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Astronomie

Gigant des frühen Kosmos gibt Rätsel auf

Gut 13 Milliarden Jahre alter Quasar ist schwerstes Schwarzes Loch im jungen Universum

Quasar
Der Quasar J1007+2115 enthält ein Schwarzes Lcoh mit 1,5 Milliarden Sonnenmassen, existierte aber schon 700 Millionen Jahre nach dem Urknall. © International Gemini Observatory/ NOIRLab/NSF/ AURA/ P. Marenfeld

„Unmöglicher“ Riese: Astronomen haben ein gigantisches Schwarzes Loch entdeckt, das massereicher ist als jedes andere seiner Altersklasse. Denn dieser Quasar vereint 1,5 Milliarden Sonnenmassen in sich, obwohl er schon gut 13 Milliarden Jahre alt ist – er stammt damit aus einer Zeit nur 700 Millionen Jahre nach dem Urknall. Wie dieses Objekt so früh so groß werden konnte, gibt Astronomen Rätsel auf.

Quasistellare Objekte, kurz Quasare, sind supermassereiche Schwarze Löcher in fernen Galaxien, die enorme Mengen an Strahlung freisetzen. Sie gehören daher zu den hellsten Objekten im gesamten Kosmos. Viele dieser Schwarzen Löcher vereinen mehrere Milliarden Sonnenmassen in sich und strahlen heller als Billionen Sonnen.

Das Merkwürdige jedoch: Selbst im ganz frühen Universum gab es schon solche „Massemonster“. Der bislang älteste bekannte Quasar stammt aus der Zeit nur 690 Millionen Jahre nach dem Urknall. Doch ein solcher Gigant hatte eigentlich viel zu wenig Zeit, um zu dieser enormen Masse heranzuwachsen. Denn die ersten Sterne und Galaxien bildeten sich wahrscheinlich frühestens 200 Millionen Jahre nach dem Urknall, vielleicht sogar noch später. Demnach gab es damals eigentlich noch viel zu wenig „Futter“ für die gigantischen Quasare.

Schwerstes Schwarzes Loch des frühen Kosmos

Jetzt vertieft eine Entdeckung von Astronomen um Yinji Yang von der University of Arizona dieses Rätsel noch. Denn sie haben einen weiteren „unmöglichen“ Giganten des jungen Kosmos aufgespürt. Es handelt sich um einen Quasar, der 13,02 Milliarden Lichtjahre entfernt ist und damit nur 700 Millionen Jahre nach dem Urknall existierte. „J1007+2115 ist damit erst der zweite bekannte Quasar aus dieser frühen Epoche des Kosmos“, berichten die Forscher.

Noch ungewöhnlicher jedoch: Im Herzen dieses frühen Giganten sitzt ein Schwarzes Loch, das 1,5 Milliarden Sonnenmassen umfasst. „Dieser Quasar ist damit das fernste bekannte Objekt im Universum, das ein Schwarzes Loch mit mehr als einer Milliarde Sonnenmassen enthält“, sagt Yang. „Das ist das früheste Monster dieser Art, das wir kennen.“

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Weil gleich drei Observatorien auf dem Mauna Kea auf Hawaii die entscheidenden Informationen zu diesem Quasar lieferten, haben die Astronomen ihn Poniua’ena getauft, was auf hawaiianisch bedeutet: „unsichtbare, rotierende Quelle der Schöpfung, umgeben von Helligkeit“.

„Unmögliche“ Entstehung?

Doch wie ist dieser frühe Gigant entstanden – und woraus? „Diese Entdeckung stellt die Theorien zur Entstehung Schwarzer Löcher und zu ihrem Wachstum vor ihre bislang größte Herausforderung“, sagt Yangs Kollege Xiaohui Fan. Wie kann das Universum so massereiche Schwarze Löcher so früh in seiner Geschichte bilden?“ Denn gängiger Theorie nach wachsen solche Objekte allmählich heran, indem kleinere Schwarze Löcher miteinander verschmelzen und dann nach und nach immer mehr Materie verschlingen.

Quasarkeim
Der Quasar J1007+2115 muss aus einem „Keim“ entstanden sein, der 100 Millionen Jahre nach dem Urknall schon 10.000 Sonnenmassen besaß – nach gängiger Theorie ist das nahezu unmöglich. © International Gemini Observatory/ NOIRLab/NSF/ AURA/ P. Marenfeld

Aber dieser Prozess benötigt viel Zeit und genügend Materienachschub. Und beides war nur wenige hundert Millionen Jahre nach dem Urknall eigentlich nicht vorhanden. Ein Schwarzes Loch von der enormen Masse, wie ihn Poniua’ena hat, kann daher nicht auf diesem langsamen Wege aus entstanden sein. Stattdessen muss schon sein „Keim“ mehr als 10.000 Sonnenmassen umfasst haben – und dies bereits 100 Millionen Jahre nach dem Urknall – eigentlich ist das unmöglich.

Der Grund: „Nach dem Urknall war das Universum zunächst sehr kalt, weil es noch keine Sterne und kein Licht gab“, erklärt Fan. „Es dauerte erst 300 bis 400 Millionen Jahre, bis die ersten Sterne und Galaxien erschienen und den Kosmos allmählich aufheizten.“ Damit stellt sich die Frage, wie der „Keim“ dieses Quasars entstehen konnte – und woraus. Eine mögliche Antwort könnte sein, dass sich die ersten Schwarzen Löcher direkt aus kollabierenden Gaswolken bildeten – und damit ohne dass Sterne nötig waren. Bisher allerdings ist dies nur eine Theorie.

Fleckige Ionisierung der ersten Gase

Der neuentdeckte Quasar wirft auch ein neues Licht auf seine kosmische Umgebung. Weil sein Licht durch das ihn umgebende interstellare Medium scheint, verrät das Spektrum, in welchem Zustand diese Gaswolken waren. Denn die anfangs neutralen Wasserstoffwolken des frühen Kosmos wurden erst durch die starke Strahlung der ersten Sterne und Galaxien allmählich ionisiert, deshalb wird diese Phase auch als Reionisierung bezeichnet.

„Wir beobachten diesen Quasar direkt in der Mitte dieser Reionisierungs-Periode – das hilft uns zu verstehen, was in dieser Zeit passierte“, erklärt Fan. Mittels Spektralanalyse des Quasarlichts konnten die Astronomen ermitteln, wie viele des ihn umgebenden Gases damals schon ionisiert war. Das Ergebnis: Knapp 40 Prozent des interstellaren Gases war noch neutral – und die ionisierten Anteile waren extrem ungleichmäßig verteilt. „Das deutet auf einen fleckigen Ionisierungsprozess hin“, so die Forscher. Wie aber in dieser Umgebung der Gigant Poniua’ena entstehen konnte bleibt dennoch rätselhaft. (Astrophysical Journal Letters, in press; arXiv:2006.13452)

Quelle: University of Arizona, Keck Observatory

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