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Wissenschaft

James-Webb-Teleskop ist Durchbruch des Jahres

Fachmagazin "Science" kürt das neue Weltraumteleskop zur wichtigsten Errungenschaft 2022

HIghlight des jahres
Das James-Webb-Weltraumteleskop ist der Durchbruch des Jahrs 2022. © Adriana Manrique Gutierrez/ NASA

Superauge im All: Das Fachmagazin „Science“ hat das James-Webb-Teleskop zum „Breakthrough“ des Jahres 2022 gekürt. Das Weltraumteleskop ist das größte und komplexeste je ins All gebrachte Wissenschaftsinstrument – und es hat eine neue Ära der Astronomie eingeleitet. Ebenfalls unter den Top-Ten-Errungenschaften des Jahres sind das größte Bakterium der Welt, die älteste DNA, neue KI-Systeme, die DART-Mission der NASA, Impfstoff-Kandidaten gegen das RS-Virus und mehrjähriger Reis.

Jedes Jahr kurz vor Weihnachten kürt das Fachmagazin „Science“ die zehn wichtigsten Entdeckungen, Erfindungen und Erkenntnisse des Jahres – und lässt so das wissenschaftliche Jahr noch einmal Revue passieren. Dabei wird eine Errungenschaft als Durchbruch des Jahres besonders herausgehoben. Im Jahr 2021 war das Highlight die Entschlüsselung des Proteincodes durch künstliche Intelligenzen, 2020 die Entwicklung der Corona-Impfstoffe.

Säulen der Schöpfung
JWST-Aufnahme der berühmten Säulen der Schöpfung im mittleren Infrarot. © NASA/ESA/CSA, STScI, Joseph DePasquale (STScI), Alyssa Pagan (STScI)

„Superauge“ der Astronomie als Jahres-Highlight

In diesem Jahr ist der „Breakthrough“ des Jahres das James-Webb-Weltraumteleskop (JWST). Mit seinem 6,50 Meter großen Hauptspiegel, einem tennisplatzgroßen Sonnensegel und den scharfen Infrarotoptiken ist das JWST das größte, komplizierteste und teuerste Instrument, das die Menschheit jemals in den Weltraum gebracht hat. Planung und Konstruktion dieses „Superauges“ dauerte 20 Jahre und kostete zehn Milliarden US-Dollar, gleichzeitig war es eine der riskantesten Weltraummissionen, die die NASA je unternommen hat.

Denn nach dem Start des Teleskops am 25. Dezember 2021 mussten Segel, Spiegel und Haltekonstruktionen in einer komplexen Abfolge von mehr als 300 Schritten entfaltet und ausgeklappt werden – wäre nur ein einziger davon schiefgegangen, hätte das Teleskop unbrauchbar werden können. Doch es gelang: Nach Ankunft an seinem Arbeitsort, dem 1,5 Millionen Kilometer von uns entfernten Lagrangepunkt 2, und mehreren Monaten des Kalibrierens, nahm das James-Webb-Teleskop am 21. Juni 2022 seinen wissenschaftlichen Betrieb auf.

Schon die ersten Aufnahmen des neuen Teleskops waren eine Sensation: Das JWST lieferte mit seinem ersten „Deep Field“ den tiefsten und schärfsten je gesehenen Blick ins ferne, frühe Universum, außerdem neue Anblicke ferner Sternenwiegen, Galaxiencluster und Spektralanalysen von den Gashüllen extrasolarer Planeten. Im Laufe der folgenden Monate ermöglichte das Teleskop die Entdeckung und spektrale Charakterisierung der bisher ältesten Galaxien unseres Kosmos, wies erstmals Kohlendioxid und andere Elemente und Moleküle in der Atmosphäre von Exoplaneten nach und zeigte auch Planeten unseres Sonnensystems wie den Neptun in neuem Licht.

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Die „Science“-Highlights des Jahres 2022.© Science

DART-Mission und kreative KI

Ebenfalls im Weltraum ereignete sich ein weiteres Highlight des Jahres 2022: Am 26. September 2022 testete die NASA mit der DART-Mission erstmals die Ablenkung eines Asteroiden. Eine kühlschrankgroße Raumsonde flog dafür zum Asteroiden Didymos und dessen Mond Dimorphos und rammte den 160 Meter großen Asteroidenmond, um ihn leicht aus seiner Bahn zu lenken – mit Erfolg. Sollte in Zukunft ein Asteroid auf Erdkurs entdeckt werden, wäre ein solcher kinetischer Deflektor die wahrscheinlich beste Chance, die Erde vor einem Einschlag zu bewahren.

„Irdisches“ Hightech sind dagegen mehrere Fortschritte in der künstlichen Intelligenz, die „Science“-Editoren ebenfalls zu den Top Ten des Jahres 2022 zählen. Denn die neuen KI-Systeme demonstrieren, dass solche Maschinenhirne inzwischen auch kognitiv-kreative Leistungen erbringen, die man ihnen zuvor nicht zugetraut hätte. Dazu gehört DALL-E 2, ein Text-zu-Bild-Wandler, der aus Textbeschreibungen passende Grafiken erzeugt. Außerdem KI-Systeme wie AlphaTensor, die mathematische Problemlösungen und sogar neue Theoreme entwickeln können. Ebenfalls darunter ist AlphaCode, eine KI, die sich erstmals sogar mit menschlichen Programmierern messen kann.

Verlorenen Welt
Diese üppige Lebenswelt existierte vor zwei Millionen Jahren in Nordgrönland – einer heute kargen polaren Wüstenregion. © Beth Zaiken/bethzaiken.com

Verlorene Welt und das genetische Erbe der Pest

Zwei weitere Highlights des Jahres umfassen DNA-gestützte Einblicke in die Vergangenheit: Im Norden Grönlands enthüllte zwei Millionen Jahre alte Umwelt-DNA aus dem Permafrost erstmals die üppige Organismenvielfalt einer „verlorenen Welt“ des hohen Nordens. Gleichzeitig förderten diese Analysen das älteste je geborgene und sequenzierte Erbgut zutage. Im Oktober 2022 wiesen Forschende nach, dass der Selektionsdruck der mittelalterlichen Pest bis heute in unserem Genom nachwirkt.

Ebenfalls unter den Top Ten ist die Entdeckung von Thiomargarita magnifica, der mit Abstand größten Mikrobe der Welt. Dieses im Mangrovenschlamm von Guadeloupe aufgespürte Bakterium bildet bis zu zwei Zentimeter lange fadenartige Zellen. Es ist damit das einzige Bakterium, das mit bloßem Auge sichtbar ist. Rekordverdächtig ist auch die enorm große Zahl von Genen und Genomkopien: In einem Zellfädchen können mehr als 730.000 DNA-Kopien vorliegen.

RSV-Impfstoffe, MS und mehrjähriger Reis

Auch in der Medizin haben die „Science“-Editoren einige Highlights gekürt. Darunter sind erste vielversprechende klinische Tests von Impfstoffen gegen das Respiratorische Syncytial-Virus (RSV) – das Atemwegs-Virus, an dem zurzeit besonders viele Kleinkinder und Kinder erkranken. Ein weiterer Durchbruch ist der Nachweis, dass das Epstein-Barr-Virus wahrscheinlich entscheidend an der Multiplen-Sklerose beteiligt ist. Das eröffnet neue Chancen, die mit fortschreitenden Lähmungen verknüpfte Erkrankung zu heilen oder ihr vorzubeugen.

Zu den Top Ten des Jahres zählen außerdem die Entwicklung einer mehrjährigen Reissorte, die nicht mehr jedes Jahr neu gepflanzt werden muss. Dies erspart harte Arbeit auf den Reisfeldern und erhöht die Erträge. Im Klimaschutz hat sich in den USA etwas bewegt: Das neue Klimapaket der Biden-Regierung will 39 Milliarden US-Dollar in erneuerbare Energien und die Elektromobilität investieren.

Niederlagen des Jahres: Zero-Covid und Ukrainekrieg

Als „Breakdowns“ des Jahres 2022 sieht „Science“ zum einen die Zero-Covid-Politik Chinas: Zwar funktionierten die strikten Lockdowns und Isolationen zu Beginn der Corona-Pandemie gut und verhalfen China zu einer schnellen wirtschaftlichen Erholung. Im Zuge der ansteckenderen Omikron-Variante und den wirksamen Impfstoffen erweist sich diese Politik nun aber als gefährliche Sackgasse. Denn die Anti-Corona-Maßnahmen behindern die chinesische Wirtschaft und die geringe Durchseuchung und noch zu niedrige Quote der Booster-Impfungen erschwert nun die Öffnung.

Das folgenreichste Ereignis des Jahres 2022 ist jedoch der Angriff Russlands auf die Ukraine: Der Ukrainekrieg hat nicht nur die weitgehende Zerstörung der ukrainischen Infrastruktur und den Tod von tausenden Menschen verursacht, auch weltweit sind die Folgen spürbar. Die Auswirkungen reichen von der Energiekrise und Inflation über Versorgungsengpässe mit Getreide und anderen Nahrungsmitteln in vielen ärmeren Ländern bis zu Rückschlägen auch in der Wissenschaft und Raumfahrt.

Quelle: Science

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