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Astronomie

Erstes inaktives Schwarzes Loch außerhalb unserer Galaxie

Astronomen finden stellares Schwarzes Loch in der Großen Magellanschen Wolke

Schwarzes Loch
Astronomen haben in der Großen Magellanschen Wolke ein Duo aus einem blauen, massereichen Stern und einem deutlich leichteren Schwarzen Loch entdeckt. © ESO/L. Calçada

Unsichtbarer Begleiter: Astronomen haben das erste inaktive stellare Schwarze Loch außerhalb der Milchstraße aufgespürt. Das unsichtbare Relikt eines massereichen Sterns liegt in der Großen Magellanschen Wolke, einem nahen Nachbarn unserer Galaxie. Das rund neun Sonnenmassen schwere Schwarze Loch verriet sich durch seinen Schwerkrafteinfluss auf einen hellen, massereichen Partnerstern. Spannend auch: Dieses Schwarze Loch könnte ohne Supernova direkt aus dem Kollaps seines Vorgängersterns entstanden sein, wie das Team in „Nature Astronomy“ berichtet.

Stellare Schwarze Löcher entstehen, wenn massereiche Sterne am Ende ihres Lebenszyklus in einer Supernova explodieren und ihr Kern kollabiert. Theoretisch müsste es Millionen solcher stellarer Schwarzer Löcher allein in unserer Milchstraße geben. Bisher konnten Astronomen aber nur wenige davon direkt nachweisen, die meisten verrieten sich durch die Gravitationswellen, die bei der Kollision zweier solcher Schwarzer Löcher freigesetzt werden.

Fahndung nach einem unsichtbaren Begleiter

Direkt bemerkbar machen sich solche stellaren Schwarzen Löcher meist nur dann, wenn sie aktiv Materie – beispielweise von einem Begleitstern – ansaugen. Dieses Material setzt dann energiereiche Röntgenstrahlung frei und verrät so die Existenz des unsichtbaren Partners. „Die wenigen bekannten röntgenhellen Doppelsysteme dieser Art sind aber nur die Spitze eines Eisbergs“, erklären Tomer Shenar von der Katholischen Universität Leuven in Belgien und seine Kollegen. Denn noch viel mehr stellare Schwarze Löcher sind wahrscheinlich inaktiv und daher auch im Röntgenbereich unsichtbar.

Tarantelnebel
Fahndungsgebiet war der rund 160.000 Lichtjahre entfernte Taraantelnebel. © ESO

Nach genau solchen inaktiven Schwarzen Löchern haben nun Shenar und sein Team gesucht. Als Fahndungsgebiet wählten sie den Tarantelnebel in der Großen Magellanschen Wolke, der besonders viele massereiche Sterne und Doppelsternsysteme umfasst. Die Astronomen suchten dort sie gezielt nach Sternen, deren Bewegungen auf das Vorhandensein eines unsichtbaren, schweren Partners hindeuteten. Dafür werteten sie Daten des hochauflösenden FLAMES-Spektrografen am Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte in Chile aus.

Sternenbewegung verrät Schwarzes Loch

Tatsächlich wurden die Astronomen fündig: Bei einem heißen, bläulichen Stern von 25 Sonnenmassen detektierten sie auffällige, periodische Bewegungen. Sie sprechen dafür, dass dieser Stern einen unsichtbaren Partner besitzt und sich beide etwa alle 10,4 Tage einmal umkreisen. „Während die Bewegung des Primärsterns im Spektrum gut erkennbar ist, konnten wir keine Signatur des zweiten Objekts in den spektralen Daten identifizieren“, berichtet das Team.

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Der Partner dieses Sterns kann demnach kein normaler Stern oder ein anderes stärker strahlendes Objekt sein. Aus den Bewegungen des Primärsterns geht aber hervor, dass sein unsichtbarer Kompagnon mindestens neun Sonnenmassen schwer sein muss – er liegt damit im Bereich eines kleinen stellaren Schwarzen Lochs. Nach Ansicht der Astronomen ist dies daher auch die plausibelste Erklärung für ihre Beobachtungen. „Wir haben eine Nadel im Heuhaufen gefunden“, sagt Shenar.

Extragalaktisch und kurz vor einer zweiten Verwandlung

Sollte sich dies bestätigen, dann wäre das VFTS 243 getaufte System nicht nur ein Neuzugang unter den stellaren Schwarzen Löchern – es wäre auch das erste inaktive Schwarze Loch, das außerhalb der Milchstraße nachgewiesen wurde. Denn es sendet keine auf eine aktive Akkretion hindeutende Röntgenstrahlung aus. „Bisher wurde kein anderes röntgenstilles Schwarzes Loch außerhalb unserer Galaxie unzweifelhaft nachgewiesen“, so die Astronomen. Bei VFTS 243 spreche aber alles dafür, dass es sich um ein solches System handele.

Und noch etwas verraten ihre Analysen: Der massereiche, blaue Primärstern hat offenbar vor der Verwandlung seines Partners zum Schwarzen Loch reichlich Masse von dessen Vorgängerstern abgezogen. Sein aktueller Zustand deutet daraufhin, dass er in den nächsten fünf Millionen Jahren ebenfalls zum Schwarzen Loch werden könnte. Übrig bliebe dann ein System aus zwei sich eng umkreisenden Schwarzen Löchern. Weitere Milliarden Jahre später könnten beide einander so nahekommen, dass sie kollidieren und verschmelzen.

Ohne Supernova entstanden?

Spannend auch: Das neuentdeckte Schwarze Loch könnte anders entstanden sein als viele seiner „Artgenossen“. Gängiger Ansicht nach passiert dies, wenn ein sterbender Stern sich zunächst aufbläht und dann sein Kern unter der Last seines eigenen Gewichts kollabiert. Typischerweise löst dieser Kernkollaps eine Supernova aus – so zumindest die Annahme. Allerdings mehren sich die Hinweise darauf, dass manche Sterne auch ohne Explosion direkt zum Schwarzen Loch kollabieren können.

Genau dies könnte auch beim jetzt entdeckten Vertreter der Fall gewesen sein: „Der Stern, der das Schwarze Loch in VFTS 243 geformt hat, scheint vollständig kollabiert zu sein, ohne Anzeichen einer vorherigen Explosion“, berichtet Shenar. „In letzter Zeit gibt es immer wieder Hinweise auf dieses Szenario des direkten Kollapses, aber unsere Studie liefert wohl einen der direktesten Hinweise darauf.“ (Nature Astronomy, 2022; doi: 10.1038/s41550-022-01730-y)

Quelle: Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics, European Southern Observatory (ESO)

 

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