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Astronomie

Ein Stern wie Dr. Jekyll and Mr. Hyde

Neutronenstern wandelt sich vom Röntgen-Emitter zum Radiopulsar und zurück

Terzan 5
Kugelsternhaufen Terzan 5 im sichtbaren und im Röntgenlicht. In ihm haben Astronomen den seltenen Fall eines "Transformer"-Pulsars identifiziert. © X-ray: NASA/CXC/ Univ. of Amsterdam, N.Degenaar, et al.; Optical: NASA/ESA

Stellarer Identitätswechsel: Astronomen haben einen Neutronenstern entdeckt, der ungewöhnliche Wandlungen durchlebt – er wechselt zwischen starker Röntgenquelle und Radiopulsar. Die Forscher vermuten, dass es sich bei diesem rund 20.000 Lichtjahre entfernten Objekt um das seltene Beispiel eines sogenannten veränderlichen Millisekundenpulsars handelt – bisher sind erst drei dieser Objekte nachgewiesen.

Neutronenstern
Ein Neutronenstern „saugt“ seinen Begleitstern aus und wird dadurch zur starken Röntgenquelle. © Dana Berry, NASA /GSFC

Neutronensterne entstehen nach der Supernova eines massereichen Sterns. War dieser früher Teil eines Doppelsystems, wird der dichte Sternenrest zum Vampir – er entzieht seinem Partner Material. Dadurch bildet sich um ihn eine Scheibe heißer Gase, die starke Röntgenstrahlung aussendet – das System wird zum Röntgendoppelstern. Gleichzeitig beginnt der Neutronenstern, immer schneller zu rotieren. Überschreitet seine Rotation jedoch einen bestimmten Wert, stoppt die Akkretion und seine Magnetfelder schleudern stattdessen Material weg. Aus der Röntgenquelle wird nun ein Radiowellen aussendender Millisekundenpulsar.

Bisher gingen Astronomen davon aus, dass diese Entwicklung eine Einbahnstraße ist: Röntgendoppelsterne sind Vorläufer von Millisekundenpulsaren, nicht aber umgekehrt. Allerdings weckte bereits vor einigen Jahren die Entdeckung eines merkwürdigen „Transformer“-Pulsars Zweifel an dieser Sichtweise.

Röntgenquelle im Kugelsternhaufen

Jetzt haben Forscher um Arash Bahramian vom International Center for Radio Astronomy Research (ICRAR) in Australien erneut ein Objekt entdeckt, das sich dem gängigen Muster entzieht. Es handelt sich um einen Röntgendoppelstern, der rund 20.000 Lichtjahre von uns entfernt im Kugelsternhaufen Terzan 5 liegt. Das Doppelsystem Terzan 5 CX1 besteht aus einem Neutronenstern und einem kleinen sonnenähnlichen Begleiter. Bei Beobachtungen mit dem Röntgenteleskop Chandra im Jahr 2003 erwies sich dieses System als die mit Abstand hellste Röntgenquelle des gesamten Sternenhaufens.

Doch als die Astronomen Aufnahmen dieses Röntgendoppelsterns aus der Zeit von 2009 bis 2014 auswerteten, war von der starken Röntgenstrahlung kaum mehr etwas übrig. Sie hatte um das Zehnfache an Intensität verloren, wie Bahramian und seine Kollegen berichten. Nahezu zeitgleich tauchte Terzan 5 CX1 dafür als Radioquelle in den Daten des Very Large Array (VLA) auf. Im Prinzip wäre dies ein Indiz dafür, dass dieser Neutronenstern zum Radiopulsar geworden war.

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Wechsel der Zustände

Das Erstaunliche jedoch: Als die Forscher 2016 erneut das Chandra-Teleskop auf dieses Doppelsystem richtete, war plötzlich wieder alles fast beim Alten. Terzan 5 CX1 sendete erneut starke Röntgenstrahlung aus und verhielt sich wie ein ganz normaler Röntgendoppelstern. Nach Ansicht der Astronomen ist dies ein starkes Indiz dafür, dass dieses System wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde zwischen zwei Zuständen wechselt – vom Röntgendoppelstern zum Millisekundenpulsar und wieder zurück.

„Diese aufregende Entdeckung deutet darauf hin, dass es nicht nur eine eingleisige Entwicklung von Röntgendoppelsternen zu Millisekundenpulsaren gibt, sondern dass es eine erweiterte Entwicklungsphase gibt“, sagen die Forscher. „In dieser Phase wechseln die Neutronensterne zwischen diesen beiden unterschiedlichen Zuständen hin und her.“ Sollte sich dies bestätigen, wäre Terzan 5 CX1 erst der vierte bekannte Fall eines solchen veränderlichen Millisekundenpulsars. (The Astrophysical Journal, doi: 10.3847/1538-4357/aad68b)

Das Doppelsytem Terzan 5 CX1 und seine beiden Alter Egos.© Chandra X-ray Observatory

Quelle: NASA

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