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Astronomie

Kosmos strahlt nicht überall gleich

HESS: Gamma-Strahlung im Zentrum der Milchstrasse intensiver als in der Nähe der Erde

Die Region um das galaktische Zentrum, aufgenommen mit H.E.S.S. Oben: Bild im Licht der Gamma-Strahlen von der Region um das Galaktische Zentrum. Zwei Quellen dominieren: HESS J1745-290, eine mysteriöse Quelle genau im Zentrum der Galaxie und im Abstand von etwa einem Grad der Supernovaüberrest G0.9+0.1. Unten: Bild der gleichen Region, jedoch nach Subtraktion der beiden starken Quellen, wodurch Emission mit einer viel schwächeren Intensität sichtbar wird. Die Farbskala ist entsprechend angepasst. Die ausgedehnte Emission von Gamma-Strahlung entlang der Galaktischen Ebene ist deutlich erkennbar, ebenso wie eine weitere mysteriöse Quelle: HESS J1745-303. Die gestrichelte Linie zeigt die Galaktische Ebene an, die weißen Ringe die Position der subtrahierten Quellen über H.E.S.S. © H.E.S.S.-Kooperation

Sehr intensive Gamma-Strahlung aus der Richtung von riesigen Gaswolken im Zentrum unserer Galaxie haben jetzt Astrophysiker des internationalen H.E.S.S.-Projektes nachgewiesen. Derartige Strahlung wird vermutlich bei der Kollision von kosmischer Strahlung mit interstellaren Gaswolken frei.

Aufgrund der hohen Empfindlichkeit der vier gekoppelten Spiegel-Teleskope von H.E.S.S. (High Energy Stereoscopic System) in Namibia konnten die Forscher zeigen, dass die kosmische Strahlung im Zentrum der Milchstraße nicht nur eine höhere Energie, sondern auch eine höhere Dichte hat als in unserem Sonnensystem. Eine mögliche Erklärung für dieses Phänomen, so die Forscher in der neuesten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature, könnte sowohl eine frühere Supernova-Explosion als auch eine massive Teilchenbeschleunigung durch das supermassive Schwarze Loch im Zentrum unserer Galaxie sein.

Die gigantischen Gaswolken bestehen aus Wasserstoff und haben eine Masse, die etwa 50 Millionen mal so groß ist wie die unserer Sonne.

Bombardement mit kosmischer Strahlung

Gamma-Strahlung ist elektromagnetische Strahlung, wie auch sichtbares Licht oder Röntgenstrahlung, jedoch mit einer viel höheren Energie. Die H.E.S.S.-Teleskope weisen sehr hochenergetische Gamma-Strahlung mit Energien von bis zu tausend Milliarden Elektronenvolt (Teraelektronenvolt, TeV) nach. Diese Strahlen sind sehr selten: Selbst von einer relativ starken Quelle trifft nur etwa ein Photon pro Monat und Quadratmeter auf die Erdatmosphäre.

Kosmische Strahlen wiederum sind hochenergetische Teilchen, welche den Weltraum durchdringen. Sie bombardieren beständig die Erdatmosphäre aus allen Richtungen und haben weit höhere Energien als man sie mit erdgebundenen Teilchenbeschleunigern erreichen kann. Seit ihrer Entdeckung durch Victor Hess im Jahre 1912 und trotz eines Jahrhunderts intensiver Forschung ist ihr Ursprung noch immer nicht vollständig geklärt. Eines der ersten wichtigen Ergebnisse des H.E.S.S.-Experimentes war die Identifizierung von Schockwellen einer Supernova-Explosion als Ort intensiver Teilchenbeschleunigung.

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Eine wichtige Frage für das Verständnis des Ursprungs und der Natur der kosmischen Strahlung ist deren räumliche Verteilung. Ist die kosmische Strahlung in unserer gesamten Galaxie gleichmäßig verteilt oder variiert deren Dichte und Energiespektrum innerhalb der Galaxie, zum Beispiel in der Nähe eines kosmischen Teilchenbeschleunigers? Direkte Messungen der kosmischen Strahlung sind nur innerhalb unseres Sonnensystems möglich, welches sich in etwa 25.000 Lichtjahren Entfernung vom Galaktischen Zentrum befindet. Ein Trick erlaubt es jedoch den Astrophysikern die kosmische Strahlung auch an anderen Orten in der Galaxie zu untersuchen, durch die Beobachtung von Gamma-Strahlung, welche bei der Kollision von kosmischer Strahlung mit den Molekülwolken des interstellaren Gases entsteht.

Ein „Zoo“ mit exotischen kosmischen Objekten

Der innere Teil unserer Galaxie ist ein komplexer ‚Zoo‘ mit Beispielen aus allen Klassen von exotischen kosmischen Objekten, die Astronomen kennen. Er enthält unter anderem ein supermassives Schwarzes Loch, Überreste von Supernova-Explosionen und gigantische Wolken aus Wasserstoffgas. Gelingt es nun, Gamma-Strahlung von diesen Gaswolken nachzuweisen, so ermöglicht dies den Wissenschaftlern, die Dichte und das Energiespektrum der kosmischen Strahlung am Ort der Wolken abzuleiten.

Bei relativ niedrigen Energien von etwa 100 Millionen Elektronenvolt wurde diese Technik vom EGRET-Satellitenexperiment genutzt, um die kosmische Strahlung in unserer Galaxie abzubilden. Bei sehr hohen Energien – der wahren Domäne der kosmischen Beschleuniger – war bisher noch kein Instrument empfindlich genug, um das Leuchten der interstellaren Gaswolken im Licht der Gamma-Strahlung zu „sehen“. Mit den H.E.S.S.-Teleskopen konnte dieses Leuchten nun zum ersten Mal nachgewiesen werden.

Jim Hinton, einer der an der Entdeckung beteiligten Wissenschaftler, folgert: „Dieser Nachweis ist ein erster wichtiger Schritt. Wir werden natürlich weiterhin unsere Teleskope auf das Galaktische Zentrum ausrichten, um den genauen Ort dieses Beschleunigers zu identifizieren. Ich bin mir sicher, dass weitere aufregende Entdeckungen vor uns liegen.“

Galaktisches Zentrum im Visier

Die H.E.S.S.-Daten zeigen zur Überraschung der Forscher, dass die Dichte der kosmischen Strahlung im Zentrum unserer Galaxie um einen signifikanten Faktor größer ist als in unserem Sonnensystem. Außerdem ist der Unterschied umso größer, je höher die Energie der Strahlung ist. Diese beiden Beobachtungen lassen darauf schließen, dass sich in der Nähe der Gaswolken ein „junger“ Beschleuniger der kosmischen Strahlung befindet, der vor etwa 10.000 Jahren aktiv war. Mögliche Kandidaten für diesen Beschleuniger sind eine gigantische Sternexplosion nahe dem Galaktischen Zentrum oder das supermassive Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße.

(MPG, 09.02.2006 – DLO)

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