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Astronomie

Handychips für einen besseren Blick ins All

Teleskop-Spektrometer mit Mobilfunk-Chip umgerüstet

Radioteleskop Effelsberg © MPI für Astronomie

Astrophysiker der Universität Bonn haben ein neuartiges Spektrometer entwickelt, das die Radioastronomie revolutionieren könnte. Sie verwendeten dazu spezielle Computerchips, die beispielsweise auch in Mobilfunktechnik zum Einsatz kommen. Das Spektrometer ist erheblich empfindlicher und schneller als herkömmliche Modelle, kostet aber weniger als ein Zehntel. Zudem ist der Stromverbrauch deutlich geringer, so dass es einfacher in entlegenen Regionen oder gar an Bord eines Satelliten eingesetzt werden könnte. Erste Tests des Geräts am 100-Meter-Radioteleskop in Effelsberg verliefen bereits erfolgreich.

Radiospektrometer funktionieren im Prinzip ähnlich wie ein Prisma, das Licht in seine Grundfarben zerlegt. Im Gegensatz dazu dröseln sie jedoch Radiosignale auf, wie sie beispielsweise das Teleskop in Effelsberg mit seiner 100-Meter-Parabolantenne empfängt. So senden beispielsweise Gaswolken im All charakteristische Radiowellen aus, so genannte Emissionslinien. „Je nach Zusammensetzung der Wolke finden sich so im Empfangssignal ganz bestimmte Frequenzen“, erklärt Dr. Jürgen Kerp.

„Ein Beispiel ist die berühmte Wasserstofflinie: Wasserstoff emittiert Wellen von 21 Zentimetern Länge; an dieser Stelle sieht man im Spektrum daher ein markantes Signal.“ Spektrometer können daher kalte und damit dunkle Gaswolken durch ihr Radiospektrum sichtbar machen und so Hinweise auf die Zusammensetzung weit entfernter Welten geben.

Minikarte statt riesigem Stromfresser

Dr. Kerp und Dr. Stephan Stanko vom Radioastronomischen Institut haben das neuartige Spektrometer zusammen mit ihrem Kollegen Bernd Klein vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie entwickelt. Dabei haben die Astrophysiker auf Bauteile zurückgegriffen, die im Mobilfunk bereits regelmäßig eingesetzt werden: die so genannten „Field Programmable Gate Arrays“, kurz FPGAs. „Das sind spezielle Hochgeschwindigkeit-Chips, die wir so programmieren, dass sie Radiosignale spektral zerlegen können“, so Dr. Kerp. Eine Einsteckkarte mit einem derartigen FPGA-Spektrometer ist kaum größer als eine Handfläche. Zudem kostet sie weniger als 10.000 Euro, da die Mobilfunk-Chips in hoher Stückzahl produ-ziert werden. „Herkömmliche Geräte sind dagegen erst für ein Vielfaches zu bekommen und nehmen einen ganzen Schrank ein“, betont der Privatdozent.

Im praktischen Einsatz bringt die Größe Probleme mit sich. Zudem verschlingen Spektrometer vom alten Schlag bis zu 1.000 fach mehr Strom. Radioteleskope stehen aber häufig in unwirtlichen Gegenden in großer Höhe, wo die Erdatmosphäre den Empfang möglichst wenig stört – dort kommt der Strom nicht aus der Steckdose. „Die Energieversorgung ist bislang häufig ein Problem“, so Kerp; „unser Spektrometer verbraucht dagegen noch weniger als ein PC.“

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Erster Test erfolgreich

Im August konnten die Wissenschaftler des Radioastronomischen Instituts erstmals ein FPGA-Spektrometer am 100-Meter-Radioteleskop in Effelsberg erproben – eine Weltpremiere. Ab Herbst 2005 sollen dort 14 der neuen Geräte zum Einsatz kommen. „Die Qualität der Beobachtungsdaten übertrifft die der bislang eingesetzten Spektrometer bei weitem“ schwärmt Jürgen Kerp; „die Methode hat ein enormes Potenzial!“ Überdies seien die Karten so „furchtbar schnell“, dass man damit drei verschiedene Messungen zur selben Zeit durchführen könne – bei durch-schnittlichen Betriebskosten eines Radioteleskops von einigen tausend Euro pro Stunde kein schlechtes Argument für einen Umstieg.

Die Branche muss allerdings noch umdenken: „Bislang gibt es weltweit nur drei Gruppen, die an FPGA-Spektrometern arbeiten – neben uns noch eine in den USA und eine in Australien. Der Rest setzt auf die bewährte Technik.“ Die Zeit spielt aber für die Bonner: „Die Chips verarbeiten pro Sekunde 800 Megabyte an Daten – weit mehr, als heute in den meisten Fällen nötig ist. Bei künftigen Radioteleskopen wird die Datenflut jedoch deutlich anwachsen. Da wird man um FPGA-Spektrometer wahrscheinlich gar nicht herum kommen.“

(Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, 19.10.2004 – NPO)

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