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Erdmagnetfeld: Gegenstrom torpediert Modelle

Sonnenstürme lösen einen Gegenstrom aus reflektierten Wellen im Erdmagnetfeld aus

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Wenn der Sonnenwind auf die Erde trifft, dann erzeugt dies einen zuvor unerkannte Gegenstrom auf der sonnenzugewandten Seite. © Martin Archer, Emmanuel Masongsong/ NASA

Anders als gedacht: Wenn ein Sonnensturm das Erdmagnetfeld trifft, löst dies eine bisher unerkannte Reaktion aus, wie Messdaten enthüllen. Dabei rasen energiereiche Wellen zunächst in Richtung der Erdpole und lassen den Schutzschirm vibrieren wie eine Trommel. Dann aber erzeugen einige reflektierte Wellen einen Gegenstrom, der dem Sonnenwind entgegenwirkt und lokal eine stehende Welle an der Grenzschicht erzeugt, wie Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“ berichten.

Das irdische Magnetfeld ist unser wichtigster Schutzschild gegen energiereiche Strahlung und Teilchenströme aus dem All. Der dichte „Käfig“ aus magnetischen Feldlinien hält einen Großteil des Sonnenwinds, der Sonnenstürme und der harten kosmischen Strahlung ab. Doch das geht nicht spurlos an unserer Magnetosphäre vorüber: Wird sie von einem Sonnensturm getroffen, vibriert sie durch den Aufprall wie eine Trommel. An der Grenzschicht, der Magnetopause, entstehen dabei stehende Wellen. Diese Schwingungen lassen sich sogar hörbar machen.

Das Paradigma der Wellenausbreitung

Doch wie sich jetzt zeigt, laufen im Magnetfeld noch einige bisher unerkannte Prozesse ab. Bisher ging man davon aus, dass sich die Schwingungen an der Magnetfeldgrenze vor allem von der Sonne weg bewegen. Trifft ein Sonnensturm die Außengrenze des irdischen Magnetfelds, erzeugt dies den gängigen Modellen nach Schockwellen aus schnellen geladenen Teilchen, die in Richtung der beiden Erdpole rasen. An der Grenzschicht entstehen niederfrequente Wellen, die sich ebenfalls von der Sonne wegbewegen, wenn auch erheblich langsamer – so das geltende Paradigma.

Allerdings gibt es Beobachtungen, die nicht zu diesem einfachen Bild passen. So haben die THEMIS-Satelliten der NASA in letzter Zeit einige Messdaten geliefert, die auf abweichende Strömungen und spezielle Eigenschwingungen an der Magnetfeldgrenze hindeuten. Was es damit auf sich hat und wie sie entstehen, haben nun Martin Archer vom Imperial College London und seine Kollegen anhand von THEMIS-Daten und Modellen näher untersucht.

Eigenmode verrät Gegenstrom

Dabei zeigte sich Überraschendes: Die Analyse der Wellenformen ergab, dass offenbar nicht alle Energie und Schwingungen der solaren Schockwelle zur von der Sonne abgewandten Seite abgeleitet werden. Stattdessen gibt es einen Bereich, in dem die Wellen von der polaren Ionosphäre reflektiert werden und sich dadurch gegen den Strom bewegen. Der Energiefluss dieser reflektierten Wellen ist in einem direkt der Sonne gegenüberliegenden Bereich ähnlich stark wie der Hauptstrom der schweifwärts ziehenden Wellen.

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Mit anderen Worten: Die reflektierten Wellen und die Schockwelle des Sonnenwinds gleichen sich gegenseitig aus. „Das führt dazu, dass die Wellenenergie an der Magnetfeldgrenze lokal gefangen bleibt und eine azimuthale stehende Welle entsteht“, so das Team. Sie vergleichen dies mit dem Versuch, eine Rolltreppe gegen die Fahrtrichtung hinaufzusteigen: „Obwohl man sich richtig anstrengt, kommt man nicht von der Stelle“, erklärt Archer.

So reagiert das Erdmagnetfeld auf einen Sonnensturm .© Martin Archer/CCMC, NASA

Gängige Modelle unvollständig

Das aber bedeutet: Das gängige Modell der zur sonnenabgewandten Seite hin abgeleiteten Schockwellen ist unvollständig. „Die Eigenschwingungen an der Oberfläche der Magnetopause passen nicht zum etablierten Paradigma“, konstatieren die Wissenschaftler. Denn anders als gedacht bewegt sich ein Teil der Magnetfeldwellen sehr wohl gegen den Strom. Am sonnennächsten Punkt der Tagseite der Erde ist dieser Gegenstrom sogar genauso stark wie der Sonnenwind und verursacht deshalb dort eine stehende Welle.

„Dieser Effekt hat Bedeutung für unsere Vorstellungen vom Strahlengürtel, der Dynamik der Ionosphäre, der Polarlichter und anderer dynamischer Systeme“, schreiben Archer und seine Kollegen. (Nature Communications, 2021; doi: 10.1038/s41467-021-25923-7)

Quelle: NASA

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