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Astronomie

Kurios: Astronomen datieren antikes Gedicht

Hinweise in einem Gedicht der Lyrikerin Sappho belegen, in welcher Jahreszeit sie es geschrieben hat

Die Plejaden sind ein markanter Hingucker am Nachthimmel © NASA/ ESA

Nicht nur Fragen des Kosmos – auch Lyrik kann zum Forschungsfeld von Astronomen gehören: In diesem Fall stand ein Gedicht der geheimnisvollen antiken Lyrikern Sappho im Fokus von Forschern. Sappho erwähnt darin den Untergang des Sternhaufens der Plejaden um Mitternacht über der griechischen Insel Lesbos. Ein Computerprogramm hat aus den Informationen des Gedichts rekonstruiert, wann Sappho die Zeilen niederschrieb. Demnach beschreibt die Lyrikerin wahrscheinlich den Nachthimmel vom 25. Januar des Jahres 570 vor Christus.

Sappho muss eine faszinierende Frau gewesen sein – über das Leben der großen Lyrikerin des klassischen Altertums ist allerdings wenig bekannt. Überlieferungen zufolge entstammte sie einem Adelsgeschlecht der Stadt Mytilini auf der Ägäis-Insel Lesbos. Sie verbrachte einige Zeit ihres Lebens in Sizilien, kehrte dann aber um das 591 v. Chr. nach Lesbos zurück. Dort soll sie junge Mädchen vornehmer Herkunft um sich versammelt haben, die sie in musischen Fertigkeiten unterrichtete.

In ihrem Werk, von dem Schätzungen zufolge nur etwa sieben Hundertstel erhalten sind, besingt sie unter anderem die Schönheit von Frauen. Darin liegt der Ursprung für die Bezeichnung „lesbische“ oder „sapphische“ Liebe für weibliche Homosexualität. Doch für die Forscher um Manfred Cuntz von der University of Texas at Arlington stand ein ganz anderer Aspekt ihres Werkes im Mittelpunkt: Der Sternenhimmel, der für Sappho offenbar eine große Bedeutung hatte.

Plejaden am Sternenhimmel

Unter anderem wird dies in ihrem sogenannten „Mitternachts-Gedicht“ deutlich, das um das Jahr 570 v. Chr. entstanden sein soll. In dem erhaltenen Fragment heißt es: „Untergegangen ist zwar der Mond und die Siebensterne. Nachtmitte schon und vorbei geht die Stunde. Ich aber schlafe alleine“. Den Wissenschaftlern zufolge beschreibt die Lyrikerin mit diesen Worten, dass die Plejaden von ihrer Heimat Lesbos aus betrachtet etwa um Mitternacht am Horizont verschwunden waren.

Diese Informationen gaben sie in eine astronomische Software namens „Starry Night“ ein. Sie kann rekonstruieren, wie der Sternenhimmel zu bestimmten Zeiten im Jahr und in einem gewissen geschichtlichen Rahmen ausgesehen hat – und zwar von einem speziellen Aussichtsplatz aus betrachtet. Im Umkehrverfahren ist somit auch eine Datierung einer Beschreibung eines Sternenhimmels möglich.

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Wann wurde Sappho zu ihrem Gedicht inspiriert?

Im Fall der Informationen, die aus dem Mitternachts-Gedicht hervorgehen, ergab das Computerprogramm: Im Jahr 570 v. Chr. gingen die Plejaden am 25. Januar um Mitternacht am Horizont unter. Im weiteren Verlauf des Jahres verschwanden sie hingegen bereits früher in der Nacht. Dies stellt somit das früheste mögliche Datum für die Beobachtung dar.

Die Forscher betonen aber, dass es sich bei der Bezeichnung Mitternacht in dem Gedicht möglicherweise nur um eine vage Zeitangabe gehandelt haben könnte. Denn in der Antike gab es noch keine präzisen mechanischen Uhren. Somit sei der 25. Januar nur ein ungefährer Anhaltspunkt.

Beitrag zur frühen griechischen Astronomie

Definitiv nicht mehr sichtbar waren die Plejaden am Nachthimmel über Lesbos ab dem 31. März 570 v. Chr., zeigt das Computerprogramm. „Wir können das Gedicht somit zumindest in die Zeit der Mitte des Winters bis zum frühen Frühjahr einordnen“, so Cuntz.

Der Astronom betont die herausragende Stellung der antiken Lyrikerin: „Sappho hat einen informellen Beitrag zur frühen griechischen Astronomie sowie zur griechischen Gesellschaft insgesamt geleistet“, findet Cuntz. „Kaum andere antike Dichter kommentierten astronomische Beobachtungen so klar wie sie es tat.“ (Journal of Astronomical History and Heritage, 2016; Studie)

(University of Texas Arlington, 17.05.2016 – DAL)

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