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Astronomie

„Fremde“ Population im Zentrum der Milchstraße

Gruppe uralter Sterne könnte aus einem Kugelsteinhaufen ins Zentrum gefallen sein

Milchstraßenzentrum
Zentralbereich der Milchstraße im Infrarotlicht – hier verbirgt sich eine zuvor unerkannte Sternen-Population, die woanders entstanden sein muss. © NASA/JPL-Caltech, S. Solovy/Spitzer Science Center/Caltech

Stellare Fremdlinge: Im Zentrum unserer Galaxie haben Astronomen eine Gruppe von Sternen entdeckt, die älter sind und sich schneller bewegen als der Rest. Dies spricht dafür, dass diese Sternenpopulation ursprünglich von woanders dorthin gelangt ist – möglicherweise aus einer Nachbargalaxie oder von einem zerrissenen Kugelsternhaufen. Der zentrale Bereich unserer Galaxie hat demnach einen heterogenen Ursprung.

Das Zentrum der Milchstraße gehört zu den sternreichsten Gebieten des bekannten Universums. Im Umkreis von rund 26 Lichtjahren um das Schwarze Loch Sagittarius A* umfasst es rund 20 Millionen Sterne. Viele von ihnen sind metallreicher und daher jünger als unsere Sonne, aber es gibt auch vergleichsweise alte, metallarme Sterne in diesem Gebiet. Diese Mischung kann theoretisch durch interne Prozesse, durch den „Import“ von Sternen bei Galaxienkollisionen oder auch beides entstanden sein.

Älter und schneller als der Rest

Jetzt haben Astronomen eine Sternengruppe im Galaxienzentrum entdeckt, die mehr Licht auf diese Frage wirft. Aufgespürt haben Anja Feldmeier-Krause von der Europäischen Südsternwarte (ESO) und ihr Team diese Sterne durch Beobachtungen mit dem Very Large Telescope der ESO in Chile. Anhand des Lichtspektren analysierten sie die Bewegung und den Gehalt schwererer Elemente, die sogenannte Metallizität, von gut 700 Sternen im zentralen Sternenhaufen der Milchstraß.

Dabei zeigten sich Auffälligkeiten: In der Zone um das Schwarze Loch sind metallreiche und metallarme Sterne nicht gleichmäßig verteilt, sondern asymmetrisch: „Im galaktischen Norden ist der Anteil von Sternen mit geringerer Metallizität als die Sonne mehr doppelt so hoch wie im Süden“, berichten die Forscher. Diese Gruppe von demnach sehr alten Sternen bewegt sich zudem schneller als der Rest und umkreist das Zentrum leicht gekippt gegenüber der galaktischen Ebene.

Ins Zentrum gefallen oder vom Nachbarn geklaut?

Daraus schließen die Astronomen: Es handelt sich hierbei um eine zuvor unbekannte Sternen-Population, die sich vom Rest der zentralen Sterne unterscheidet. Insgesamt machen diese Sterne rund sieben Prozent des zentralen Kernsternhaufens der Milchstraße aus. Wegen ihrer Gemeinsamkeiten liegt es nahe, dass diese Sterne einen gemeinsamen Ursprung haben. Doch woher kommen sie ? Und wie kamen sie ins Zentrum der Galaxie?

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Um das herauszufinden, haben Feldmeier-Krause, Manuel Sedda von der Universität Heidelberg und Kollegen die mögliche Herkunft und Geschichte dieser Sternengruppe in einer Simulation rekonstruiert. Diese spielte verschiedene, in gängigen Theorien beschriebene Szenarien durch. So könnten die Sterne aus einem Kugelsternhaufen stammen, der ursprünglich weiter außen in der Milchstraße lag und durch gravitationsbedingte Effekte ins Zentrum gefallen ist.

Denkbar wäre aber auch, dass die Kollision der Milchstraße mit einer benachbarten Zwerggalaxie dahintersteckt. Dann könnten die Sterne entweder aus dem ehemaligen Kernsternhaufen der Zwerggalaxie stammen oder aber aus einem ihrer Kugelsternhaufen, der in die Einflusssphäre unserer Milchstraße geraten ist.

Simulation
Simulation des Einfalls eines Kugelsternhaufens in den Kernsternhaufen der Milchstraße. © Manuel Arca Sedda et al./ARI/ZAH, MPIA

Zerrissener Kugelsternhaufen

Die Rekonstruktion ergab: Die „fremden“ Sterne müssen vor rund drei bis fünf Milliarden Jahren in Milchstraßenzentrum gelangt sein, wo dann ihr Haufen relativ schnell aufgelöst wurde. „Dies ist ein weiterer Hinweis darauf, dass der zentrale Kernsternhaufen der Galaxie zumindest teilweise durch den Einfall kleinerer Sternhaufen entstanden ist“, sagt Sedda.

Woher dieser Sternhaufen allerdings kam, ist weniger eindeutig: „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein Einfall eines eher näher gelegenen Sternhaufens aus der Milchstraße selbst wahrscheinlicher ist“, erklärt Koautorin Nadine Neumayer vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg. Dieser Sternhaufen müsste etwa 10.000 bis 16.000 Lichtjahre vom galaktischen Zentrum entstanden und dann in den Kernhaufen gestürzt sein.

…oder doch extragalaktisch?

Doch auch ein extragalaktischer Ursprung dieser Sternenpopulation sei nicht ausgeschlossen, wenn auch unwahrscheinlicher, betonen die Astronomen. „Die Möglichkeit, dass diese Sterne von einer vor zehn Milliarden Jahren gestörten Zwerggalaxie stammen, können wir nicht ganz ausschließen“, sagen sie. Allerdings passen die Merkmale der Sternengruppe nicht zu drei schon bekannten Kollisionen dieser Art, mit der Sequoia-, der Gaia-Enceladus- oder der Sagittarius-Zwerggalaxie. (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 2020; doi: 10.1093/mnras/staa703; The Astrophysical Journal Letters, 2020; doi: 10.3847/2041-8213/abb245)

Quelle: Max-Planck-Institut für Astronomie

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