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Astronomie

Erster Blick in die Hülle eines Roten Überriesen

Atmosphäre des sterbenden Riesensterns Antares ist weit größer als zuvor gedacht

Antares
Der Rote Überriese Antares steuert auf seine Supernova zu. Jetzt haben Astronomen erstmals seine Hülle mit Radioteleskopen durchleuchtet. © NRAO/AUI/NSF, S. Dagnello

Lauer Gigant: Astronomen haben erstmals die Gashülle des Roten Überriesen Antares kartiert – einem Stern kurz vor der Supernova. Die Radioteleskop-Daten enthüllen, dass die Atmosphäre dieses Überriesen bis zu zwölf Sternenradien weit ins All hinaus reicht und deutlich kühler ist als aus früheren Beobachtungen bekannt. Erstmals konnten die Forscher auch die Zone des sterbenden Sterns ausmachen, von der der starke Sternenwind ausgeht.

Der Rote Überriese Antares ist am Himmel schon mit bloßem Auge als heller, rötlicher Punkt zu erkennen. Der rund 600 Lichtjahre entfernte Stern ist 700 Mal größer als unsere Sonne und steht – ebenso wie der Rote Überriese Beteigeuze – am Ende seines Lebenszyklus. Sein Fusionsbrennstoff ist weitgehend verbraucht und er hat bereits damit begonnen, seine äußeren Gashüllen durch einen starken Sternenwind abzustoßen. Wenn sein Kern kollabiert, wird Antares in einer Supernova explodieren.

Sterbender Riese Antares im Visier

Doch wie sieht es in der Gashülle dieses sterbenden Sterns aus? Und von wo geht der Sternenwind aus? Bisher sind diese Fragen unbeantwortet. Zwar ist es Astronomen im Jahr 2017 gelungen, die Oberfläche von Antares erstmals im sichtbaren Licht zu kartieren. Doch über die Chromosphäre – die innere Atmosphäre des Sterns – verriet dies nur wenig.

Deshalb haben nun Forscher um Eamon O’Gorman vom Dublin Institute for Advanced Studies Antares mit den beiden leistungsstärksten Radioobservatorien der Erde ins Visier genommen. Sie beobachteten den sterbenden Stern mit dem Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) in Chile und mit dem Very Large Array (VLA) in den USA. Beide Observatorien bestehen aus Dutzenden Einzelantennen und decken einen breiten Bereich der langwelligen Radiostrahlung ab.

Diese Kombination eröffne erstmals die Möglichkeit, die erweiterte Atmosphäre eines Roten Überriesen in großer Wellenlängen-Bandbreite zu untersuchen, so die Astronomen.

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Antares Hülle
Diese Illustration zeigt die Ausdehnung der Gashülle von Antares. © NRAO/AUI/NSF, S. Dagnello

Enorm aufgeblähte Gashülle

Die Radio-Daten enthüllten: Die Atmosphäre von Antares reicht viel weiter ins All hinaus als es die optischen Beobachtungen erahnen ließen. Je nach Wellenlänge erstreckt sich die Gashülle um das 1,4- bis 11,6-Fache des Sternendurchmessers von seiner Oberfläche aus ins All. Interessanterweise ist die Chromosphäre von Antares aber nicht kugelförmig, sondern am Äquator elliptisch nach außen ausgezogen.

„Eine ähnliche globale Asymmetrie haben wir bei Beteigeuze gefunden, der im Gegensatz zu Antares kein Doppelstern ist“, berichten O’Gorman und seine Kollegen. „Es kann daher gut sein, dass diese Asymmetrie für Rote Überriesen typisch ist.“ Was sie verursacht ist allerdings noch unklar. Die Astronomen vermuten aber, dass es mit der Aufheizung der Chromosphäre durch Magnetfelder und Wechselwirkungen mit der Rotation des Sterns zusammenhängen könnte.

„Lauwarm“ statt heiß

Überraschendes ergaben auch die aus den Radio-Beobachtungen abgeleiteten Temperaturdaten: Die Chromosphäre von Antares ist weit kühler als es frühere Messungen in anderen Wellenbereichen nahelegten. Die Temperaturen reichen von gut 2.400 Grad direkt über der Sternenoberfläche bis auf gut 3.500 Grad in 2,5 Radien Entfernung und sinken dann nach außen hin bis auf 1.370 Grad ab. „Damit ist die Chromosphäre für einen Stern eher lauwarm als heiß“, sagt O’Gorman. Zum Vergleich: Die Chromosphäre der Sonne erreicht Temperaturen von fast 20.000 Grad.

Zwar ist bekannt, dass Rote Überriesen kühler sind als Sterne in der Blüte ihres Lebens. Dennoch sind die jetzt ermittelten Werte fast um die Hälfte kühler als Messungen im UV- und sichtbaren Licht. „Dieser Unterschied könnte sich dadurch erklären, dass unsere Radioteleskope ein sensibles Thermometer für das meiste Gas und Plasma in der Sternenatmosphäre sind, während UV- und optische Messungen nur das heißeste Gas und Plasma erfassen“, erklärt O’Gorman.

Die Astronomen gehen zudem davon aus, dass die Gashülle von Antares und anderen roten Überriesen sehr inhomogen ist. „Stellen sie sich deren Atmosphäre als ein Gemälde aus vielen verschiedenfarbigen Punkten vor“, erläutert Koautor Keiichi Ohnaka von der Katholischen Universität Nordchiles. „Die meisten Punkte entsprechen dem lauwarmen Gas, das Radioteleskope sehen, aber es gibt auch kalte Punkte, die nur Infrarotteleskope sehen, und heiße Punkte, die UV-Teleskope erfassen.“

Antares Wind
Aufnahmen von Antares durch ALMA in kürzeren Radio-Wellenlängen und durch VLA im längerwelligen Bereich. Im VLA-Bild ist rechts der Sternenwind zu sehen.© ALMA (ESO/NAOJ/NRAO), E. O’Gorman; NRAO/AUI/NSF, S. Dagnello

Blick in die Geburtszone des Sternenwinds

Dank der hohen Auflösung der Radioaufnahmen konnten die Forscher erstmals auch die Region erkennen, von der der starke Sternenwind des Überriesen ausgeht. Dieser Strom heißen Gases wird von Antares ausgeschleudert und führt dazu, dass ein Roter Überriese einen großen Teil seiner äußeren Hülle verliert. Weil diese Gasströme vom Licht des kleineren, aber heißeren Begleitsterns Antares B angestrahlt wurden, konnten O’Gorman und sein Team sie sehen.

„Von so etwas habe ich geträumt, seitdem ich ein Student war: Die Größe der atmosphärischen Zonen zu kennen, gibt uns erstmals Hinweise darauf, wie diese gewaltigen Winde entstehen und wie viel Material ausgestoßen wird“, sagt Koautor Graham Harper von der University of Colorado. Noch stehen die Astronomen erst am Anfang ihrer Forschung zu den Roten Überriesen. Doch sie hoffen, durch künftige Beobachtungen noch mehr über die letzte Lebensphase massereicher Sterne zu erfahren.

„Antares ist, zusammen mit Beteigeuze, das ideale Beobachtungsobjekt, um unser Wissen über die Chromosphäre und den Massenverlust Roter Überriesen voranzubringen“, konstatieren die Forscher. Denn diese sterbenden Sterne liegen beide deutlich weniger als 1.000 Lichtjahre von uns entfernt und sind daher gut zu beobachten. (Astronomy & Astrophysics, 2020; doi: 10.1051/0004-6361/202037756)

Quelle: National Radio Astronomy Observatory

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