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Astronomie

Galileo Galilei „zensierte“ sich selbst

Entdeckung eines verschollenen Briefes zeigt kirchenfreundlichere Korrekturen

Statue von Gaileo Galilei am Teleskop. Der Gelehrte war damals in Bezug auf das von ihm Geschriebene nicht ganz ehrlich. © David Adam Kess/ CC-by-sa 4.0

Nachträgliche Abschwächung: Der berühmte Gelehrte Galileo Galilei veränderte nachträglich seine eigenen Aussagen gegen das kirchliche Weltbild – und schwächte sie ab. Das enthüllt der Fund eines Briefs, den Galilei im Jahr 1613 an einen Freund schrieb. Er enthüllt auch, dass eine kirchenkritischere Fassung dieses Briefs keineswegs eine Fälschung seiner Feinde war, wie Galilei damals behauptete. Stattdessen stammte auch sie aus seiner Feder – und war das Original.

Galileo Galilei gilt als Wegbereiter der modernen Astronomie – und als Revolutionär der Wissenschaft. Denn der italienische Universalgelehrte trat dem geozentrischen Weltbild der Kirche entgegen und wurde dafür jahrelang von der Inquisition als Ketzer verklagt und schließlich verurteilt. Doch sein auf Beobachtungen und Fakten beruhendes heliozentrisches Weltbild setzte sich trotzdem durch. Heute ist längst klar, dass der Gelehrte damals Recht hatte.

Echt oder Fälschung?

Doch ein Punkt in Galileis Kampf um die Wahrheit ist seit Jahrhunderten strittig: Im Jahr 1615 erhielt die Inquisition in Rom über Mittelsmänner einen Brief Galileis, in dem dieser in harschen Worten das geozentrische Weltbild der Kirche kritisierte. Unter anderem bezeichnete er darin bestimmte Aussagen der Bibel als „falsch, wenn man die buchstäbliche Bedeutung der Worte nimmt“. Außerdem sprach er der Kirche die Kompetenz ab, über astronomische Fragen zu urteilen.

Für die Kirche war dies ein direkter Angriff auf ihre Autorität und eine Häresie. Doch Galilei wehrte sich und bezeichnete diesen Brief als Fälschung. Seine Aussagen seien darin absichtlich verschärft worden, um ihn zu diskreditieren. Zusammen mit dieser Argumentation schickte der Gelehrte die seinen Angaben nach echte Version des Briefs nach Rom – eine, die deutlich milder formuliert war.

Erste Seite des jetzt wiederentdeckten Briefs von Galilei an seinen Freund Benedetto Casttelli © The Royal Society

Fund im Archiv der Royal Society

Ob Galilei damit nur nachträgliche Schadensbegrenzung betrieb oder ob der erste Brief tatsächlich von seinen Feinden manipuliert worden war, blieb Jahrhunderte lang unklar. Denn der „harte“ Brief liegt in den geheimen Archiven des Vatikan und von der milderen Fassung existieren zwar rund ein Dutzend Kopien, aber ob sie vor oder nach der harschen Version entstanden und ob beide Brieffassungen aus der Feder von Galilei stammen, ließ sich nicht mehr feststellen.

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Bis jetzt. Denn durch einen glücklichen Zufall hat der Historiker Salvatore Ricciardo von der Universität Bergamo einen für diesen Konflikt entscheidenden Brief Galileis entdeckt. Es handelt sich um eine frühe Version des an die Kirche geschickten Briefs, die Galilei im Dezember 1613 an einen Freund in Pisa sandte. Das einzigartige Manuskript lag mehr als 250 Jahre vergessen in den Archiven der Royal Society in London, bis der Historiker darauf stieß.

„Ich konnte kaum glauben, dass ich den Brief entdeckt hatte, den nahezu alle Galilei-Forscher verloren glaubten“, sagt Ricciardo gegenüber „nature“.

Ausstreichungen und Abschwächungen

Das Entscheidende daran: In diesem mit „G.G.“ unterzeichneten Brief sind Ausstreichungen und Korrekturen zu sehen, die Galilei selbst kurz vor dem Verschicken vornahm – das ergaben Handschriftenvergleiche. Die ausgestrichenen Passagen entsprechen den harschen Formulierungen, die in den vermeintlich gefälschten Brief der Inquisition zu lesen waren. Das belegt, dass entgegen Galileis Behauptungen auch der „Brandbrief“ keineswegs von anderen manipuliert worden war: Auch er stammte aus seiner Feder.

Die Änderungen in dem nun wiederentdeckten Brief belegen, dass Galilei selbst seine ursprünglichen Formulierungen nachträglich abmilderte, wie Ricciardo und seine Kollegen berichten. Er veränderte beispielsweise den Begriff „falsch“ in Bezug auf biblische Aussagen in „erscheinen anders als in Wahrheit“ und schwächte den Vorwurf, die Bibel würde grundlegende Wahrheiten „verbergen“ zu „verschleiern“ ab.

Nach Ansicht der Forscher belegt das Manuskript, dass die von Galilei damals nach Rom gesandte milde Fassung des Briefs nicht das Original war – entgegen seinen Behauptungen. Stattdessen handelte es sich um eine nachträglich von ihm selbst „zensierte“ und abgeschwächte Version. (Royal Society: Notes and Records, in press)

(Nature doi: 10.1038/d41586-018-06769-4, 26.09.2018 – NPO)

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