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Astronomie

Eine „kopierte“ Supernova

Von Gravitationslinse vervielfachtes Leuchten einer Supernova wird im Jahr 2037 wiederkehren

Gravitationslinse
In der Hubble-Aufnahme von 2016 (links) sind drei Kopien derselben Supernova zu sehen – sie wurden von einer Gravitationslinse vervielfältigt. Eine weitere Kopie dieser Sternexplosion könnte mit Verzögerung bei uns eintreffen – im Jahr 2037. © Steve A. Rodney (University of South Carolina)/ Gabriel Brammer (Cosmic Dawn Center/Niels Bohr Institute/University of Copenhagen)/ Joseph DePasquale (STScI)

Einstein-Effekt: Eine längst vergangene, ferne Supernova war schon dreimal am Himmel sichtbar – ihr Aufleuchten wurde von der Schwerkraft eines davorliegenden Galaxienhaufens mit Zeitverzögerung vervielfacht. Und das kosmische Schauspiel geht weiter: Um das Jahr 2037 könnte das von der Gravitationslinse verzögerte Licht dieser Sternexplosion noch einmal am Himmel zu sehen sein, wie Forscher im Fachmagazin „Nature Astronomy“ vorhersagen.

Diesen Effekt sagte schon Albert Einstein voraus: Wenn das Licht eines fernen Sterns oder einer fernen Galaxie durch ein sehr massereiches Objekt im Vordergrund strahlt, wird es von seinem geraden Weg abgelenkt. Die Schwerkraft der sogenannten Gravitationslinse im Vordergrund krümmt die Raumzeit und dadurch muss auch der Lichtstrahl dieser Krümmung folgen. Für einen irdischen Beobachter erscheint der Lichtpunkt dadurch seitlich verschoben und vergrößert.

Gravitationslinse
Prinzip einer Gravitationslinse: Die Vordergrundgalaxie vergrößert und vervierfacht das Abbild eines fernen Quasars.© NASA/ ESA and D. Player (STScI)

Doch es gibt noch einen Effekt, der von einer Gravitationslinse verursacht wird: Weil das Licht einem Umweg folgen muss, kommt es im Vergleich zum geraden, direkten Weg auch leicht verzögert beim Beobachter an. Manchmal erscheint die Lichtquelle auch in mehreren Kopien, weil der Lichtstrahl auf verschiedenen Wegen durch die Linse scheint.

Eine kosmische Linse und drei ferne Lichtpunkte

Einen seltenen Spezialfall dieses Linseneffekts haben nun Steven Rodney von der University of South Carolina und seine Kollegen entdeckt – durch Zufall. Denn eigentlich wollte Koautor Gabriel Brammer von der Universität Kopenhagen den Gravitationslinseneffekt einiger massereicher Vordergrundgalaxien nutzen, um sehr weit entfernte Galaxien zu untersuchen. Für dieses REQUIEM-Projekt (REsolved QUIEscent Magnified Galaxies) wertete er Archivbilder des Hubble-Weltraumteleskops aus.

In einer Aufnahme aus dem Jahr 2016 stieß der Astronom im Bereich einer Gravitationslinse auf einen winzigen roten Lichtpunkt, den er zunächst für eine ferne Galaxie hielt. Doch dieser Lichtpunkt war in späteren Aufnahmen aus dem Jahr 2019 nicht mehr zu sehen. „Als ich dann die Daten von 2016 noch einmal genauer anschaute, bemerkte sich, dass es dort sogar drei vergrößerte Objekte gab – zwei rote und einen violetten“, berichtet Brammer. Alle drei waren 2019 wieder verschwunden.

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Supernova-Kopien
Hubble-Aufnahme von 2016 mit den drei Kopien der Supernova.© Steve A. Rodney (University of South Carolina)/ Gabriel Brammer (Cosmic Dawn Center/Niels Bohr Institute/University of Copenhagen)/ Joseph DePasquale (STScI)

Vervielfachte Supernova

Wie aber waren diese erst vorhandenen, dann wieder verschwundenen Lichtpunkte zu erklären? Alle drei Objekte wurden von einer massereichen Gravitationslinse vergrößert, dem rund vier Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxienhaufen MACS J0138.0-2155. Aber auch die Lichtpunkte schienen dieselbe Herkunft zu haben: „Jedes dieser drei Objekte war mit dem gelinsten Bild derselben Galaxie verknüpft“, sagt Brammer. Diese lag offenbar rund zehn Milliarden Lichtjahre entfernt.

Anhand der Lichtkurven der drei Punkte stellten die Astronomen fest: Es handelt sich um eine von der Gravitationslinse erzeugte Vervielfältigung nur eines kurzlebigen Aufleuchtens – der Explosion eines Sterns in der fernen Galaxie. Das Licht dieser Supernova wurde von der klumpigen Masse des Galaxienhaufens im Vordergrund geteilt und auf verschiedenen Wegen abgelenkt – ähnlich wie drei Züge, die auf verschieden langen Routen zu ihrem Ziel fahren. Dadurch erscheint das gleiche Ereignis in drei Kopien.

„Nachzügler“-Kopie erscheint im Jahr 2037

Das Spannende jedoch: Die ungleich verteilte Masse der Gravitationslinse bewirkt auch eine zeitliche Verzögerung. Im Falle der drei 2016 aufleuchtenden Lichtpunkte beträgt diese nur gut 100 Tage. Doch es gibt noch weitere Kopien der Supernova, die weit länger zu uns unterwegs sind. Weil ihr Licht durch das massereiche Zentrum des Galaxienhaufens strahlt, benötigt es gut 20 Jahre länger.

Da aber bedeutet: Die ferne Supernova wird noch ein viertes Mal aufleuchten, voraussichtlich im Jahr 2037, wie die Astronomen anhand von Modellsimulationen prognostizieren. „Dieser Lichtpunkt kommt erst so spät an, weil er wie ein Zug ist, der in ein tiefes Tal fährt und sich dann wieder herausarbeiten muss“, erklärt Rodney. Die starke Raumzeitkrümmung im dichten Zentrum der Gravitationslinse bremst das Licht besonders stark ab.

Es könnte sogar noch eine fünfte Kopie dieser Supernova geben, wie das Team erklärt. Diese wird aber um weitere Jahre verzögert sein und könnte nur noch so schwach leuchten, dass sie von uns aus kaum noch erkennbar sein wird.

Hilfe bei der Kartierung der Dunklen Materie

Interessant ist diese „kopierte“ Supernova aber nicht nur um ihrer selbst willen – für die Astronomen bieten solche mehrfach und mit Verzögerung gelinsten Himmelsobjekte auch die Chance, mehr über einen unsichtbaren Akteur in diesem Geschehen zu erfahren: die Dunkle Materie. Die Schwerkraft dieser unsichtbaren Komponente im Vordergrund-Galaxienhaufen ist für den größten Teil ihres Linseneffekts ausschlaggebend. Die Verzögerungen und Ablenkungen der verschiedenen Supernovakopien erlauben es daher, die Verteilung der Dunklen Materie in diesem Cluster näher zu kartieren.

„Die neue Entdeckung ist erst der dritte Fall einer mehrfach abgebildeten Supernova, für die wir die Zeitverzögerung messen können“, erklärt Rodney. Er und sein Team hoffen aber, dass neue Teleskope wie das im Bau befindliche Vera-Rubin-Observatorium in Chile oder das 2026 startende Nancy-Grace-Roman-Weltraumteleskop Dutzende weiterer solcher kopierter Supernovae erspähen werden. (Nature Astronomy, 2021; doi: 10.1038/s41550-021-01450-9)

Quelle: NASA, Space Telescope Science Institute, University of Copenhagen

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