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Astronomie

Chemische Evolution im All

Rosetta-Mission soll Herkunft von Aminosäuren klären

Rosetta-Mission © ESA / DLR / Universität Bremen

Die Raumsonde Rosetta soll klären, ob Aminosäuren auch im All existieren. Damit könnte Licht ins Dunkel der „chemischen Evolution“ gebracht werden. Bislang nimmt die Wissenschaft an, dass die Grundbausteine des Lebens auf der Erde entstanden sind. Ein Nachweis der Aminosäuren auf einem Kometen würde jedoch der Theorie neue Nahrung geben, dass die Initialzündung des Lebens aus dem All kam.

Seit langem beschäftigen sich verschiedene wissenschaftliche Disziplinen mit Fragen zur Entstehung des Lebens. Zahlreiche experimentelle und theoretische Probleme zum Übergang von unbelebter in belebte Materie sind bisher ungelöst. Zur präbiotischen Entstehung von Biomolekülen wie Proteinen sind deren Bausteine, die Aminosäuren erforderlich. Zur Aminosäure-Synthese in der Chemischen Evolution bemühte man bislang das Urey-Miller-Modell, nach dem Aminosäuren in der Atmosphäre der frühen Erde gebildet werden. In Kooperation mit Partnern im europäischen Ausland gelang an der Universität Bremen in Vorbereitung auf die Rosetta-Mission vor zwei Jahren der Nachweis, dass Strukturen von Aminosäuren als Bausteine von Eiweißmolekülen bereits im interstellaren Raum, also in genau definierten Bereichen des Weltraums, durch photochemische Reaktionen spontan und fortwährend synthetisiert werden. Derartige interstellare Eispartikel aggregieren im Laufe der Zeit und bilden zunächst „Kometissimale“ und daraufhin Kometen.

Chemische Evolution entschlüsseln

Der Nachweis von Aminosäurestrukturen im simulierten Kometenmaterial eröffnet Möglichkeiten, die chemische Evolution neu zu interpretieren. Es wird heute vermutet, dass organisches „Inventar“ aus Bereichen des Interstellaren Mediums über (Mikro-) Meteoriten oder Kometen auf die frühe Erde transportiert worden sein könnte. Nach dem Transport solcher Moleküle auf die frühe Erde beteiligten sich diese – so legen es die Bremer Forschungsergebnisse nahe – an „präbiotischen“ Reaktionen, die für die chemische Evolution von wesentlicher Bedeutung waren.

Das Interesse der Bremer Wissenschaftler richtet sich nach den Experimenten zur Simulation eines Kometen nun auf die direkte Analyse des Kometenmaterials mit Hilfe der Kometenmission Rosetta. Nach der Landung des in der Arbeitsgruppe von Dr. Helmut Rosenbauer am Max-Planck-Institut für Aeronomie in Katlenburg-Lindau erdachten und konzipierten Messgerätes auf der Oberfläche des Kometen Churyumov-Gerasimenko soll das Kometenmaterial genau analysiert werden. Von Interesse ist die Identifizierung organischer Moleküle wie Aminosäuren, die als molekulare Bausteine biologischer Strukturen angesehen werden.

Biomoleküle möglicherweise im All entstanden

Neben der reinen Identifizierung organischer Moleküle sind die Bremer Wissenschaftler an der Messung eines weiterführenden Phänomens, der sogenannten Chiralität, interessiert. Die Chiralität beschreibt ein von Biomolekülen her gut bekanntes Phänomen. Man weiß, dass sich Biomoleküle aus Bausteinen zusammensetzen, die einheitlich entweder ausschließlich

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rechts- oder ausschließlich linkshändig sind. Beispielsweise sind Eiweiße (Proteine) ausschließlich aus L-Aminosäuren aufgebaut, wohingegen deren Spiegelbilder, die D Aminosäuren, in Eiweißen keine Verwendung finden. Auf ähnliche Weise nutzen sowohl die Kohlenhydrate wie auch die DNA ausschließlich D-Zucker und haben keine Verwendung für etwaig vorkommende L-Zucker Einheiten. Eine zentrale wissenschaftliche Frage ist nun, wie zu Beginn der biologischen Evolution die rechts-/links-Symmetrie gebrochen werden konnte, um die molekularen Bausteine des Lebens einheitlich entweder in rechts- oder in links-Form generieren zu können. Heute sprechen viele Gründe dafür, dass dieser Symmetriebruch nicht erst auf der frühen Erde, sondern bereits im interstellaren Raum stattfand. In solchem Falle sollten diejenigen Moleküle, die wie Aminosäuren oder Zucker das Phänomen der Händigkeit (griechisch: Chiralität) zeigen, im Kometenmaterial in rechts- oder links-Form in ungleicher Menge nachgewiesen werden. Das dazu erforderliche Instrumentarium wurde von den Bremer Chemikern Wolfram Thiemann und Uwe Meierhenrich entwickelt.

Aus den Kometenmessungen werden sich Verhältnisse der jeweiligen Anteile an händigen (chiralen) Molekülen kalkulieren lassen, woraus sich nach Hoffnung der beteiligten Wissenschaftler weitreichende Aussagen über die Theorien zur ersten asymmetrischen Synthese treffen lassen: Werden dieselben chiralen Überschüsse für L Aminosäuren und für D-Zucker, wie wir sie von Biomolekülen der Erde her kennen, auch in der Materie des Kometenkerns detektiert, so gälte dies als ein starkes Indiz für den Transfer präbiotischer Moleküle aus dem interstellaren Medium auf die frühe Erde, wo sie die Chemische Evolution anstoßen konnten. Ein solches Ergebnis würde darüber hinaus die interstellar-photochemische Theorie zur ersten asymmetrischen Synthese stützen. Wenn die Rosetta-Sonde jedoch davon abweichende Ergebnisse übermittelt, so müssen andere nicht minder interessante und weitreichende Theorien (wie die der Schwachen Wechselwirkung, der stochastischen Prozesse oder weiterer chiraler Felder) zur Erklärung der ersten asymmetrischen Synthese herangezogen werden.

(idw – Universität Bremen, 18.02.2004 – AHE)

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