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Sonnensystem

Entstand das Sonnensystem in zwei Schritten?

Bausteine der äußeren Planeten bildeten sich 500.000 Jahre später als die der inneren

Planetenbildung
Die Bausteine der inneren Planeten im Sonnensystem entstanden nicht nur weiter innen, sondern auch früher als die Planetesimale der Gasriesen. © Mark A. Garlick / markgarlick.com

Nacheinander statt gleichzeitig: Das Sonnensystem könnte seine Planeten-Bausteine in zwei Schritten gebildet haben. Einem neuen Modell nach entstanden zuerst die Planetesimale der inneren Planeten nahe der damaligen Schneelinie, rund 500.000 Jahre später bildeten sich deutlich weiter außen die Bausteine der äußeren Planeten. Dies könnte die Unterschiede im Wasser- und Isotopengehalt erklären, wie die Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten.

Gängiger Theorie nach sind alle Planeten des inneren Sonnensystems und die Kerne der äußeren Planeten durch Akkretion entstanden. Dabei ballten sich erst kleine Brocken zusammen und schufen so die rund 100 Kilometer großen Planetesimale, die dann durch Anziehung weiterer Brocken heranwuchsen. Besonders günstige Bedingungen für diese Akkretion herrschte wahrscheinlich im Gebiet der Schneelinie, der Zone eines Planetensystems, außerhalb der Wasser zu Eis wird.

Frühe Weichenstellung

Doch es gibt gleich mehrere Merkmale des Sonnensystems, die nur bedingt zu diesem Szenario passen: Zum einen zeigen Isotopenmessungen an Meteoriten und dem Sonnenwind, dass die Erde und die anderen inneren Planeten von der Zusammensetzung der Urwolke abweichen. Zum anderen ist unklar, warum die äußeren Planeten so viel wasserreicher sind als die an flüchtigen Stoffen stark verarmten inneren. Dies ließ sich bislang nur bedingt mit dem gängigen Modell der Planetenbildung vereinbaren.

Jetzt könnten Tim Lichtenberg von der University of Oxford und seine Kollegen eine Erklärung gefunden haben. Ihrem neuen Modell nach gehen diese Unterschiede schon auf die früheste Bildungsphase des Sonnensystems zurück – die Zeit, als die Planetesimale entstanden. Schon damals entstanden zwei zeitlich und räumlich getrennte Populationen von Planetenbausteinen. „Dies stellte die Weichen für zwei differierende Wege der Planetenbildung im inneren und äußeren Sonnensystem“, so die Forscher.

Gruppe 1: Erst Schneegrenze, dann heiß

Konkret sah dies so aus: Rund 200.000 bis 350.000 Jahre nach Bildung der Sonne entsteht eine erste Gruppe von Planetesimalen in rund 1,3 bis 7,5 astronomischen Einheiten. Auslöser dafür ist die nahe Schneegrenze, die in dieser Zeit mit zunehmender Sonnenintensität allmählich von innen nach außen driftet. In ihrem Umfeld kondensiert Wasser auf den kleinen Gesteinsbröckchen und fördert damit ihr Zusammenkleben. Weil der Staub der Urwolke in dieser Region relativ viele radioaktive Elemente enthält, reichern sich die Brocken damit an.

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Während die Schneegrenze weiter nach außen wandert, bewegen sich diese ersten Planetesimale weiter nach innen. Dort verdampft ihr Wasser und sie heizen sich durch Kollisionen, die Sonnenwärme und durch den radioaktiven Zerfall in ihrem Inneren stark auf. „Metalltropfen regnen dabei aus dem strömenden Magma aus und fördern die Differenzierung in einen metallischen Kern und einen schmelzflüssigen Silikatmantel“, erklären die Wissenschaftler. Gleichzeitig verdampfen viele flüchtige Elemente.

Gruppe 2: Wasserreich, kalt und schnell

Anders ist dies in der zweiten Gruppe von Planetesimalen. Sie bilden sich erst nach rund 700.000 Jahren – zu einer Zeit, als die Schneegrenze rund 17 astronomische Einheiten von der Sonne entfernt liegt. Dort, fast auf Höhe der heutigen Uranus-Bahn, beginnt nun eine zweite Phase des Planetesimal-Wachstums. Diese Planetesimale enthalten weniger radioaktive Elemente und heizen sich weniger stark auf. Gleichzeitig wachsen sie aber wegen der lokal hohen Staub- und Brockenkonzentration schneller an und sind wasserreicher, wie die Simulationen ergaben.

Als sich nach rund fünf Millionen Jahren die Urwolke auflöste, hatten die Kerne der äußeren Planeten wegen der fehlenden Hitze zwar keine ausgeprägte innere Struktur ausgebildet, dafür aber genügend Masse angesammelt, um dichte Gashüllen festzuhalten. Die inneren Planetesimale waren zwar früher entstanden, aber aus Mangel an Bausteinen in der späteren Entstehungsphase langsamer gewachsen. Als das Planetenwachstum stoppte, hatten sie daher maximal Erdgröße erreicht.

Das erklärt auch, warum das Sonnensystem keine Supererden besitzt: Im inneren Sonnensystem war am Ende der Planetenbildung einfach nicht mehr genügend Material für ein schnelles Wachstum der Protoplaneten vorhanden, wie Lichtenberg und seine Kollegen erklären.

Rückschluss auch auf extrasolare Systeme

Nach Ansicht der Forscher erklärt dieses Szenario, warum sich die Planeten des inneren und äußeren Sonnensystems so stark unterscheiden und auch, warum andere Planetensysteme ganz anders aussehen als unseres. „Dies eröffnete neue Wege, um den Ursprung von erdähnlichen Planeten und ihrer Atmosphären zu verstehen – und auch, wie das Sonnensystem sich in die Gemeinschaft der extrasolaren Systeme eingliedert“, sagt Lichtenberg. (Science, 2021; doi: 10.1126/science.abb3091)

Quelle: University of Oxford, Universität Zürich

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