die Expansion des Kosmos ist das Gas in diesen Filamenten extrem verdünnt – sie enthalten teils weniger als zehn Teilchen pro Kubikmeter. Damit ist dieser Raum leerer als das Vakuum, das die besten irdischen Vakuumkammern erzeugen können. Dennoch ist es Astronomen gelungen, den kühleren Teil dieser Gasfilamente durch ihre subtilen Spektralsignaturen im Licht von fernen Quasaren aufzuspüren.

Der heißere Teil dieser Gasfilamente blieb damit aber unsichtbar – obwohl sie schwache, weiche Röntgenstrahlung aussenden. „Das liegt auch daran, dass es kaum Instrumente gab, deren Auflösung im Bereich dieser Röntgenstrahlung hoch genug ist und die gleichzeitig große Gebiete abdecken können“, erklären Reiprich und sein Team. Inzwischen aber gibt es ein solches Instrument: Seit Herbst 2019 durchmustert das Weltraumteleskop eROSITA den Himmel nach heißen Röntgenquellen.

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50 Millionen Lichtjahre lang

Dank dieses Teleskops wurden die Astronomen nun fündig: Bei der Untersuchung des fernen, aus drei Galaxienhaufen bestehenden Clusters Abell 3391/95 enthüllten die Aufnahmen von eROSITA hauchdünne, im Röntgenlicht schwach glimmende Fäden zwischen den Haufen. Deren Form und Strahlungssignatur entspricht ziemlich genau dem, was Modelle für die heißen Gasfilamente voraussagen, wie die Forscher erklären.

„Damit haben wir spannende Indizien für warme, primordiale Gasfilamente entdeckt, die die Galaxienhaufen miteinander verbinden“, so die Astronomen. Eines dieser Filamente ist wahrscheinlich rund 50 Millionen Lichtjahre lang, möglicherweise sogar noch länger. Denn in den Aufnahmen ist vermutlich nur ein Teil dieser Gasbrücke zu erkennen.

Bestätigung des kosmologischen Standardmodells

Dieses kosmische Filament ist damit nicht nur das längste bislang beobachtete. Es bestätigt auch, dass ein Teil der im frühen Kosmos vorhandenen Materie mit der Ausdehnung des Kosmos zu solchen dünnen Gasfäden ausgezogen wurde. In diesen heißen Filamenten könnte sich demnach tatsächlich die fehlende Materie verbergen.

„Wir haben unsere Beobachtungen mit den Ergebnissen einer Simulation verglichen, die die Entwicklung des Universums nachstellt“, erklärt Reiprich. „Die eROSITA-Bilder ähneln den computergenerierten Grafiken frappierend. Das spricht dafür, dass das weithin akzeptierte Standardmodell zur Entwicklung des Universums korrekt ist.“ (Astronomy & Astrophysics, 2020; doi: 10.1051/0004-6361/202039590)

Quelle: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

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